Die Botschaft der Bhagavadgita. Sri Aurobindo
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Wäre dies schon alles, bestünde die einzige Abhilfe darin, dass der Purusha seine Zustimmung völlig zurückzieht. Dann würde er durch diesen Entzug unsere Natur in ein bewegungsloses Gleichgewicht der drei Gunas, zurückfallen lassen oder sie dazu zwingen; sie würde dann mit allem Wirken aufhören. Das ist aber gerade die Abhilfe, die die Gita ständig verurteilt – obwohl es zweifellos eine Abhilfe ist, wenn auch gleichsam eine, durch die der Patient zugleich mit der Krankheit beseitigt wird. Besonders die Unwissenden werden, wenn man ihnen diese Wahrheit nahelegt, sich einer tamasischen Untätigkeit zuwenden. Das unterscheidende Mental in ihnen verfällt in falsche Zertrennung; in falsche Gegensätzlichkeit, buddhibheda.
Deshalb ruft der Lehrer aus: „Da du frei geworden bist von Begehren und Egoismus, kämpfe, denn nun ist das Fieber deiner Seele von dir gewichen!“ nirāśīr nirmamo bhūtvā. (214-16)
3.30
Gib dein Wirken an Mich hin, verankere dein Bewusstsein fest in deinem Selbst, frei von allem Verlangen und von allem Egoismus, und kämpfe, befreit vom Fieber deiner Seele!
3.31-32
Die Menschen, die glauben und ihr Vertrauen nicht in den kritischen Verstand setzen, sondern beständig dieser Meiner Lehre folgen, werden von ihrem (Gebundensein an ihr) Wirken befreit. Jene aber, die Meiner Lehre widersprechen und nicht nach ihr handeln, erkenne als Menschen von unreifem Sinn und Verstand. Sie sind in ihrem Wissen verwirrt und dazu bestimmt, zugrunde zu gehen.
Tatsächlich können diese Wahrheiten nur auf einer höheren und weiteren Ebene des Bewusstseins und Wesens hilfreich sein, da sie sich nur dort für die Erfahrung bewahrheiten und gelebt werden können. Wenn wir diese Wahrheiten von der niederen Ebene her betrachten, müssen wir sie falsch sehen, falsch verstehen und wahrscheinlich falsch anwenden. Es ist eine höhere Wahrheit, dass die Unterscheidung zwischen Gut und Böse freilich nur eine praktische Tatsache und ein Gesetz ist, gültig für das egoistische Leben des Menschen, das die Übergangsstufe vom Tier zum Göttlichen ist. Auf einer höheren Stufe erheben wir uns aber über Gut und Böse hinaus und stehen über ihrer Dualität, genauso wie die Gottheit über ihr steht. Wenn sich jedoch das unreife Mental dieser Wahrheit bemächtigt, ohne dass es sich aus dem niederen Bewusstsein, wo sie praktisch keine Gültigkeit besitzt, emporschwingt, wird es sie einfach als bequeme Entschuldigung dafür verwenden, sich seinen asurischen Neigungen hinzugeben, den Unterschied zwischen Gut und Böse überhaupt leugnen und durch die Befriedigung seiner egoistischen Leidenschaften tiefer im Morast des Verderbens versinken, sarva-jñāna-vimūḍhān naṣṭan acetasaḥ. So steht es auch mit der Wahrheit des Determinismus der Natur. Sie wird falsch gesehen und falsch verwendet, wie jene sie missbrauchen, die erklären, ein Mensch sei das, was seine Natur aus ihm gemacht hat; er könne nicht anders handeln als so, wie seine Natur ihn zwinge. Das ist zwar in einem gewissen Sinne wahr, jedoch nicht in dem Sinn, der ihm beigelegt wird, nicht in dem Sinn, dass das Ego-Selbst nicht verantwortlich wäre und Straflosigkeit für sein Wirken beanspruchen könnte. Denn es hat Willen, und es hat Begehren. Solange es gemäß diesem Willen und Begehren handelt, muss es auch, wenn das seine Natur ist, die Reaktionen seines Karma tragen. Es ist in einem Netz, gleichsam in einer Schlinge verfangen, die seiner gegenwärtigen Erfahrung, seiner beschränkten Selbst-Erkenntnis, sehr wohl als verwirrend, unlogisch, ungerecht, schrecklich erscheinen mag, die aber eine selbst-gewählte Schlinge, ein Fangnetz ist, das es sich selbst gestrickt hat. (217)
3.33
Alle Daseinsformen folgen dem Gesetz ihrer Natur. Welchen Nutzen sollte es haben, dass man Zwang auf sie ausübt? Auch der Mensch, der Wissen besitzt, handelt gemäß seiner Natur.
Diese Behauptung scheint, wenn wir sie für sich allein nehmen, hoffnungslos absolut zu sein, als ob die Natur der Seele gegenüber allmächtig sei. Darauf gründet die Gita den Rat, wir sollten in unserem Handeln getreu dem Gesetz unserer Natur folgen: „Besser ist, das eigene Gesetz des Wirkens, svadharma, zu erfüllen, auch wenn es an sich noch fehlerhaft ist, als das Gesetz eines anderen, selbst wenn es vollkommener ist. Den Tod im Gehorsam gegen das eigene Wesensgesetz zu erleiden, ist vorzuziehen. Gefährlich ist es, einem fremden Wesensgesetz zu folgen.“ Um zu verstehen, was genau mit diesem svadharma gemeint ist, müssen wir warten, bis wir in den abschließenden Kapiteln über Purusha, Prakriti und die Gunas zu der gründlicheren Untersuchung kommen. Gewiss bedeutet es aber nicht, dass wir jedem Impuls, den wir unsere Natur nennen, auch wenn es ein böser ist, folgen und behaupten dürfen, sie diktiere ihn uns. Denn zwischen diesen beiden Versen fügt die Gita folgendes ausdrückliches Verbot ein: Zuneigung und Abneigung liegen im Gegenstand dieses oder jenes Sinnes auf der Lauer. Gerate nicht in deren Gewalt, denn sie sind die heimtückischsten Feinde der Seele auf ihrem Weg!“ Arjuna macht unmittelbar darauf Einwendungen und fragt, ob es nicht etwas Falsches sei, wenn wir unserer Natur folgen, und was wir von dem Drang in uns sagen sollten, der einen Menschen, wie mit Gewalt, zur Sünde treibt, sogar gegen seinen eigenen widerstrebenden Willen? Der Lehrer antwortet, das sei das Begehren mit seinem Gefährten, dem Zorn, den Kindern des Rajas, der zweiten Guna, des Prinzips der Leidenschaft. Dies Begehren ist der große Feind der Seele und muss abgetötet werden. Die Gita erklärt: Erste Bedingung für die Befreiung ist, dass wir uns dessen enthalten, Böses zu tun. Und immer drängt sie auf Herrschaft des Selbstes, Überwachung durch das Selbst, saṁyama, auf die Kontrolle des Mentals, der Sinne und des ganzen niederen Wesens.
Es muss daher unterschieden werden zwischen dem, was das Wesentliche in der Natur ist, dem ihr eingeborenen und unvermeidlichen Wirken, wobei es ganz und gar nicht förderlich ist, es zu unterdrücken, zu verdrängen, zu bezwingen, und dem, was in der Natur das Unwesentliche ist, ihren Irrwegen, Verwirrungen, Entstellungen, über die wir ganz gewiss die Kontrolle erlangen müssen. Außerdem legt sie eine Unterscheidung nahe zwischen einerseits Zwang und Unterdrückung, nigraha, und andererseits einer Kontrolle, verbunden mit der rechten Verwendung und Führung der Natur, saṁyama. Ersteres ist eine Vergewaltigung, die man der Natur durch den eigenen Willen zufügt und die schließlich die natürlichen Mächte des Wesens unterdrückt, ātmānam avasādayet. Letzteres ist die Kontrolle des niederen Selbstes durch das höhere Selbst, die jenen Mächten das rechte Wirken und ein Höchstmaß an Wirkungskraft für ihren Erfolg verschafft, yogaḥ karmasu kauśalam. (217-18)
3.34
Zuneigung und Abneigung liegen im Gegenstand dieses oder jenes Sinnes auf der Lauer. Gerate nicht in deren Gewalt, denn sie sind die heimtückischsten Feinde der Seele auf ihrem Weg!
3.35
Besser ist, das eigene Gesetz des Wirkens, svadharma, zu erfüllen, auch wenn es an sich noch fehlerhaft ist, als das Gesetz eines anderen, selbst wenn es vollkommener ist. Den Tod im Gehorsam gegenüber dem eigenen Wesensgesetz zu erleiden, ist vorzuziehen. Gefährlich ist es, einem fremden Wesensgesetz zu folgen.
Svadharma: Der Mensch ist nicht dasselbe wie der Tiger, wie das Feuer oder wie der Sturm. Er kann nicht töten und dann als ausreichende Rechtfertigung von sich behaupten: „Ich handle im Einklang mit meiner Natur.“ Und zwar deshalb nicht, weil er nicht die Natur und demgemäß auch nicht das Gesetz des Handelns, svadharma, des Tigers, des Feuers, des Sturms hat. Er besitzt einen bewussten und vernunftbegabten Willen, buddhi; vor ihm muss er seine Handlungen rechtfertigen.