Betreuung und Pflege geistig behinderter und chronisch psychisch kranker Menschen im Alter. Группа авторов

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Betreuung und Pflege geistig behinderter und chronisch psychisch kranker Menschen im Alter - Группа авторов

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von Personen, die in der Familie leben, findet sich in der Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen (68,5 %), mit 55 bis 64 Jahren sind es nur noch 29,9 %. Menschen mit Down-Syndrom leben zu 22,3 % und Menschen mit einer geistigen Behinderung ohne Down-Syndrom zu 59,6 % im familiären Umfeld, Personen mit einer seelischen Behinderung nur in 1,1 %.

      Die Eltern der geistig behinderten Menschen waren im Durchschnitt 75 Jahre alt, 54,8 % der Mütter und 68,85 % der Väter waren 71 bis 80 Jahre alt. Wenn die Eltern die Unterstützung und Betreuung ihrer Kinder nicht mehr leisten können, werden die Betroffenen in einer anderen Wohnform untergebracht. Der Grund für den Umzug in die aktuelle Einrichtung war bei 20,7 % Alter und/oder Pflegebedürftigkeit der bisherigen Betreuungsperson, in 16,1 % der Fälle war die Betreuungsperson verstorben.

      Das Aufnahmealter in eine stationär betreute Wohneinrichtung unterscheidet sich nach Altersgruppe. Die heute über 70-Jährigen wurden zu 28 % im Alter bis zu 20 Jahren stationär aufgenommen, weitere 48 % kamen im Alter von 40 bis 60 Jahren dazu. Dagegen wurden bei den heute 45- bis 54-Jährigen nur 10 % im Alter bis zu 20 Jahren stationär untergebracht, weitere 87 % wechselten ab dem 21. bis zum 50. Lebensjahr in eine stationär betreute Einrichtung.

      Diese oben beschriebenen Entwicklungen sind bei der Planung von Angeboten oder tagesstrukturierenden Maßnahmen zu berücksichtigen. Sechzig Jahre nach Ende des Krieges treten zunehmend Menschen mit geistiger Behinderung oder chronisch psychischer Erkrankung in den Ruhestand, und die Versorgung durch die Familie ist aufgrund des Alters der Angehörigen nicht mehr möglich. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, eine adäquate Versorgung und Unterkunft und eine angemessene Beschäftigung auch nach der Erwerbsphase bereitzustellen.

      Mitarbeiter in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe wurden mittels Fragebögen und in Fokusgruppen befragt zu ihren Erfahrungen mit dem Prozess des Älterwerdens von Menschen mit geistiger Behinderung, zu Veränderungen, Bedürfnissen, zu Merkmalen von Kompetenz, zu Gewinnen und Verlusten und zu Merkmalen der Lebensqualität, die sie beobachtet haben. Die Ergebnisse werden im Folgenden zusammengefasst.

      Geistig behinderte Menschen unterscheiden sich im Prozess des Älterwerdens nicht grundsätzlich von der Gesamtbevölkerung, insbesondere wird darauf hingewiesen, dass sich mit zunehmendem Alter eine große interindividuelle Variabilität mit Bezug auf die körperliche und psychische Entwicklung zeigt. Im Vergleich zu Senioren, die nicht in einer stationären Einrichtung leben, wirken sie nach Aussagen der Mitarbeiter ausgeglichener und ausgeruhter, da sie in der Einrichtung geschont werden und nicht für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen.

      Die älteren Bewohner werden aufgrund ihres Soseins, das von der Gesellschaft überwiegend als Anderssein negativ interpretiert wird, weder als gesellschaftsfähig anerkannt noch integriert. Viele von ihnen wurden in ihrer Jugend zur Ausführung von Dienstleistungen herangezogen, mussten schwere körperliche Arbeit unter schwierigen Bedingungen leisten, wurden kaum oder schlecht entlohnt, lebten unter schlechten räumlichen und gesundheitlichen Bedingungen und waren der unkontrollierten Gewalt der Umwelt ausgesetzt. Frauen wurden häufig sexuell missbraucht, und die Vergewaltiger profitierten davon, dass die Frauen nicht mit Worten ausdrücken konnten, was ihnen angetan worden war; sie wurden darüber hinaus als abgestumpft und unempfindlich eingeschätzt. Letzten Endes wurden Menschen mit geistiger Behinderung nicht als gleichwertige, ebenbürtige Menschen angenommen, die Würde, die jedem Menschen zu eigen ist, wurde ihnen abgesprochen. Diese Einstellung der Gesellschaft, eine eingeschränkte verbale Kommunikationsfähigkeit sowie die verminderte kognitive Leistungsfähigkeit hat sie an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt. Die Unmittelbarkeit ihrer Ausdrucksweise hat ihnen die Position von Kindern zugewiesen. Sie selbst schätzen sich teilweise auch noch im hohen Alter als Kinder ein: »Ich bin ein Bub« oder »Ich bin ein Mädle. Frauen dürfen rauchen, Mädle net.«

      Ein großer Teil geistig behinderter älterer Menschen lebt in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe. Sie sind entweder schon als Kinder aufgenommen worden, da sich die Angehörigen nicht in der Lage sahen, in ihrem gesellschaftlichen Umfeld mit den engen herrschenden Konventionen ihren Lebensplan mit einem geistig behinderten Kind in der Familie zu verwirklichen. Die Kinder in eine »Anstalt« zu geben war auf alle Fälle besser als sie zu verstecken; nicht nur für die Eltern war es leichter, sondern auch für die Betroffenen, die auf diese Weise unter Umständen einem menschenunwürdigen Dasein entkommen sind. Ein starker Lebenswille, der die Menschen befähigt hat, auch schwierige Situationen zu überstehen, wird von der überwiegenden Mehrheit der Mitarbeiter bestätigt. Trotz erlebter Enttäuschungen erinnern sich geistig behinderte ältere Menschen oft gerne an ihre Angehörigen und leiden häufig sehr darunter, dass keine familiären Kontakte mehr bestehen.

      Wenngleich sie sich in der Einrichtung einer strengen Disziplin haben beugen müssen und durch eine lebenslange Abhängigkeit von den Betreuern ihre persönliche Entwicklung erschwert oder gar unmöglich war, konnten doch langanhaltende persönliche Beziehungen untereinander oder mit den Betreuern entstehen. Die geistig behinderten Menschen waren Teil der Gemeinschaft, wurden zu hauswirtschaftlichen oder anderen Arbeiten herangezogen, dadurch empfinden sie heute noch ihr Leben als nützlich. Strenge religiöse und feste Moralvorstellungen wurden ihnen schon in früher Kindheit eingeprägt, ein großer Teil hat sie unverändert bewahrt, und darin erleben viele geistig behinderte Menschen im Alter Sicherheit. Die Mitarbeiter bestätigen, dass die Bewohner ihr Leben als sinnvoll empfinden, dass sie aufgrund ihrer persönlichen Lebenseinstellung – überwiegend handelt es sich um verinnerlichte Glaubensgrundsätze – eher hoffnungsvoll und optimistisch eingestellt seien. Als ein beobachteter Gewinn im Alter wird von den Mitarbeitern Zufriedenheit genannt, und sie bestätigen, dass es viele Dinge gibt, auf die sich die Bewohner jeden Tag freuen.

      Langjährige Not und viele Entbehrungen, Abhängigkeit und die Erfahrung, dass Widerstand sinnlos ist und dass die eigenen Wünsche für die Umwelt absolut uninteressant sind, haben die heute ältere Generation weitgehend geprägt. Viele von ihnen wissen mit Wünschen nichts anzufangen. Die Mitarbeiter versuchen, die persönlichen Bedürfnisse der Betroffenen gemeinsam mit ihnen zu entdecken. Mit der frei zur Verfügung stehenden Zeit jedoch, mit dem Basteln von »unnützen Dingen«, für die man keine Verwendung kennt und für die man niemanden weiß, dem man sie schenken könnte, kann nicht jeder geistig behinderte ältere Mensch umgehen. Der Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe führt zu einer neuen Ausrichtung der Arbeit mit geistig behinderten Menschen. Für diese Menschen ist daher eine Umstellung auf die neuen Anforderungen erforderlich, dies ist häufig schwierig, da die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit mit zunehmendem Alter abnehmen.

      Viele geistig behinderte Menschen haben im Lebenslauf jedoch gelernt, welches die wesentlichen Dinge im Leben sind, worauf verzichtet werden kann und was für ein gutes Leben wichtig ist. Sie genießen es, wenn man ihnen etwas abnimmt. Bei einem Teil der Bewohner wird eine Steigerung der Genussfähigkeit beobachtet, die Bewohner genießen das Kaffeetrinken, Besuche beim Friseur, Ausflüge, den Wegfall des Leistungsdrucks, ihr eigenes Zimmer. Häufig nehmen die innere Ruhe und Gelassenheit im Alter zu, befähigen die Menschen zum Aufbau stabiler Beziehungen und führen zu einem Zugewinn an sozial-kommunikativen Fertigkeiten. Mitarbeiter sprechen ihren Bewohnern die Fähigkeit zu, sich aktiv und erfolgreich mit der Bewältigung von Aufgaben und Belastungen auseinanderzusetzen; sie bestätigen die Möglichkeit einer persönlichen Entwicklung im höheren Alter. Wenn das Erleben schwerer Verluste oder Belastungen zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit der Problematik führt, können Krisen bewältigt werden – entweder mit der informellen Unterstützung durch die Gruppe oder die Mitarbeiter oder durch Einsatz professioneller Hilfe wie Gesprächstherapie. Die Fähigkeit, sich aktiv mit Aufgaben und Belastungen auseinanderzusetzen, eine persönlich zufriedenstellende Lebensperspektive auch im höheren Alter und bei Einschränkungen aufrechtzuerhalten, sozial-kommunikative Fertigkeiten zu entwickeln, in Selbstständigkeit und Selbstverantwortung zu handeln, sind Merkmale von Kompetenz bei älteren Menschen mit geistiger Behinderung und haben bei den Mitarbeitern der Behindertenhilfe einen höheren Stellenwert als

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