Makabrer Augustfund im Watt. Manfred Eisner

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Makabrer Augustfund im Watt - Manfred Eisner страница 10

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Makabrer Augustfund im Watt - Manfred Eisner

Скачать книгу

ja so leid, Frau Kommissarin! Ich wollte dem Mädchen nichts Böses tun, bitte glauben Sie mir!«

      Über die Sprechanlage des Dienstwagens lässt sich Nili mit ihrer Freundin Kitt Harmsen verbinden. Sie erklärt ihr kurz den Sachverhalt. Kitt verspricht, die Akte anzufordern und sich am nächsten Morgen mit dem Festgenommenen zu treffen.

      *

      Große Genugtuung ist auf ihren Gesichtern abzulesen, als sie Mihalis Marinakis im Büro des Leiters der Bezirkskriminalinspektion persönlich abliefern. Kriminaloberrat Stöver ist hocherfreut, dass Nili und Ferdl ihnen die Arbeit abgenommen haben, seine beiden Kommissare Westermann und Steffens hätten doch gerade alle Hände voll mit einem in letzter Nacht entdeckten Tötungsfall zu tun: Ein Familienvater habe seine beiden Kinder und die von ihm getrennte Ehefrau erstochen und sich danach selbst gerichtet.

      »Das war äußerst flotte und sehr gute Arbeit, Frau Masal! Ihnen und Ihrem Team herzlichen Dank!«, lobt Staatsanwältin Doktor Bach, die ein ausnahmsweise gut gelaunter ›Hein Gröhl‹ herbeigebeten hat. Da Marinakis auch ihr gegenüber bis zur Ankunft seiner Rechtsanwältin schweigen möchte, übergibt sie ihm eine schriftliche Rechtsbelehrung und lässt ihn bis zu deren Eintreffen in eine Zelle abführen. Morgen soll er dann einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Dann fragt die Staatsanwältin: »Sind Sie inzwischen mit den anderen Fällen weitergekommen, Frau Masal? Doktor Kramer berichtete mir bereits, dass Sie einige Cold Cases von vermissten Minderjährigen aus unserem Gerichtsbereich wieder aufnehmen wollten.«

      »Insoweit ja, als wir uns gegenwärtig der intensiven Aktenstudie widmen, um daraus weitere Aktionen ableiten zu können. Zudem läuft unser Antrag beim Oberstaatsanwalt, um die Genehmigung zur Wiedereröffnung der Akten zu erhalten. Wir halten Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.«

      *

      Es ist schon etwas spät an diesem Donnerstagnachmittag, als Nili und Ferdl das Polizeihochhaus in der Großen Paaschburg verlassen. Nili verspürt überhaupt keine Lust, jetzt im Hauptverkehr nach Kiel zurückzufahren. Nachdem sie in den Dienstwagen eingestiegen sind, hat sie eine Idee. »Haben Sie an diesem Wochenende etwas Besonderes vor, Ferdl?«

      »Na, i ned, Frau Chefin, warum?«

      »Mein Vorschlag wäre, es hier auf dem Lande zu verbringen? Wir würden jetzt nach Oldenmoor fahren. Bestimmt können Sie wieder bei Onkel Oliver und Tante Madde auf dem Holstenhof übernachten. Morgen Vormittag unternehmen wir dann eine kleine Pirschfahrt zu den drei Orten, von denen die Kinder verschwunden sind. Wie ich Sie kenne, haben Sie längst die Fallakten auf Ihrem heiligen Notebook gespeichert. Was halten Sie davon?«

      »I bin dabei, Frau Chefin! Ist mir immer wieder ein Pläsier, bei Ihrer lieben Familie zu Gast zu sein.«

      Nili öffnet die Fahrertür, steigt aus, geht um den Wagen herum und öffnet die Beifahrertür: »Fahren Sie bitte? Ich muss alle anrufen, um sie vorzuwarnen.«

       3. Aus Nilis Tagebuch

       Donnerstagabend. Obwohl wir Polizisten fast täglich mit vermissten Personen zu tun haben, konnte ich mir niemals vorstellen, wie ein lebendiger Mensch so einfach verschwinden kann, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Es mutet doch wie ein Science-Fiction-Film an, in dem plötzlich vor ihm ein Ufo mitten in Niemandsland landet und er, von Aliens entführt, auf Nimmerwiedersehen im Weltall entschwindet. Aber gerade so sieht es in den drei Fällen von abgängigen Kindern aus, die wir uns jetzt vorgenommen haben. Keins von ihnen hinterließ irgendeine Fährte. Und so handelte es sich eben nur um eine kärgliche Vermutung, mit der ich unseren Boss und den Oberstaatsanwalt mühsam davon überzeugen konnte, dass es vielversprechend ist, die Fälle wieder aufzunehmen. Vorhin wurde ich von Ferdl gefragt, warum ich mich überhaupt auf so zerbrechliches Eis begebe, denn auch das akribische Studium der Fallakten hätte nichts wirklich Handfestes ergeben, was man verfolgen könne. Ich sagte ihm nur, ich hätte dafür gute Gründe. Während des Abendessens im Onkel Suhls Haus ging mir aber seine berechtigte Frage nicht aus dem Sinn, ebenso wie die von mir gegebene Antwort.

       Jetzt möchte ich dir, liebes Tagebuch, meine wahren Gründe anvertrauen: Wer kann schon die seelische Beklemmung und die Hilflosigkeit einer liebenden Mutter nachvollziehen, die wohlverstandene Wut des Vaters eines plötzlich abhandengekommenen Kindes, die klaffende Sehnsucht im Gemüt der Geschwister im gemeinsamen Kinderzimmer? Mitleid ist eben nur MITgefühl; das LEID kann nur jener selbst empfinden, den es trifft und der es auch selbst ertragen muss! Ich habe kein Kind in die Welt gesetzt, vielleicht weil ich mich auch nach so vielen Jahren immer noch nach meinem kleinen Bruder Hanan-Peres sehne, der jäh aus unserer Mitte entschwand. Klingt verwunderlich, habe ich ihn doch nie gekannt, denn er wurde einige Jahre vor meiner Geburt das Opfer der mörderischen Handgranate eines hinterhältigen PLO-Attentäters.

       Gerade als ich diese traurigen Zeilen tippe, wird mir klar, warum ich Polizistin geworden bin. Gemäß unserem Eid sind wir gehalten, dem Recht dieser Bundesrepublik zur Geltung zu verhelfen. Ja, ich muss zugeben, dass es auch oft gerade dieses Recht ist, das im Wege der Gerechtigkeit steht, der sie nach dem Sinn eigentlich dienen sollte. Unser Grundgesetz und die Bundesrepublik Deutschland sind ein unglaubliches Wunderwerk, entstanden sie doch in der Nachfolge eines der barbarischsten Unrechts- und Verbrecherstaaten, die diese Welt je erlebt hat. Gerade deswegen fühle ich mich stets verpflichtet, diese dem Blut und der Verzweiflung von fast sechzig Millionen Opfern des Zweiten Weltkrieges gebührende Wiedergutmachung nach Kräften zu verteidigen. Denn schaue ich mich in unserer Geschichte um, ist diese demokratische Bundesrepublik Deutschland trotz all ihrer offensichtlichen Macken samt ihren utopischen linken und vor allem üblen rechten Randerscheinungen das beste Deutschland, das es je gab!

       Klingt vielleicht allzu hochtrabend, aber wenn ich erneut diesen Satz lese, drückt er doch sinngemäß meine Gefühle durchaus zutreffend aus. So, jetzt geht’s mir besser. Gute Nacht!

       Freitag. Als ich heute Morgen aufwachte und aus dem Fenster blickte, lachte mir wieder ein herrlicher Tag entgegen. Nach meiner üblichen Joggingtour in der frühen und noch frischen Luft genoss ich im Onkel Suhls Haus das gemütliche Frühstück mit Abuelita und Ima. Gegen neun Uhr kam Habiba, um wie an jedem Morgen Mutter zur Hege ihres geliebten Federviehs im Eulenhof abzuholen. Schön, dass sie jetzt einen Führerschein hat und sie daher Ima in vielen Aufgaben entlasten kann. Sie brachten mich zum Holstenhof, wo ich Ferdl aufsammelte, der nach dem gestrigen Abendbrot mit dem X3 zur dortigen Übernachtung gefahren war.

       Ich bin mit der Umgebung Oldenmoors bestens vertraut, sodass wir uns gleich auf die B 431 begaben und uns auf in Richtung Glückstadt machten. Wir fuhren durch Brokdorf und kurz darauf entlang der mächtigen, weiß gleißenden Kuppel des Kernkraftwerks, das mit dem daneben befindlichen Schornstein vom Aussehen her einer Moschee ähnelt. Nachdem wir wenig später die Brücke am Störsperrwerk überquert hatten, bogen wir links ab und fuhren schließlich weiter, bis wir in Krempe, der zweitkleinsten Stadt Schleswig-Holsteins, eintrafen. Ferdl hatte die Adresse der Familie Martens in das Navi eingegeben, das uns direkt zu dem bescheidenden Einzelhaus Op de Wisch führte, aus dem die kleine Mia vor drei Jahren verschwunden war. Man hatte den Vorgarten offensichtlich längst dem Wildwuchs überlassen. Mit Beklemmung drückte ich mehrmals den Klingelknopf, aber niemand öffnete uns die Haustür. Eine junge Frau parkte ihren Kleinwagen auf der Garagenauffahrt des Nachbarhauses, und nachdem wir uns ausgewiesen hatten, erfuhren wir von dem Drama, das sich nach Mias Entführung abgespielt hatte. Im Verlauf der vielen Monate, in denen das Kind nicht aufgefunden worden war, wurde Alfred Martens Opfer seines Alkoholkonsums und daraufhin auch arbeitslos; zuletzt verbrachte man ihn in eine Entzugsklinik in der Holsteinischen Schweiz. Die verzweifelte und vergrämte Mutter verfiel zunehmend in Depression und erhängte sich vor etwa einem Jahr.

      

Скачать книгу