Marktsegmente des Tourismus. Jürgen Schmude
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1.2Segmentierung der Angebotsseite
Für eine Segmentierung der Angebotsseite ist die genaue Kenntnis der anbietenden und in Konkurrenz stehenden Marktteilnehmer und ihrer Produkte notwendig, um ggf. komparative Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Diese Strukturen müssen vor dem Hintergrund der Entwicklung des Gesamtmarktes und seiner Strukturen analysiert werden.
Voraussetzung zur Segmentierung der Angebotsseite
Touristischer Aktionsraum
Die Entwicklung des modernen Tourismus zu einem globalen Phänomen ist u.a. gekennzeichnet durch die sukzessive Ausweitung des touristischen Aktionsraumes der Nachfrageseite. Ausgehend von den Städten als Ziele der Grand Tour werden unterschiedliche Kultur- und Naturräume vom Tourismus erschlossen. Diese Raumtypen können etwa nach Städten, Küsten, Hochgebirgen, ländlichen Räumen und Mittelgebirgen sowie Industrieregionen unterschieden werden (vgl. Steinecke 2011, S. 114). Bei der sukzessiven Erschließung des Raums durch den Tourismus (vgl.Gormsen 1983, S. 613) nimmtdie Distanzüberwindung eine entscheidende Rolle, die u.a. durch technische Entwicklungen (z.B. Flugzeug) und hieraus resultierenden sinkenden Mobilitätskosten erleichtert wird. Entsprechend verändert sich auch die Angebotsseite im Tourismus.
Methoden zur Marktanalyse
Die Analyse der touristischen Produkte und Dienstleistungen auf der Anbieterseite, aber auch ganzer Marktsegmente und Destinationen, kann mit verschiedenen Instrumenten durchgeführt werden. Hierzu zählen u.a. die Lebenszyklus-, die Portfolio- oder die SWOT-Analyse (vgl. Schmude & Namberger 2015, S. 55ff.). Diese Analysemethoden sind u.a. für die Marktpositionierung und ihrer Überprüfung durch die Anbieter touristischer Leistungen von Bedeutung, denn für touristische Leistungsträger wie Destinationen oder Reiseveranstalter stellt sich die Frage nach der für sie „richtigen“ Marktbearbeitungsstrategie.
Marktbearbeitungsstrategien
Hierbei lassen sich fünf Grundformen der Marktabdeckung mit unterschiedlichem Spezialisierungsgrad unterscheiden. Entscheidend sind das gewählte Marktsegment, in dem der Anbieter aktiv ist, sowie das von ihm angebotene Produkt. Dabei müssen sich die Anbieter nicht zwingend auf ein einziges Marktsegment oder ein bestimmtes Produkt festlegen, sondern können durchaus mehrere Marktsegmente bedienen bzw. mehrere Produkte anbieten (vgl. Abb. 1.1). Allerdings ist darauf zu achten, dass die ausgewählten Marktsegmente und Produkte resp. deren Konsumenten „kompatibel“ sind, um Konflikte zwischen den verschiedenen Zielgruppen zu vermeiden. Die Marktabdeckungsstrategien reichen von einer Nischenstrategie mit dem höchsten Spezialisierungsgrad bis hin zu einer Gesamtmarktabdeckung. Entsprechend der gewählten Marktabdeckungsstrategie variiert auch das Nachfragepotential und oftmals ist auch die Produktionsweise davon abhängig. So können etwa bei Produktion für einen touristischen Massenmarkt Skaleneffekte realisiert werden. Im Reiseveranstaltermarkt bedeutet dies beispielsweise, dass die großen Pauschalreiseveranstalter (z.B. TUI oder DER Touristik) durch die „Produktion“ einer großen Zahl von Reisen u.a. geringere Produktionskosten je Stück haben (economies of scale) und sie auf Grund der hohen Stückzahl trotz geringer Marge je Reise Gewinne realisieren können. Zwar streben auch die großen Reiseveranstalter zunehmend eine Diversifizierung ihres Produktportfolios an, dennoch sind sie weitgehend fordistisch geprägt. Dagegen agieren kleine, spezialisierte Reiseveranstalter überwiegend in Nischenmärkten und realisieren je verkaufter Reise deutlich höhere Margen. Darauf weist auch der je Kunde (Pax) realisierte Umsatz hin, der bei Spezialreiseveranstaltern deutlich höher ausfällt als bei den klassischen Pauschalreiseanbietern (vgl. Kagermeier 2016, S. 90).
Abb. 1.1 Grundformen der Marktbearbeitungsstrategien (eigene Darstellung nach Hartmann 2018, S. 155)
Tages- und Übernachtungstourismus
Bei der Analyse des touristischen Marktes wird oftmals zunächst grundlegend zwischen übernachtendem und Tagestourismus unterschieden. Beide Bereiche sind dem Tourismus zuzurechnen, wobei der Tagestourismus (oft synonym auch als Tagesreisen oder Naherholung bezeichnet) vielfach ausgeblendet wird, da seine statistische Erfassung große Schwierigkeiten bereitet. Während der übernachtende Tourismus in Deutschland durch die Monatserhebung im Tourismus (Beherbergungsstatistik) sowie die Statistik über die touristische Nachfrage im Rahmen der amtlichen Statistik regelmäßig dokumentiert wird (zumindest in Beherbergungsbetrieben mit mindestens zehn Betten) (vgl. Schmude & Namberger 2015, S. 14ff.), liegen für den Tagestourismus lediglich Stichprobenerhebungen vor. Systematisch erhebt der dwif-Tagesreisenmonitor (ebenfalls auf der Basis einer Stichprobenerhebung) seit dem Jahr 2016 Informationen zum Tagestourismus in Deutschland (vgl. dwif 2018).
Stichwort
Tagesreisen bzw. Tagestourismus
+ Verlassen des Wohnumfeldes, mit dem keine äbernachtung verbunden ist…
– keine Fahrt von oder zur Schule, zum Arbeitsplatz oder zur Berufsausübung
– keine Einkaufsfahrt zur Deckung des täglichen Bedarfs
– unterliegt nicht einer gewissen Routine oder Regelmäßigkeit
dwif 2018
Auch bei der vielfach vorgenommenen Unterscheidung von geschäftlich und privat motivierten Reisen handelt es sich um eine relativ grobe Differenzierung des touristischen Marktes. Beide Teilbereiche können in unterschiedlichem Detailierungsgrad weiter segmentiert werden.
Geschäftsreisetourismus
Die geschäftlich motivierten Reisen sind Bestandteil des Arbeitslebens, erfolgen im Interesse des Arbeitgebers und somit in gewissem Sinne nicht freiwillig. Sie sind Teil der Arbeitszeit. Während der Geschäftsreisen wird eine Arbeitsleistung erbracht, private Interessen sind sekundär, wobei Geschäftsreisen durchaus auch mit (anschließenden) Privatreisen verknüpft werden können. Zum Geschäftsreisebereich zählt aber nicht mehr nur die klassische Geschäftsreise von Mitarbeiter von Unternehmen und/oder Organisationen, sondern der Geschäftsreisebereich umfasst mindestens vier weitere Segmente, die unter dem Begriff MICE zusammengefasst werden: Meetings (Tagungen), Incentives (Anreiz- und Belohnungsreisen), Conventions (Kongresse) und Exhibitions (Ausstellungen) bzw. Events (Veranstaltungen) (vgl. Freyer 2015, S. 107ff.) Wesentlich ist, dass sich die Geschäftsreisenden bzgl. ihrer Reisemotivation und ihres Reiseverhaltens deutlich von Privatreisenden unterscheiden. Im Gegensatz zu den Geschäftsreisen erfolgen Privatreisen, die verschiedene Formen und Arten aufweisen können und denen sehr unterschiedliche touristische Aktivitäten zu Grunde liegen, in der Regel freiwillig. Sie sind Teil der Dispositionszeit.
Beispiele für Marktsegmente des Tourismus
Je nach Differenzierungsgrad kann eine unterschiedliche Zahl von Marktsegmenten ausgewiesen werden. So stellt etwa der Tourismusatlas Deutschland unter dem Titel „Themen – Arten –Aktivitäten“ (vgl. Eisenstein et al. 2017, S. 60ff.) insgesamt 19 für Deutschland