Betreuung und Pflege geistig behinderter und chronisch psychisch kranker Menschen im Alter. Группа авторов

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Betreuung und Pflege geistig behinderter und chronisch psychisch kranker Menschen im Alter - Группа авторов

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entlassen und nach SGB XI in einem Altenpflegeheim kostengünstiger versorgt werden sollen. Die Versorgung chronisch psychisch kranker älterer Menschen in Einrichtungen der Altenhilfe stand bisher kaum in der Öffentlichkeit zur Diskussion. Daher wurde auch diese Personengruppe in die Untersuchungen einbezogen, um die Bedingungen, unter denen sie versorgt werden, zu analysieren.

      Um beurteilen zu können, ob stationäre Pflege- und Betreuungsmaßnahmen für eine bestimmte Personengruppe geeignet sind, ist an erster Stelle die Erhebung der Bedarfslage der Bewohner notwendig, um die Passung zwischen Bedarf und Bedürfnissen einerseits und den angebotenen Leistungen der Einrichtungen andererseits prüfen zu können. Die Bedürfnisse ergeben sich aus Art und Ausmaß der vorbestehenden Behinderung bzw. Grunderkrankung und der Veränderungen, die auf Alternsprozesse zurückzuführen sind. Hinzu kommen Bedürfnisse, die – unabhängig von Behinderung oder Erkrankung – bei Menschen aller Altersstufen die Grundlage eines gelingenden Lebens bilden.

      Die Feststellung der Bedarfslage bei den Bewohnern der beteiligten Einrichtungen erfolgte durch Befragung jener Mitarbeiter, die durch den täglichen Umgang mit geistig behinderten oder psychisch kranken Bewohnern über Jahre Erfahrung gesammelt haben. Es wurde davon ausgegangen, dass diese Mitarbeiter aufgrund ihrer Ausbildung und langjähriger praktischer Erfahrung im täglichen Zusammenleben Einsichten in deren Problemlagen und deren Entwicklung erworben haben, die sie zu Experten auf diesem Gebiet machen. Ein ganzheitliches Wissen um den Verlauf von Behinderung bzw. Krankheit im Alter wird angestrebt, indem Theorien zu körperlichen und geistig-seelischen Alterns- und Krankheitsprozessen und deren Auswirkungen im alltäglichen Leben, wie die Mitarbeiter sie wahrnehmen, zusammengeführt werden.

      Das Projekt wurde in 12 Einrichtungen ausgeführt; es handelt sich um sechs Einrichtungen der Altenhilfe und eine Einrichtung der Behindertenhilfe, die chronisch psychisch kranke Menschen betreuen, sowie fünf Einrichtungen der Behindertenhilfe für geistig behinderte Menschen. Der Ablauf der Studie ist im Anhang in Kasten 1 dargestellt (image Anlage Kasten 1). Die Mitarbeiter wurden mittels Fragebögen und in Fokusgruppen zu den folgenden Themenbereichen befragt: Bedarf und Bedürfnisse der Bewohner, beobachtete Veränderungen im Alter sowie die Anforderungen und Belastungen im Beruf, Voraussetzungen für eine optimale Betreuung und Pflege. Insgesamt wurden 590 Fragebögen, zwölf Fokusgruppen mit jeweils 8 bis 12 Mitarbeitern, ausgewertet; es waren 48 Einrichtungen beteiligt (image Anlage Tab. 1). Aus dem Material konnten Problembereiche im Beruf sowie theoretische Konzepte einer guten Pflege und Betreuung erarbeitet werden. Die Umsetzung dieser Konzepte im pflegerischen Alltag wurde durch die filmische Aufnahme von Interaktionen zwischen Bewohnern und Mitarbeitern dokumentiert; die Mitarbeiter konnten die Situation und den/die Bewohner für die filmische Aufnahme einer optimalen Umsetzung ihrer Konzepte in der Praxis bestimmen. Die Handlungsinhalte der insgesamt 66 Videosequenzen sind in Kasten 2 (image Anlage Kasten 2) aufgeführt. Das gefilmte Verhalten von Mitarbeitern und Bewohnern wurde in einem ersten Schritt transkribiert. In einem zweiten Durchgang wurden redundante Verhaltensweisen dokumentiert, und in einem weiteren Schritt wurden diese zu Handlungseinheiten zusammengefasst. Es fanden sich insgesamt 30 Kategorien, die die Gesamtheit gefilmter relevanter Handlungseinheiten beschreiben, d. h., sie enthalten alle gefilmten Aktivitäten der Mitarbeiter (image Anlage Kasten 3).

      Die Analyse des filmischen Materials konnte jene Konzepte abbilden, die in der Praxis in Pflege und Betreuung bei den verschiedenen Personengruppen – geistig behinderte, psychisch kranke und demenziell erkrankte Menschen – angewendet wurden. In individuell geführten Reflexionsgesprächen wurden die entwickelten Konzepte jeweils durch die einzelnen Mitarbeiter validiert.

      Im ersten Teil dieses Buchs werden in den Kapiteln 1 und 2 Alternsprozesse und Krankheitsprozesse von Menschen mit geistiger Behinderung bzw. mit chronisch psychischer Erkrankung beschrieben, ebenso die Ergebnisse der Befragung zu deren Bedarfen und Bedürfnissen. Kapitel 3 befasst sich mit den beteiligten Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Altenhilfe und beschreibt Lücken in der Versorgung, die sich aus einem nicht ausreichend differenzierten Kompetenzprofil der Mitarbeiter ergeben. In Kapitel 4 werden die spezifischen Problembereiche von Mitarbeitern aus Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Altenhilfe mit Bezug auf spezifische Anforderungen und Belastungen im Beruf miteinander verglichen. In Kapitel 5 finden sich Literaturangaben zum Text und weiterführende Literatur für interessierte Leser. Den Abschluss bilden mit Kapitel 6 erste Ergebnisse einer Studie zur gesundheitlichen und pflegerischen Bedarfserhebung bei Menschen mit geistiger Behinderung.

      Im zweiten Teil dieses Buchs kommen die Mitarbeiter von Einrichtungen der Altenhilfe und der Behindertenhilfe zu Wort. In 30 Beiträgen werden Themenbereiche, die für die Pflege und Betreuung geistig behinderter und psychisch kranker Menschen relevant sind, aus der langjährigen Erfahrung, die in der alltäglichen Praxis erworben wurde, dargestellt. In dieser 2. Auflage kommen sechs Biografien von älteren geistig behinderten Menschen hinzu, die im Rahmen einer Fortbildung von den Bezugspflegern erarbeitet wurden.

      Im dritten Teil werden in Kapitel 1 die berufliche Ausbildung von Heilerziehungspflegern und von Altenpflegern einander gegenübergestellt und Folgerungen für die Pflege und Betreuung von geistig behinderten und chronisch psychisch kranken Menschen entwickelt. In Kapitel 2 wird auf die erarbeiteten Konzepte näher eingegangen und die Ergebnisse sowie ihre Strukturierung erläutert.

      Die Robert Bosch Stiftung hat 2003 bis 2005 dieses Projekt begleitet und großzügig finanziell unterstützt. Die Herausgeberin dankt dem Kohlhammer Verlag, der es ermöglicht hat, diese Studie in einer zweiten Auflage zu veröffentlichen, und Frau Alexandra Schierock sowie Frau Verena Geywitz für die konstruktive Begleitung. Ebenso danke ich allen Mitautoren für ihr persönliches Engagement, das nicht zuletzt in den von ihnen geleisteten Beiträgen deutlich zum Ausdruck kommt.

      I Bewohner und Mitarbeiter in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Altenhilfe mit Schwerpunkt psychische Erkrankung

      1 Menschen mit geistiger Behinderung

      1.1 Demografische Entwicklung und Mortalität

      Die Lebenserwartung der Bevölkerung hat sich in den letzten 100 Jahren fast verdoppelt: Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts wurden Frauen 48, Männer 45 Jahre alt. Heute beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt bei Mädchen 84,1 Jahre, bei Jungs 79,1 Jahre. Auch die Struktur innerhalb der Bevölkerung verändert sich: der höchste Zuwachs findet sich in der Gruppe der 80-Jährigen und Älteren. Bei ihnen ist mit einem Zuwachs auf 12,1 % bis 2050 zu rechnen, das bedeutet eine Verdoppelung ausgehend vom Jahr 2018 mit einem Anteil von 6,1 %. Zugleich nimmt der Anteil der jüngeren Bevölkerung ab (Statistisches Bundesamt 2019). Das bedeutet, dass die Anzahl pflegebedürftiger Menschen nach Berechnungen des BiB (2019) aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmen wird. Der Pflegebedarf in der Altersgruppe der über 90-Jährigen wird bis 2050 um das 2,6-Fache, bei 80- bis 89-Jährigen um das 1,8-Fache zunehmen, dagegen nimmt der Pflegebedarf in der Altersgruppe der 70-Jährigen und Jüngeren leicht ab.

      Die Bedeutung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird geringer, da die Sterblichkeit durch Herzinfarkt und Schlaganfall stark zurückgeht. Diese Entwicklung kann sowohl auf eine verbesserte gesundheitliche Versorgung als auch auf die Umsetzung von Maßnahmen der Prävention zurückgeführt werden. Li et al. (2020) haben über einen Beobachtungszeitraum von über 30 Jahren bei gesunden männlichen und weiblichen Probanden dokumentiert, dass durch Vermeidung der fünf zentralen Risikofaktoren – Rauchen, hoher BMI, Alkohol, Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung – sowohl die Lebenserwartung als auch die krankheitsfreie Lebenszeit ab dem

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