Lehren und Lernen mit digitalen Medien und Technologien. Markus Schäfer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Lehren und Lernen mit digitalen Medien und Technologien - Markus Schäfer страница 8

Lehren und Lernen mit digitalen Medien und Technologien - Markus Schäfer

Скачать книгу

im Anforderungsniveau skalierbar variiert werden. Dieses Lehrbuch stützt sich auf ein Begriffsverständnis, das davon ausgeht, dass der Grad der Selbstorganisation curriculare Vorgaben bzw. Freiheiten adressiert, wobei sich der Begriff Steuerung auf den Lernprozess an sich bezieht (vgl. Dubs 2009). Demnach lernt ein Autodidakt, der seine Inhalte und seine Lernstrategien eigenständig definiert und anwendet, zu 100 % selbstorganisiert und selbstgesteuert (vgl. Schäfer 2012; S. 106). In diesem Verständnis zeigt die Spalte „Skalierung“ [28] in Tabelle 2, dass die genannten Merkmale in ihrem Anforderungsniveau über den Grad der Selbststeuerung variiert werden können. Eine 100%ige Selbststeuerung setzt dabei ideale Lerner*innen voraus. In der Praxis fordert eine inklusive Projektumsetzung in der Regel die Moderation unterschiedlichster Niveaus. Hier ist die pädagogische Professionalität der Lehrkräfte gefragt. Professionell bedeutet dabei, dass die Lehrkräfte ein selbstgesteuertes Lernhandeln bei Bedarf temporär in die Fremdsteuerung überführen, um Feinjustierungen vorzunehmen und eine demotivierende Überforderung der Lerner*innen zu vermeiden (vgl. Schäfer 2012). Designprojekte unterstützen diesen Prozess, indem sie Freiräume für die individuelle Moderation schaffen. Das betrifft praktisch alle Phasen von Designprojekten (vgl. Kapitel 6).

      Zum didaktischen Prinzip Lernen durch Lehren: Jede Präsentationsphase setzt lerntheoretisch auf das Prinzip, dass nur das präsentiert werden kann, was auch tatsächlich verstanden bzw. durchdrungen wurde. Designprojekte setzen dieses Prinzip in einer technisierten Lernumgebung um.

      Wenn man jemandem etwas erklären möchte, muss man ein mehr oder weniger tiefes Verständnis von den Inhalten entwickelt haben, die transportiert werden sollen. Es erscheint also absolut plausibel, wenn dieses Prinzip im pädagogischen Kontext nutzbar gemacht wird. Entsprechend hat das in diesem Lehrbuch ausdifferenzierte mediendidaktische Konzept ein analoges Pendant, das in der Pädagogik unter der Bezeichnung Lernen durch Lehren (LdL) diskutiert wird. Lernen durch Lehren oder auch Lernen durch Erklären wird dabei als lerner*innenaktive Methode beschrieben, bei der die Lerner*innen ihre Kompetenzen weiterentwickeln, indem sie sich gegenseitig die Inhalte vermitteln.

      Die designorientierte Didaktik greift den LdL-Ansatz auf und entwickelt ihn zu einem mediendidaktischen Konzept weiter, bei dem das Lernen durch ‚Filmproduktion‘ bzw. Erklären im Medium Film umgesetzt wird. Digitalen Medien und Technogien kommt dabei eine besondere Rolle zu. Die konkrete Umsetzung einer designorientierten Didaktik in der Lehre erfolgt in Projekten. Ein Designprojekt integriert die Phasierung (Themenfindung, Manuskript, Deklamation, Schnitt und Nachnutzung) und ergänzt diese Phasen um spezifische Einstiegsszenarien, exakte Arbeitsanweisungen, Sozialformen, Auswahlverfahren für Medien, Leistungsbewertungen, Veröffentlichungsszenarien etc.

      Das lerntheoretische Konstrukt von Designprojekten gründet auf der Vorstellung, dass die Lerner*innen im Designprojekt einen Rollentausch vollziehen. Sie werden im Laufe der inhaltlichen Auseinandersetzung zu Lehrkräften, die Fachinhalte [29] erklären und vermitteln. Designprojekte sind folgerichtig dadurch gekennzeichnet, dass die Lerner*innen in den verschiedenen Phasen ihre Perspektive (Lerner*innen, Lehrer*innen, Produzent*innen teilweise auch externe Konsument*innen bzw. Rezipient*innen) wechseln. Aus der Perspektive von Lehrer*innen bzw. Produzent*innen geht es darum, den Inhalt didaktisiert zu vermitteln, das Manuskript zu schreiben, den Film zu schneiden etc. Aus der Perspektive von Lerner*innen muss zunächst ein Verständnis von den Inhalten, aber auch von der Didaktik und der Technik entwickelt werden. Die Perspektive von Konsument*innen definiert Prozesse, die eine erfolgreiche Nachnutzung der Handlungsprodukte (Filme) einleiten.

      Tendenziell wird die Lehrer*innenrolle gegen Ende eines Designprojekts sukzessive dominanter eingenommen. Während die Lerner*innen sich in den ersten beiden Phasen eines Designprojektes (Einstieg und Manuskript) intensiv mit den Inhalten auseinandersetzen und dabei klassisch die Rolle von Lerner*innen einnehmen, erodiert dieses Rollenverständnis im weiteren Verlauf der Projekte immer weiter. Den ersten Kontakt mit der Rolle von Lehrkräften haben die Lerner*innen in der Regel, wenn sie die visuellen Medien aussuchen, mit denen der Inhalt, das Thema des Films, später aufgearbeitetet bzw. visualisiert wird. In den weiteren Phasen festigt sich dieses Rollenverständnis als Lehrer*in zunächst. Die Phase Videoschnitt regt dann erneut einen Perspektivenwechsel an. Jetzt wird zumindest teilweise die Rolle von Rezipient*innen bzw. Konsument*innen eingenommen, um bestimmte Animationen bzw. filmische Elemente auszuwählen und einzusetzen mit dem Ziel, bestimmte inhaltliche Elemente optimal in Szene zu setzen. Im Lernprozess wird diese Phase dadurch sichtbar, dass didaktische Fragestellungen die fachlichen Fragen ergänzen und teilweise sogar ablösen. Typisch sind Fragen zu ergänzenden visuellen Medien, den richtigen Pausenlängen in den Sprechtexten, zur Sprechgeschwindigkeit im Allgemeinen, zur Farbgebung im Film etc. In den Perspektivenverschränkungen reflektieren die Lerner*innen ihr Tun, werden mit ihrem derzeitigen Wissensstand und ihren aktuellen Fähigkeiten konfrontiert und denken darüber nach, wie externe Rezipient*innen auf den Film reagieren. Die Perspektivenverschränkung kann im Übrigen auch innerhalb der Gruppe stattfinden, etwa dann, wenn Lerner*innen sich gegenseitig helfen.

      [30] 3 Konsequenzen für die Entwicklung von Designprojekten

      Designprojekte nehmen etablierte Methoden und Verfahren der Projektpädagogik auf und nutzen digitale Technologien und Medien als übergreifendes Organisations-, Kommunikations-, Kollaborations-, Gestaltungs- und Dokumentationsinstrumentarium zur Umsetzung von Projekten. Im methodischen Kern können Designprojekte der produktionsorientierten Filmbildung zugerechnet werden. Hier wird der Umstand aufgegriffen, dass der Film mit seinen vielfältigen Formaten (2D, 3D als Virtual-Reality-Applikation etc.) als Informations- und Bildungsmedium aktuell eine bedeutende Aufwertung erfährt (vgl. Kapitel 1 und 4). Die Produktionsorientierung schafft die Möglichkeit Lernprozesse zu gestalten, in denen digitale Medien und Technologien ganzheitlich integriert sind. Über eine rezipierende Komponente eröffnet das Konzept zusätzlich die Möglichkeit, klassische E-Learning-Konzepte, Flipped-Classroom-Konzepte oder Blended-Learning-Konzepte umzusetzen. Dadurch werden Wiederholungs- und Übungsphasen möglich, die einen Beitrag zur Individualisierung von Kompetenzentwicklungsprozessen leisten können.

      Die Entwicklung von Designprojekten sollte auf der Vorstellung basieren, dass pädagogisches Handeln, anders als naturwissenschaftlich-mathematisches Handeln, nicht von Gegenständen, sondern von bewusstseinsgesteuerten Wesen beeinflusst ist. Die Theorielinien, die ein Organisationsmodell zu einer Lehrveranstaltung, zu einem pädagogisch fundierten didaktischen Konzept machen, sind damit verhaltensorientiert. Entwicklung und auch Umsetzung haben entsprechend zu berücksichtigen, dass Lernen immer eine inter- und intrapersonale Dynamik besitzt. Genau das macht aber die Umsetzung von (Design-)Projekten so kompliziert: (Design-)Projekte brauchen viel Vorbereitung und noch mehr pädagogisches Fingerspitzengefühl. Dabei gilt die einfache Regel, dass der Vorbereitungsaufwand für die Implementierung von Designprojekten umso größer ist, je ungeübter die Lerner*innen in der freien Arbeit sind. Dieses Lehrbuch entwirft jedoch einen Rahmen, in dem auch diese Dynamik kanalisiert werden kann.

      Designprojekte basieren weiter auf der Annahme, dass geplantes und absichtliches Lernen insbesondere dann zustande kommen kann, wenn die Lerner*innen [31] Gründe für ihre Lernaktionen haben. Lernen wird idealerweise nicht von Seiten der Lehrkräfte initiiert (fremdorganisiert), sondern von Seiten der lernenden Subjekte (selbstorganisiert). Im Idealfall handelt es sich also um lerner*innenaktive Projekte (Selbststeuerung), bei denen die Themenwahl selbstorganisiert erfolgt. Das bedeutet konkret, dass die Inhalte innerhalb der curricularen Grenzen ‚frei‘ gegeben bzw. mit Blick auf das Anforderungsniveau moderiert zugewiesen werden. Die Lerner*innen suchen sich den Aspekt, den sie in ihrem Designprojekt vertiefen wollen, selbst aus und dokumentieren ihn. Im Ergebnis entstehen verschiedene Handlungsprodukte, die thematisch einen Gesamtkontext (Lernsituation) abbilden. Abbildung 1 zeigt einen Screenshot zu den Handlungsprodukten aus verschiedenen Designprojekten, die zu einer Lernsituation (Fehlerdiagnose im System heizbare Heckscheibe) gehören. In der Lernsituation haben neun Lerngruppen verschiedene Designprojekte umgesetzt. Die Zuteilung der Designprojekte basierte auf den Interessen und der Leistungsfähigkeit der Projektteilnehmer*innen. Die Differenzierung zeigt sich bei den Handlungsprodukten

Скачать книгу