Schicksalspirouetten (Gesamtausgabe). August Schrader

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Schicksalspirouetten (Gesamtausgabe) - August Schrader

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mir Trost in meinen Leiden und begeisterte mich zu meinen Arbeiten. Und diese Liebe war so rein, so hoffnungslos, dass ich nicht einmal nach ihrem Namen fragte; ich liebte sie wie meine poetischen Gebilde, ich liebte sie als den Inbegriff von Tugend und Schönheit. Das Schicksal führte mich in das Haus ihres Vaters; dort erblickte ich sie diesen Morgen im Garten und erfuhr ihren Namen und ihr Verhältnis zu dir. Ich entfloh, denn ich konnte die Wohltaten eines Mannes nicht annehmen, dessen verlobte Braut eine glühende Leidenschaft in mir entzündet hat; ich konnte es nicht, wenn ich nicht der erbärmlichste aller Menschen sein wollte! Jetzt, Bruder, weißt du alles; nun urteile selbst, ob ich dir folgen kann.«

      Der Dichter hatte seine Liebe mit einer Glut geschildert, dass dem armen Franz über das Verderbliche dieser Leidenschaft kein Zweifel übrig blieb. Einer von ihnen musste ihr als Opfer fallen, diese Überzeugung stand klar vor seiner Seele.

      »O mein Gott«, seufzte er unwillkürlich, »wie unglücklich bin ich!«

      »Warum unglücklich«, fragte Richard mit dem bitteren Lächeln der Resignation; »bist du es nicht, den sie liebt? Wirst du Anna nicht zum Altar führen? Geh«, setzte er mit zitternder Stimme hinzu, denn er hatte Mühe, den Ausbruch seiner Tränen zu verhindern, »geh, du würdest unrecht tun, auf einen armen Narren wie mich eifersüchtig zu sein! Anna kennt mich kaum, und ich … ich weiß, was ich zu tun habe.«

      »Und was?«, fuhr Franz aus seinem Nachsinnen empor. »Was gedenkst du zu tun?«

      »Mein Entschluss steht fest«, antwortete der Dichter, »das Schicksal hat ihn bestimmt. War ich nicht der Stein des Anstoßes, der meiner armen Mutter die Tür des Hospitals verschloss? Ich wollte dieses Hindernis beseitigen, doch du vereiteltest meinen Plan. Glaubst du, du sollst dein Leben zu meiner Rettung gewagt haben, um dein Glück zu zerstören? O nein, noch habe ich die Kraft, das Glück meines Bruders zu fördern!«

      »Mensch, woran denkst du?«, rief der junge Kaufmann erschrocken.

      »Ich denke an meine Pflicht!«

      »Gebietet die Pflicht, dir das Leben zu nehmen?«

      »Die Pflicht gebietet mir, Europa zu verlassen und mir in einer andern Welt andere Verhältnisse zu schaffen.«

      »Um dort unter andern Verhältnissen zu sterben?«

      »Nein, um mich dort zu heilen!«

      »Bruder, du bleibst!«

      »Ich reise!«, war die feste Antwort.

      »Und unsere Mutter?«

      »Wird von der Hand ihres zweiten Sohnes behütet, den sie so lange beweinte.«

      »Egoist«, rief Franz, gerührt von der Großmut seines Bruders, »glaubst du, ich sollte meinen einzigen Bruder wiedergefunden haben, um ihn am selben Tag wieder zu verlieren? – Willst du dich heilen, indem du andere verwundest? Nein, du bleibst hier und lebst nach Gefallen der Dichtkunst und den Wissenschaften, und dass dein Talent sich eine glänzende Bahn brechen wird, davon glaube ich überzeugt sein zu können.«

      »Kennst du mein Talent?«, fragte Richard.

      »Ich kenne das Gedicht, das Anna ihrem Vater zu seinem Geburtstag überreichte.«

      Der Dichter errötete.

      »Du bist der Verfasser, ich weiß es!«

      »Wer sagte es dir?«

      »Mein Herz und mein Verstand.«

      »Bruder«, rief Richard, »lass mich ziehen!«

      »Die Poesie ist das einzige Mittel, deinen Geist zu fesseln und deine Liebe nach und nach zu schwächen; darum bleibe in Europa, wo man Kunst und Wissenschaft zu schätzen weiß. Ach, ich bin glücklich, eine offene Erklärung von dir erlangt zu haben, denn ohne sie wäre es nicht möglich gewesen, dich mir zu erhalten.«

      »Franz!«

      »Doch nun höre auch meine Erklärung: Ehe du nicht mit freier, offener Stirn vor mich trittst und mit einem ruhigen Blick und fester Stimme sprichst: ›Bruder, du kannst Anna zum Altar führen, ich empfinde nur noch Freundschaft für sie!‹ – eher denke ich an keine Verbindung mit ihr. Bis dahin bleibe ich unverheiratet!«

      »Nein, nein«, rief Richard tief bewegt, »ich kann nicht einwilligen!«

      »Glaubst du, dass deine Heilung hier unmöglich ist?«

      »Das Opfer ist zu groß!«

      »Bringt es nicht ein jeder von uns?«

      »Franz, du tötest mich!«

      »Richard, solltest du weniger Bruderliebe im Herzen tragen als ich?«

      »Du wirst leiden!«

      »Wie du!«

      »Du könntest unterliegen!«

      »Wie du!«

      »Wir sind beide schwache Menschen!«

      »Aber Brüder! Richard, ich werde leiden, aber Wort halten! Und du?«

      »Franz, ich werde bleiben und meinen Bruder lieben!«

      Beide stürzten sich in die Arme und hielten sich fest umschlungen. Die Bruderliebe hatte gesiegt.

      Ein Klopfen an der Tür ließ sich vernehmen.

      Richard öffnete.

      »Ist Herr Franz Witt hier?«, fragte eine Stimme.

      »Er ist hier!«, antwortete Franz und trat zur Tür.

      »Du bist es, Joseph«, fuhr er fort, »was bringst du?«

      »Einen Brief von Herrn Kaleb.«

      »Gib!«

      Der junge Mann öffnete das Billett und las:

       »Kehren Sie ohne Zögern zurück, mein bester Herr Franz, ein wichtiges Ereignis erfordert Ihre Gegenwart. Was Sie auch abhalten möge, säumen Sie nicht. Kaleb«

      »Mein Gott, was ist geschehen?«, fragte Franz den Boten bestürzt.

      »Ich weiß es nicht«, war die Antwort. »Herr Kaleb gab mir den Brief, bezeichnete mir dieses Haus, wo ich Sie finden würde, und befahl mir die größte Eile an.«

      »Richard, ein Geschäft ruft mich ab. Sorge für die Mutter«, er legte eine Börse auf den Tisch, »ich kehre zurück, sobald ich kann. Bis dahin lebe wohl und gedenke deines Versprechens!«

      Die Brüder reichten einander die Hände.

      Franz, gefolgt von dem Boten, verließ das Haus.

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