Big Ideas. Das Film-Buch. John Farndon
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ICH BIN VON KOPF BIS FUSS AUF LIEBE EINGESTELLT
DER BLAUE ENGEL / 1930
IM KONTEXT
GENRE
Melodram
REGIE
Josef von Sternberg
DREHBUCH
Carl Zuckmayer, Karl Vollmoeller, Robert Liebmann (Drehbuch); Heinrich Mann (Roman)
STARS
Marlene Dietrich, Emil Jannings
FRÜHER
1929 Von Sternbergs erster Tonfilm ist der US-Krimi Sie nannten ihn Thunderbolt.
SPÄTER
1930 Von Sternberg und Dietrich arbeiten bei der Hollywood-Romanze Marokko ein zweites Mal zusammen.
1932 Der vierte der sieben gemeinsamen Filme von Dietrich und Sternberg, Schanghai Express, wird ein Kassenschlager.
Marlene Dietrichs Lola Lola, die Tingeltangelsängerin aus Der blaue Engel, gehört zu den unvergesslichen Sirenen der Kinogeschichte. 1933 wurde der Film von den Nationalsozialisten verboten, doch Hitler, ein Fan von Dietrich, soll eine private Kopie besessen haben.
Moralische Botschaft
Lola drückt ihre Dekadenz und erotischen Ennui mit den Liedern aus, die die Dietrich berühmt machten: »Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt« wurde ihr Markenzeichen. Doch Josef von Sternbergs Film ist gleichzeitig eine Moralpredigt, die vor den Gefahren der fleischlichen Genüsse warnt: Er erzählt, wie der Gymnasialprofessor Immanuel Rath (Emil Jannings) in der Weimarer Republik seine Anstellung aufgibt und im Varieté »Der blaue Engel« der Sängerin Lola verfällt.
Professor Rath gerät in die Halbwelt des Showgeschäfts. Als Lola sich von ihm abwendet, endet er als Witzfigur: ohne Rückgrat, kraft- und machtlos, ein grotesker Schatten des Pedanten, der er früher war.
Professor Rath (Emil Jannings, rechts) wird in Lolas Truppe zum Clown herabgewürdigt. Als diese in seiner Heimatstadt gastiert, wird er zum Gespött des Publikums.
Ebenfalls sehenswert: Schanghai Express (1932)
AN DEINER STELLE WÜRDE ICH EIN BISSCHEN EINE SZENE MACHEN
MENSCHEN AM SONNTAG / 1930
IM KONTEXT
GENRE
Stummfilmdrama
REGIE
Robert Siodmak, Curt Siodmak
DREHBUCH
Curt Siodmak, Robert Siodmak, Edgar G. Ulmer, Billy Wilder
STARS
Erwin Splettstößer, Annie Schreyer, Wolfgang von Waltershausen, Christl Ehlers, Brigitte Borchert
FRÜHER
1927 Walther Ruttmanns experimenteller Dokumentarfilm Berlin: Die Sinfonie der Großstadt zeigt, zu Orchestermusik, einen Tag in Berlin.
SPÄTER
1948 Vittorio De Sicas neorealistischer Film Fahrraddiebe erzählt eine alltägliche Geschichte, die vollständig an Originalschauplätzen entstand.
Das deutsche Kino der 1920er- und 1930er-Jahre stach durch Stil und technische Könnerschaft hervor. Menschen am Sonntag allerdings war in ganz anderer Hinsicht wegweisend: Er ist ein fließender, unbekümmerter Film, der Realismus anstrebt.
Die Filmemacher Robert Siodmak und Edgar G. Ulmer, beide damals Neulinge, wurden später mit straffen Thrillern in Hollywood erfolgreich, doch Menschen am Sonntag stellt das Gegenteil dar. Er ist auch anders als die späteren Werke seines Drehbuchautors Billy Wilder, der sich mit dem Dokumentarstil an den Reportagen von Siodmaks Bruder Curt orienterte. Dieser wiederum schrieb später viele Vorlagen für die Horrorfilme der Universal Studios.
Ein Filmexperiment
Der Untertitel des Films lautete »Film ohne Schauspieler«. Er zeigt 24 Stunden im Leben von fünf Berlinern, gespielt von Laien in Rollen, die ihrem wahren Leben entsprachen. Weinhändler Wolfgang flirtet mit Komparsin Christl. Sie verabreden einen Sonntagsausflug nach Nikolassee. Dann besucht Wolfgang den Taxifahrer Erwin und dessen Freundin Annie, ein Mannequin, die er ebenfalls einlädt mitzukommen. Nach einem Streit lässt Erwin sie zugunsten von Wolfgang, Christl und der Schallplattenverkäuferin Brigitte allein.
Im Rückblick ist dieses ungekünstelte Geschehen sehr berührend, denn alle Beteiligten mussten vor Ende des Jahrzehnts ins Exil. Doch es ist kein Zynismus spürbar, nur der optimistische Glaube an »morgen«.
»Wir saßen an einem Tisch in der Nähe, während sie entschieden, was wir an jenem Tag tun würden. Es war vollkommen improvisiert.«
Brigitte Borchert
Ebenfalls sehenswert: Fahrraddiebe (1948)