Lehren und Lernen mit digitalen Medien und Technologien. Markus Schäfer
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Bei allen Vorteilen, die das Format personalisierter On- bzw. Off-Ton-Film mit Blick auf Unterhaltungswert, Empathieeffekte und die Authentizität der Darstellung bietet, verursacht die Produktion im klassischen Filmformat im Rahmen von institutionalisierten Lehrveranstaltungen in der Schule, Hochschule oder im Unternehmen Schwierigkeiten. Zwei Problembereiche sind dabei von besonderer Bedeutung:
1. Die Rechtsfigur: Der Produzent eines Films setzt sich durch die Vergesellschaftung von Bildinhalten besonderen rechtlichen Risiken aus. Das Medium Realfilm ist dabei mit Blick auf mögliche Rechtsverstöße, z. B. Persönlichkeitsrechten der Akteur*innen oder Markenrechte, deutlich schlechter zu kontrollieren, als andere Formate, etwas das Format Dia- oder Slideshow, bei denen lediglich [41] einzelne Bilder kontrolliert werden müssen. Der Aufwand, der für den Schnitt notwendig ist, um die Rechtsfigur adäquat zu bedienen, ist erheblich. Der Umgang mit Persönlichkeitsrechten stellt im Rahmen von formalen Settings an den Lernorten Schule, Betrieb oder Bildungsstätte eine derart komplexe Herausforderung dar, dass dem Einsatz dieses Formats in Filmprojekten mit realen Akteur*innen sehr enge Grenzen gesetzt sind. Dies gilt besonders, wenn der fertige Film über eine Social-Media-Plattform veröffentlicht werden soll.
Gleichwohl bietet das Medium Realfilm mit Bewegtbildern interessante Perspektiven für die Visualisierung von komplexen Zusammenhängen. Es hat sich daher bewährt, Bewegtbilder zu verwenden, die bestimmte Eigenschaften haben.
•Bewegtbilder sollten nicht direkt lokalisierbar sein. Das bedeutet, dass das Bildmaterial idealerweise keine Rückschlüsse auf den Aufnahmeort zulassen sollte, also nicht identifizierbar sein sollte, in welcher Firma bzw. Institution das Material entstanden ist.
•Das Material sollte visuell und auditiv entpersonalisiert sein. Es handelt sich dann um Stummfilme, in denen keine Personen zu sehen sind. Das Audio (personalisierter Erklärtext) kommt als Off-Ton hinzu. Die Praxis hat gezeigt, dass es erhebliche Nachteile mit sich bringen kann, wenn Lerner*innen als Akteur*innen fungieren. So konnte gezeigt werden, dass es dann häufig weniger um den Inhalt als vielmehr um die Befriedung der Wünsche einzelner Akteur*innen geht und der Erkärfilm schnell zum Unterhaltungsmedium wird. Es besteht die Gefahr, dass das didaktische Konzept zur One-Man bzw. One-Women-Show wird und anstelle eines Erklärfilms ein Performanzvideo entsteht, bei dem sich die Akteur*innen in Szene setzen. Erfahrungen mit dem didaktischen Konzept haben zudem gezeigt, dass eine visuelle Personalisierung der Produktionen ihren standardisierten Einsatz in der Lehre faktisch unmöglich macht, weil es zu kompliziert ist, die geforderten Eigenschaften zu integrieren.
2. Die Scham und der Zweifel an der Qualität des eigenen Produkts: Ein Erklärfilm ist anders als ein Plakat, eine Collage oder eine handgeschriebene Präsentationsfolie unwiderruflich mit den jeweiligen Akteur*innen verbunden. Das gilt besonders dann, wenn es sich um Realfilme mit Bewegtbildern handelt, die visuell und auditiv nicht entpersonalisiert sind. Das Ich des produzierenden Subjekts wird quasi im Film mit vergesellschaftet. Das gilt besonders dann, wenn das Subjekt im Film erkennbar ist. Da der Film – insbesondere im Rahmen der Distribution – kopiert, verändert, entstellt und weiterverbreitet werden kann, kann er auch praktisch jederzeit wieder aufgerufen [42] werden, wenn er entsprechend platziert wurde. Selbst das Löschen erlöst die Darsteller*innen nicht, da niemand ausschließen kann, dass der Film nicht doch an einer anderen Stelle wieder auftauchen wird.
Iconfilm
Der Iconfilm (vgl. Abbildung 3) stellt ein Format für Erklärfilme dar, das in der jüngeren Vergangenheit an Bedeutung gewonnen hat. Im Iconfilm werden Sachverhalte mit Hilfe statischer oder animierter grafischer Symbole erklärt. Zusammenhänge und Prozesse lassen sich auf diese Weise unterhaltsam, kontrolliert und flexibel darstellen. Zum besseren Verständnis können typografische bzw. textuelle Elemente beitragen. Für Designprojekte, in denen Technikvideos oder Mathematikvideos entstehen sollen, sind Icon-Filme dagegen weniger gut geeignet. Zum einen müssen die Icons beschafft werden, zum anderen muss bedacht werden, dass die Icons weniger Realität transportieren als Realbilder, da sie eher abstrakt bleiben (vgl. Abbildung 3). Iconfilme haben vor allem Stärken, wenn es um die filmische Darstellung von Inhalten geht, die auf eine realweltliche Visualisierung verzichten können. Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten zur designorientierten Didaktik wurde teilweise mit dem Diensteanbieter Powtoon (www.powtoon.com) experimentiert, der sich auf Iconfilme spezialisiert hat. Für die Entwicklung von Bildungsprodukten bietet Powtoon eine kostenfeie Lizenz.
Abbildung 3: Der Iconfilm als Umsetzungsvariante für Erklärfilme. Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=fefJhSQdNP4 [Zugriff: 06-01-2020]. Bildschirmkopie.
[43] Schiebe- bzw. Legetechnik
In den letzten Jahren hat sich das Format Legetechnik rasant weiterentwickelt (vgl. Abbildung 4). Charakteristisch für die Legetechnik sind Hände, die gezeichnete Figuren, Szenen oder Objekte synchron zum Audio bewegen. Auf der Nutzer*innenseite bietet die Legetechnik vor allem dann Vorteile, wenn Prozesse oder Vorgänge erläutert werden. Oft wird hierzu eine Geschichte erzählt. Sachverhalte, etwa die Kundenannahme in einer Werkstatt, werden hier in eine Story verpackt und personalisiert erzählt. Dies hat den Vorteil, dass die Zusammenhänge und Fachbegriffe über die Geschichte beim Ansehen assoziativ vernetzt werden können. Damit steigt erwartbar die Behaltensleistung (vgl. Vester 1996). Für die Entwicklerseite gilt ähnlich wie bei der Icon-Technik, dass das Format für Videos, die eine realweltliche Visualisierung fordern (z. B. Technikvideos), weniger gut geeignet ist. Man benötigt die Lege-Objekte und eine spezielle Aufnahmetechnik. Mit Blick auf technisch oder naturwissenschaftlich ausgerichtete Videos fehlt ähnlich wie bei Iconfilmen die Realitätsnähe. Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten wurde mit My Simple Show experimentiert, die eine Plattform zur Umsetzung der Legetechnik bietet (www.mysimpleshow.com).
Abbildung 4: Die Legetechnik. Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=gvye2S8gsZk&t=13s [Zugriff: 06-01-2020]. Bildschirmkopie.
[44] Entpersonalisierte Off-Ton-Slideshow
Ein Produktionsformat, dass dem Anforderungsprofil (Flexibilität, akzeptabler Ressourceneinsatz, Kontrollierbarkeit etc.) gerecht wird und die Problemfelder (Personalisierung, Rechtsfigur) beherrschbar macht, gleicht einer vertonten Slide- oder auch Diashow. In einer Slideshow werden Bilder, Stummfilmausschnitte, Grafiken oder Abbildungen gezeigt und mit einer Audiospur hinterlegt. Der Rezipient*innen erhalten so zunächst den Eindruck, als betrachten sie ein Fotobuch, bei dem die einzelnen Bilder – teilweise animiert – erläutert werden. Die notwendigen Informationen zum Verständnis der Medien liefern Sprecher*innen aus dem Off. Bei Bedarf können grafische oder textuelle Elemente ergänzt werden. Auch die Integration von Stummfilmen ist