Vom Müller-Hannes. Clara Viebig

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Vom Müller-Hannes - Clara Viebig

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hieb er auf die Pferde ein: weiter, weiter, daß er nur nichts mehr von dem Ärgernis sah!

      Heute waren beide Gäule eingespannt, trotzdem der Weg nicht weit und sie daheim schlecht zu entbehren gewesen. Ei, was, die Leute konnten eben einen Tag länger auf ihr Mehl warten, – lästig genug, daß man es ihnen noch vors Haus fahren mußte – der Laufeld war einspännig gekommen, nun kam er dem heute zweispännig. Fürnehm genug sah’s aus, das gelblackierte Chaischen; und alles Lederzeug blank gewichst, das Riemenzeug mit Silber beschlagen. Müller-Hannes schmunzelte. Ja, die Manderscheider würden Augen machen, akkurat wie gestern die Wittlicher! Dort war er gewesen und hatte sich aus der Sparbank dreitausend Taler geholt, die diese ihm als neue Hypothek auf die Mühle gegeben. Zweitausend Taler hatte ihm der Schwiegervater vorgestreckt, aber erst nach langem Zureden und Anhalten – die Tina hatte extra darum an die Mosel hinunterfahren müssen – wahrhaftig, es war nicht angenehm, zu jemandem »Danke!« zu sagen. Das brauchte man wenigstens bei der Bank nicht, die kriegte ja Sicherheit in der neuen Hypothek. Da war es gar keine Gefälligkeit, da war’s eben ein Geschäft.

      Befriedigt war Hannes gestern durch Wittlich zurückgefahren, die Dreitausend im Sack, aller Sorgen ledig. Die Gäule waren dahingestoben, als hätten sie statt des Blutes Feuer im Leib. Das Pflaster hatte Funken gesprüht unter ihren Hufen. Hui, durch die Gassen, daß groß und klein an die Türen eilte und die Mädchen rasch die Gardinchen von den Fenstern beiseite rissen. Er hatte allen zugewinkt; sein rundes Gesicht blühte in einem jovialen Lachen, die Straße im grauen Novemberlicht wurde hell davon. »Kucktelhei, dän Müller-Hannes, dän Müller-Hannes!« Das hörte er gern.

      Heute konnte er die frohe Laune von gestern nicht finden. Hatte der Wein, den er im Wittlicher Gasthaus »Zur Traube« getrunken, ihm den Kopf schwer gemacht? Er fühlte einen ungeheueren Brand. No, nur ein halb Stündchen Geduld, dann war er oben in Manderscheid, da gab’s was zum Löschen!

      Schon fingen die großen Kehren an, die langsam zum Plateau hinaufführen. Es war derselbe Weg, den er einst in hochzeitlicher Seligkeit mit seinem jungen Weib hinuntergefahren. Dazumal hatte der Mond silberne Rosen gestreut, und alle Wunder der Maiennacht hatten sich geoffenbart. Er erinnerte sich heute nicht mehr daran. Aber wie damals guckte er hinüber zum Mosenkopf, der sich jetzt in ganzer Mächtigkeit über dem Vorland niederer Höhen erhob.

      Der trug noch immer kein stolzes Haus auf dem Buckel, von dem man hinunterspucken konnte auf die Welt. Aber – des Müller-Hannes finsteres Gesicht hellte sich ein wenig auf – das würde schon noch kommen, ’s würde schon noch kommen; warum die Hoffnung aufgeben, wenn man stark ist und in den besten Jahren, und – wenn man noch mal was zu erwarten hat?! Nicht, daß er dem alten Knauserer an der Mosel das Leben mißgönnte, nein, nein! Es war nur schön, daß man doch noch einmal einen gehörigen Batzen kriegte. Was der Schwiegervater immer von schlechten Zeiten stöhnte, war einfach nicht zu glauben; und auf der Tina Gerede war erst gar nichts zu geben. Die sah alles schwarz. Hatte sie nicht gesagt, es käme dem Alten sehr sauer an, als sie mit den zweitausend Talern zurückkehrte? Ach, was war die für eine Wehklage geworden, eine »Quiesel« noch dazu! Wenn sie durchs Haus ging, bewegte sie oft still die Lippen, sie betete bei sich. War das nicht zum Ärgern?! Eine Betschwester hatte er doch nicht zu freien gedacht, sondern eine Junge, Frische, voller Lebenslust. Hübsch war sie auch nicht mehr, klapperdürr; und seit sie ein paarmal »Malheur« gehabt, kränkelte sie. War’s nicht eine Schande, nur einzig die Fränz im Haus und keinen Sohn?!

      »Verflixt!« Der starke Mann sah an sich herunter und steifte die kräftigen Lenden. Nein, an ihm lag es nicht, er hätte der Jungen in die Welt setzen können, wie weiland der Erzvater Jakob, zwölf an der Zahl, ein gewaltiges Geschlecht, das die Welt bevölkert.

      Ein Gefühl, das er bis jetzt noch nie so deutlich empfunden, erhob sich plötzlich in ihm. War es Enttäuschung, Zorn, Haß gegen die Schwache? Nein, nein, die Tina war ein kreuzbraves Weib, sie hatte keinen Willen und tat, wie er befahl. Aber Empörung war doch in ihm. Ja, Empörung. Warum gebar sie ihm keinen Sohn, einen gesunden, strammen, so einen, wie er selber war?! Die Fränz war hübsch und kräftig, ließ sich ganz gut an, aber was soll’s mit einem Mädel, kann die einmal regieren? Einen Sohn, einen Sohn!

      Er ließ die Pferde gehen, wie sie wollten; so knapp bogen sie am Rand der Kehren um, daß oft ein Rad überm Absturz hing. Aber es war nicht sorgloser Leichtsinn mehr, der den Herrn also unachtsam machte; eine zornige Bitterkeit war in ihm aufgewallt, und das zu Kopf steigende Blut hatte seine Augen getrübt. Er nagte an der Unterlippe. Wenn er jetzt die Tina bei sich hätte, wahrhaftig, er könnte ihr einen Schlag geben, mitten hinein in das blasse, wehleidige Gesicht, das ihm nicht mehr gefiel. Unwirsch sah er hinter sich; aber da saß nur sein Hund, der Nero, breit auf dem Kutschsitz.

      Nun hatten die Pferde die Höhe gewonnen. Da war schon das Waschhaus, das, wie auf Vorposten hinausgeschoben, die Nähe des Dorfes kündet. An der Quelle, die, durch die Mauer geleitet, drinnen in die steinernen Tröge plätschert, stand ein Mädchen und spülte Leinzeug. Sie war jung und drall und rief lachend: »Gud Zeit!«

      Da machte der Müller: »Brr!« Die Pferde standen.

      War wo ein Strählchen Sonne hinter den Wolken, hier oben am Waschhaus traf das. Hier sangen den ganzen Sommer über die Grillen im Gemäuer, und waren die im Winter gestorben, so sangen noch die jungen Mädchen von Manderscheid, und ein Summen und ein Gurren tönte weithin von emsig sich rührenden Zungen. Heut war die eine allein hier, aber sie galt für zehn, Hannes glaubte lange nicht, eine so hübsche gesehen zu haben. Sie bespritzte ihn zwar mit Wasser und schwenkte ein nasses Handtuch zur Abwehr vor sich her – aber es war ja der Müller-Hannes, dem schlug man ein Küßchen nicht ab.

      Die Pferde scharrten schon ungeduldig, und der Hund bellte dumpf, da stieg ihr Herr endlich wieder auf. Noch ein Nicken, ein schäkernder Gruß, ein Lachen, das das Echo am Mosenkopf herausforderte, und Müller-Hannes raste dem Dorf zu. Nun war er wieder wohlgemut. Ihn dünkte schier, die Kleine am Waschhaus hatte die Sonne hervorgehext. Richtig, da guckte die bleiche Novembersonne auch schon aus den Nebeln! Jetzt zur Mittagszeit hatte sie noch Kraft und brannte ihn förmlich auf den breiten Rücken. Ein Behagen sondergleichen durchrieselte ihn: ah, nun war’s pläsierlich!

      Aus dem ersten Häuschen des Dorfes rief ihn einer an. Es war der Bäcker Driesch; dürftig nur war sein Lädchen, dem Mann standen die Sorgen auf der Stirn. Schon lange war er schuldig fürs Mehlmahlen und für manchen Scheffel Korn, den er noch dazu beim reichen Müller entlehnt.

      An die zwanzig Taler machte die Rechnung. Nun konnte er heut endlich zahlen, wenn es dem Hannes genehm war, das Geld selber mitzunehmen. Der sprang vom Wagen und ließ es sich in blanken Talern auf die Theke zahlen; fast reute es ihn, das einzustecken, denn dem Driesch schien das Geld an den Fingern zu kleben, und die Frau mit dem verarbeiteten Gesicht, die durch die Türspalte zusah, folgte jedem Talerstück mit einem langen Blick. Wie konnte man nur so an den paar Talern hängen!

      Pfeifend schwang sich Müller-Hannes wieder auf seinen Wagen und hielt bald danach vor des Laufeld Haus.

      Jakob Laufeld wohnte der Kirche gerade gegenüber. Sein Haus war stattlich und fein zartgrün gestrichen; Stallung und Remise gehörten dazu, und auf dem Hof breitete sich ein stattlicher Misthaufen.

      Auf der Bank vor der Tür saß ein halbwüchsiger Knabe; Nero sprang vom Kutschsitz und fuhr ihm an die Hose. Aber da bekam er einen Tritt mit dem nägelbeschlagenen Absatz gegen die Schnauze, daß er winselnd unter den Wagen kroch. Diesmal hatte er sich geirrt, dies hier war kein armseliger Handwerksbursche oder ein elendes Bäuerlein, dies war des Laufeld Joseph.

      Die Hände in den Hosentaschen, stand das Josephche und starrte den Müller an.

      »Es Dein Vadder zo Haus?«

      »Gieht sälwer kucken!«

      Der

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