Die Botschaft der Bhagavadgita. Sri Aurobindo
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1.45
Viel eher gereicht mir zum Heil, dass die bewaffneten Söhne des Dhritarashtra mich, der ich waffenlos bin und keinen Widerstand leiste, erschlagen. (Ich will nicht kämpfen!)
1.46
Sanjaya sprach:
Als Arjuna auf dem Schlachtfeld so gesprochen hatte, sank er auf den Sitz des Kampfwagens zurück, warf seinen göttlichen Bogen und den unerschöpflichen Köcher hin (die er von den Göttern für diese furchtbare Stunde erhalten hatte), und sein Geist war von Kummer überwältigt.
Wenn sich Arjuna selbst auch nur um seine eigene Situation, seinen inneren Kampf und das von ihm zu befolgende Gesetz des Handelns kümmert, so wirft doch die von ihm gestellte besondere Frage, und zwar in der Art, wie er sie stellt, in Wirklichkeit die ganze Frage menschlichen Lebens und Handelns auf: Was ist die Welt? Warum ist sie so? Wie kann, wenn sie ist, was sie ist, das Leben hier in der Welt vereinbar sein mit einem Leben im spirituellen Geist? Der Lehrer besteht darauf, gerade diese tiefe und schwierige Frage als die wahre Grundproblematik seines Befehls zu einer Tat zu lösen, die aus einer neuen ausgeglichenen Haltung des Wesens hervorgehen und im Licht einer befreienden Erkenntnis durchgeführt werden muss.
Was bereitet aber diese Schwierigkeit für den Menschen, der die Welt nehmen muss, wie sie ist, der in ihr zu handeln hat, aber dennoch in seinem Inneren das spirituelle Leben möchte? Was ist dieser Aspekt des Daseins, der sein erwachendes Bewusstsein so bestürzt und das hervorbringt, was der Titel des ersten Kapitels der Gita bedeutungsvoll mit dem Yoga der Mutlosigkeit Arjunas bezeichnet, der Niedergeschlagenheit und Entmutigung, die das menschliche Wesen fühlt, wenn es gezwungen ist, das Spektakel des Universums so zu sehen, wie es wirklich ist, wenn der Schleier der ethischen Illusion, der Illusion der Selbst-Gerechtigkeit, von seinen Augen weggerissen ist, bevor noch eine höhere Aussöhnung mit sich selbst bewirkt wurde? Dieser Aspekt wird nach außen hin dargestellt durch das Blutbad und Gemetzel von Kurukshetra. Spirituell wird er sichtbar in der Vision des Herrn aller Dinge als Zeit, die sich erhebt, um alle Geschöpfe, die sie geschaffen hat, zu verschlingen und zu zerstören. Das ist die Vision des Herrn allen Daseins als des universalen Schöpfers, aber ebenso als des universalen Zerstörers, von dem die alte Schrift in einem grausamen Bild sagen kann: „Die Weisen und Helden sind seine Nahrung, und der Tod ist das Gewürz bei seinem Festmahl.“ Es ist ein und dieselbe Wahrheit, die zuerst indirekt und dunkel in den Tatsachen des Lebens, dann aber direkt und klar in der Schau der Seele von dem gesehen wird, was sich im Leben offenbart. Der äußere Aspekt ist der von Welt-Sein und menschlichem Sein, das durch Kampf und Töten sich vollzieht. Der innere Aspekt ist der des universalen Wesens, das sich in einer ungeheuren Schöpfung und einer gewaltigen Zerstörung zur Erfüllung bringt. Leben ist eine Schlacht und ein Feld des Todes –, dies ist Kurukshetra. Gott, der Schreckliche, das ist die Schau, die Arjuna hat auf jenem Feld des Massakers. (39-40)
Wir müssen Kurukshetra anerkennen; wir müssen uns dem Gesetz von Leben durch Tod unterwerfen, bevor wir unseren Weg zum unsterblichen Leben finden können. Wir müssen unsere Augen mit einem weniger entsetzten Blick als dem Arjunas öffnen, um unseren Herrn von Zeit und Tod zu schauen. Wir müssen aufhören, den universalen Zerstörer abzulehnen, zu hassen oder vor ihm zurückzuschrecken. (46)
1 Vrikodara, Yudhishthira, Nakula und Sahadeva sind die vier Brüder Arjunas. (Anm. d. Ü.)
2. Kapitel
Sankhya, Yoga und Vedanta
Der Glaube des arischen Kriegers
2.1
Sanjaya sprach:
Zu ihm, der so von Mitleid ergriffen war, die Augen voll Tränen und Kummer, das Herz überwältigt von Schwermut und Entmutigung, sprach Madhusudana folgende Worte.
Dies Mitleid Arjunas ist gänzlich anders, als das göttliche Mitleiden, das von oben zu uns herabkommt... Dieses Mitleiden schaut mit den Augen der Liebe, Weisheit und stillen Kraft auf die Schlacht und das Ringen, auf Stärke und Schwäche des Menschen, auf seine Tugenden und Sünden, seine Freude und sein Leid, sein Wissen und seine Unwissenheit, seine Weisheit und seine Torheit, sein Streben und sein Versagen. In all das geht dieser Mensch ein, um zu helfen und zu heilen.
Arjunas Mitleid ist eine Form von Nachgiebigkeit gegen sich selbst. Es ist der körperliche Krampf der Nerven angesichts des Blutbads, das egoistisch emotionale Zurückschrecken seines Herzens vor der Vernichtung der Leute Dhritarashtras, weil diese „sein eigenes Volk“ sind; ohne sie wird das Leben leer sein. (59)
2.2
Der Erhabene sprach: Woher ist diese Niedergeschlagenheit, diese Verfärbung und Verfinsterung deiner Seele in der Stunde der schweren Entscheidung und Gefahr über dich gekommen, O Arjuna? Das ist nicht die Art, die vom arischen Mann hochgehalten wird. Diese Stimmung ist nicht vom Himmel zu dir herniedergekommen, und sie kann dich auch nicht empor zum Himmel tragen. Auf Erden bedeutet sie den Verlust deines Ruhmes.
Diese Frage weist hin auf die wirkliche Art von Arjunas Abkehr von seinen heldenhaften Eigenschaften. Es gibt ein göttliches Mitleiden, das von oben zu uns herabkommt. Und für den Menschen, der es nicht besitzt und nicht davon geprägt ist, ist es töricht und unverschämt zu behaupten, er sei der höhere Mensch, der Herrenmensch oder der Übermensch. Denn der allein ist der Übermensch, der am meisten die höchste Art der Gottheit in der Menschheit offenbart. Dieses Mitleiden schaut mit den Augen der Liebe, Weisheit und stillen Kraft auf die Schlacht und das Ringen, auf Stärke und Schwäche des Menschen, auf seine Tugenden und Sünden, seine Freude und sein Leid, sein Wissen und seine Unwissenheit, seine Weisheit und seine Torheit, sein Streben und sein Versagen. In all das geht dieser Mensch ein, um zu helfen und zu heilen. Im Heiligen und Menschenfreund mag er sich in das Gewand einer Fülle von Liebe und helfender Güte hüllen; im Denker und Helden nimmt er die Weite und Kraft seiner hilfreichen Weisheit und Stärke an. Dies Mitleiden des arischen Kriegers, die Seele seiner Ritterlichkeit, wird das geknickte Schilf nicht zerbrechen, sondern hilft dem Schwachen und Unterdrückten, dem Verwundeten und Niedergeworfenen und beschützt sie. Aber das göttliche Mitleiden zerschmettert auch den starken Tyrannen und den selbstgewissen Unterdrücker, nicht in Zorn und Hass –, denn das sind nicht die hohen göttlichen Eigenschaften; der Zorn Gottes gegen den Sünder, Gottes Hass gegen den Bösewicht sind die Fabeln halberleuchteter Religionen, ebenso wie die ewige Qual der Höllen eine Fabel ist, die sie erfunden haben –, sondern, wie es die alte indische Spiritualität klar sah, mit ebenso viel Liebe und Mitleiden für den starken Titanen, der durch seine Kraft irrt und wegen seiner Sünden erschlagen wird, wie für die Leidenden und Unterdrückten, die vor seiner Gewalt und Ungerechtigkeit gerettet werden müssen.
Solcher Art ist aber nicht das Mitleid, das Arjuna zur Zurückweisung seines Werkes und seiner Sendung bestimmt. Das ist kein Mitleid, sondern ein Versagen aller Kräfte voller schwächlichen Selbstmitleids. Er weicht aufgrund des mentalen Leidens zurück, das sein Handeln über ihn bringen muss: „Ich sehe nicht, was den tiefen Kummer von mir wegnehmen wird, der mir die Sinne austrocknet.“ Von allen Dingen ist es eine der schimpflichsten unarischen Stimmungen, dass man sich selbst bemitleidet. (58-59)
2.3
Lass nicht ab von der Männlichkeit des Kriegers und Helden, O Partha! Das passt nicht zu dir. Schüttele diese erbärmliche Schwachherzigkeit ab! Steh auf,