Vom Müller-Hannes. Clara Viebig
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Sie redeten hin und her: vom Wetter, von der Ernte, von der Kirmes und vom Viehstand. Auch von der Politik.
Der Laufeld, der alle Morgen, wenn Manderscheid noch im Nebel dampfte, zur Messe ging, fleißig den Rosenkranz betete und reichlich für die verfolgten Hirten der Kirch gab, spuckte auf die Maigesetze: Kaiser und Bismarck, die kamen gleich hinter dem Leibhaftigen. Aber Hannes, der gleich nach dem Krieg seinem Kaiser gedient, schwärmte für Siebzig und den »von Bismarck«. Das war mal ein Großer!
Sie kriegten bald das Zanken. Jakob Laufeld war ein Verbissener, der kaum die Lippen voneinander brachte, nur ab und zu ein Wort fallen ließ, als lohne es ihm nicht recht vor dem Hannes, der nichts wert war, wie die Maarfeldener sämtlich. Selbst deren Pastor war nicht besser. Zuckten nicht der Herr Dechant und die anderen Amtsbrüder über Arnoldus Cremer die Achseln, der in niedergetretenen Bastschuhen lief und von dem man munkelte, daß er bei Nacht der Bauern Weiden am Maar abschnitt?!
Auf Maarfelden ließ Hannes aber nichts kommen, das war ja seiner Mühle benachbart. Und auf den Cremer, das arme Männchen? Ei, da sollte doch die geistliche Obrigkeit, die selber im Fett saß, den besser stellen! Wenn er, der Müller-Hannes, Beginn Winters dem Alten nicht eine Fuhre Holz vor die Pfarre schickte und ab und zu eien Sack Hobelspäne, müßte der ja frieren. Und das bißchen, was seine Wirtschafterin, das Engelche, für die Körbe erlöste, die er von den Weiden flocht, war ihm wohl zu gönnen, dem Noldes, dem spaßigen Männchen!
Den Laufeld, was er auch selber denken mochte, entsetzte doch diese respektlose Rede. Gut, daß jetzt die Magd mit den goldgeränderten Tassen kam und Frau Tina einen Berg frischer Waffeln hereinbrachte.
Da langte der Laufeld wacker zu und trank auch verschiedene Schnäpse; dann, als er so recht dick, satt und befriedigt war, legte er die flache Hand auf den Tisch und sagte:
»Jao, wat ech eweil noch saon wollt, ech kündigen Eich de Hippothek. Martini muß ech mein Gäld haon!«
Hannes sah ihn ganz verdutzt an. Hypothek … kündigen … zu Martini … war der Laufeld schon besoffen?! Die Hypothek, die schon seit mehr als zwanzig Jahren auf der Mühle stand?!
»Haha, hoho … hohoho!«
Aber Jakob Laufeld blieb ganz ersthaft, erhob sich und knöpfte seine Weste zu, die er sich während des Schmauses ein wenig gelockert.
»Seid esu freindlich, Müller, laoßt anspannen. Eweil faohren ech.«
»Bleiwt doch noch, bleiwt doch noch en half Stund,« nötigte der Hausherr. »Ech haon noch des Bernkastler im Keller, dän müsse mir doch ehs prowiere!«
Aber der andere bestand darauf, jetzt fortzufahren. Dem Knecht, der das Pferd gefüttert und nun das Chaischen vor die Tür brachte, gab er fünf Pfennig Trinkgeld. Dann, schon mit einem Fuß auf dem Wagentritt, die Peitsche in der Hand, drehte er den Kopf noch einmal herum und sprach so über die Schulter:
»Also uf Martini – eweil wißt Ihr’t. Bringt noren dat sälwer, et soll mer angeniehm sein. Ech haon aach des Bernkastler im Keller. Hä, willste ziehen, hahrü« – er schlug auf den Gaul – »adjüs! Bis Martini – gud Zeit!«
Fort rollte das Wägelchen, und Müller-Hannes sah ihm nach mit offenem Mund und weitaufgerissenen Augen. Er kam sich ganz dumm vor – was hatte der Laufeld gefaselt? Hypothek – fünftausend Taler?! Das waren fünfzehntausend Mark – ein gehöriger Batzen!
»Kreizgewiederparaplei!« Ach, das war ja alles ein dummer Spaß, warum sollte der ihm denn auf einmal die Hypothek kündigen?!
Da legte sich eine zitternde Hand auf seinen Arm. Er sah um: seine Frau stand bei ihm und schaute ihn aus ängstlichen Augen an.
»Ich han’t gehört – ach Jesus, Hannes –, den Laufeld kündt Dir de Hypothek – wie viel is et dann? Kannste se zahlen?«
»Nä,« fuhr es aus ihm heraus. Aber dann, als er ihre Angst sah, machte er sich groß: »No, leicht! Wat meinste dann, sein en Hongerlieder, dän net piep saon därf, wann annre Vögel peifen?! Ech saon der, dän krieht sein Gäld uf Martini bei Heller on Penning. Dat es mer akkerat rächt met der Künnijung, duh haon ech aach kein Ambra mieh met de Zönsen!«
Sie glaubte es ihm nicht – er sah’s an ihrem Gesicht –, da packte ihn der Ärger. Wie durfte sie an ihm zweifeln?!
»Maach net esu en deierlich Wisasch wie Maria am Kreiz! Kotzdonner noch ehs, stieh net esu dao, wie de Katz, wann’t donnert!« Er herrschte sie gewaltig an. Sie war sein Herrschen gewohnt, manche Träne hatte sie schon still darum vergossen, aber heut war’s zu arg. Und die Sorge dabei im Herzen!
Laut aufweinend hielt sie sich die Schürze vor das Gesicht und lief davon, ins Haus, in die Kammer. Dort kniete sie nieder vorm Muttergottesbild.
[5]. Frauensleute
[6]. geizig
5.
»Sankt Martinus kommt zu Pferd und macht den Bauer alert«, heißt ein altes Eifeler Sprichwort.
Müller-Hannes mußte nun doch daran glauben, die gekündigte Hypothek zu bezahlen; es ging ihm diesen Martini wie so vielen anderen Bäuerlein, die mit Not und Mühe ihre paar Groschen zum Zahltag zusammenschrapen. Der Laufeld wollte um keinen Preis warten; er hatte noch was Schriftliches geschickt. Und Hannes, in dem dumpfen Gefühl, daß jener ihm nicht wohlwolle, hatte auch gar keinen Versuch gemacht, ihn zur Rücknahme der Kündigung oder wenigstens zu einem Aufschub zu bewegen. Das sollte ihm einfallen, dem Laufeld gute Worte geben! Vor dem einen Kratzfuß machen – nein, niemals!
Des Hannes Gesicht sah trotzig aus, als er am Vormittag des elften November gen Manderscheid fuhr. Das Tal war eng; noch hatten die Nebel darin sich nicht gelüftet, sie hockten auf dem gewundenen Pfad und hingen um die vorspringenden Nasen der Felsen wie nasse Schleierfetzen. Jetzt war alles Grün dahin. Die Brombeeren und wilden Rosenhecken hielten nur hier und da noch ein letztes rostbraunes Blatt, eine verschrumpfte Hagebutte fest; widerlich schrie ein Häher aus dem dürren Eichenbüsch. Ein ganzer Schwarm hungriger Krähen scheute auf vom Peitschenknall und strebte mit schwerfälligem Schlagen der nassen Flügel den winzigen Saatstreifchen auf der Höhe zu.
Wild brauste die Kleine-Kyll. Das war kein Bach mehr, das war ein Fluß, der die Wiesen rechts und links überschwemmte, fast die Breite des ganzen Tälchens einnahm und kaum die Straße freiließ.
Des Müller-Hannes Stirn umwölkte sich. Hier unten, dort jenseits, da wo der Mosenberg abstürzt und seine Geröllhalde in ein sammetweiches Uferland übergeht, baute sich einer an – ein Müller! Schon stand das Haus unter Dach – nächsten Sommer war’s wohl beziehbar – schon zeigte sich das Gestühl für das große Rad, und ein paar riesige Mühlsteine lagen schon auf dem Hof. Und hier, tausend Schritt bachaufwärts, kam noch ein zweiter Müller zu wohnen, der Bruder vom unteren. Der eine eine Schneidemühle, der andere eine Mahlmühle. Schöne Aussicht das!
Hannes blickte grimmig drein. Das war ja eine ganz infame Frechheit, sich ihm so auf die Nase zu setzen! Wie konnten die sich unterstehen? War er nicht da, er, der Müller-Hannes? Für so viel Mühlen war kein Verdienst hierzuland. Und das Wasser würden sie ihm abfangen! Wenn’s mit dem Zufluß aus dem Maar knapp geworden, hatte er doch immer sein gut Teil aus der Kleinen-Kyll gekriegt, nun sollte ihm die auf einmal nicht mehr allein gehören?! No, wart, das wollte