Umgelegt vom Killer: Krimi Koffer 9 Romane. A. F. Morland
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1
Mel Kowalski beobachtete sein Opfer aus sicherer Entfernung. Der Mann, dem die Aufmerksamkeit des Killers gehörte, war Staatsanwalt George Burke. Ein Mann, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, der Mafia in seiner Stadt kräftig auf die Finger zu schlagen. Er hatte das nicht nur überall – im Rundfunk, im Fernsehen und auf Versammlungen – laut hinausposaunt, sondern er hatte auch bereits Taten folgen lassen. Taten, die die Cosa Nostra schmerzlich getroffen hatten.
Man war sich innerhalb der Ehrenwerten Gesellschaft nach einer kurzen Zusammenkunft einig: Gegen Staatsanwalt Burke musste schnellstens etwas unternommen werden.
Man sprach sich ohne Gegenstimme für eine Maßnahme aus, die George Burke das Leben kosten würde und wandte sich danach unverzüglich an Sergio Patana, den Boss einer gut funktionierenden Liquidationstruppe namens „Black Friday“. Patana schickte sofort seinen besten Mann, Mel Kowalski, nach Miami Beach, wo Staatsanwalt Burke mit seiner Verlobten Bathseba Lane sich von den Strapazen der letzten Wochen und Monate erholen wollte.
Kowalskis Mund verzog sich unter dem schweren Fernglas, das er mit beiden Händen an die Augen hielt, zu einem breiten, zufriedenen Grinsen.
Der Killer war ein großer kompakter Bursche, unter dessen sonnengebräunter Haut stahlharte Muskeln spielten. Er hatte das eingeschlagene Nasenbein eines Raufbolds, dünnes braunes Haar und ein Kinn, das an eine Baggerschaufel erinnerte.
Er stand auf dem Balkon seines Hotelzimmers, während sich George Burke mit seiner Verlobten auf der Terrasse des Nachbarhotels befand.
Was Kowalski dieses zufriedene Grinsen entlockte, war der Umstand, dass Burke offensichtlich Streit mit seiner Braut hatte. Die beiden saßen an einem der zahlreichen runden Tische, hatten Longdrinks vor sich stehen, aus denen bunte Plastikhalme ragten. Sie starrten einander mit finsteren Gesichtern an und verrieten in Mimik und Gestik, dass sie sich im Augenblick alles andere als grün waren.
„Ein Zank, so kurz vor dem Tod“, murmelte Mel Kowalski zynisch. „Wenn sie sich der Tatsache bewusst wären, wie kurz für manche Menschen das Leben ist, würden sie den Streit bleiben lassen und die wenige Zeit, die ihnen noch zur Verfügung steht, sinnvoller nützen. Aber wer kann schon in die Zukunft sehen?“
Der Hader erreichte binnen Kurzem den Höhepunkt.
George Burke warf seinem Mädchen mit wutverzerrtem Gesicht noch etwas an den Kopf, dann schlug er mit der Faust auf den Tisch – gleichsam, um einen Schlusspunkt zu setzen –, sprang auf und verließ die Terrasse.
Bathseba Lane putzte sich mit einem blütenweißen Taschentuch die Nase und griff dann mit einer zornigen, aggressiven Handbewegung nach ihrem Glas, während Burke die Terrassenstufen hinunterlief und die daran angrenzende Mole erreichte.
Mel Kowalski folgte seinem Opfer mit dem Fernglas.
Burke begab sich an Bord seiner Jacht, die er vor drei Tagen für den Rest des Urlaubs gemietet hatte. Er machte alle Taue los und fuhr dann mit rasch zunehmender Geschwindigkeit auf den Atlantik hinaus.
Der Killer setzte das Fernglas ab.
„Mehr entgegenkommen hätte er mir gar nicht können“, brummte er in seinen imaginären Bart. „Dort draußen werde ich mit ihm allein sein. Es wird keine Augenzeugen geben, wenn George Burke stirbt.“
Hastig machte der Vertragskiller der Mafia kehrt. Er stürmte durch das Hotelzimmer und hatte es sehr eilig, zum Bootsverleih zu kommen, denn eine günstigere Gelegenheit, Burke zu beseitigen, würde er wohl kaum mehr haben.
2
Roberto Tardelli traf auf dem Miami International Airport ein und hatte das Gefühl, in einen Backofen geraten zu sein. Die Sonne glühte vom Himmel. Kein Wölkchen verpatzte das perfekte Blau. Kein Lüftchen verschaffte den schwitzenden Menschen Linderung.
Roberto, ein schlanker, wendiger Bursche Ende zwanzig, dem man nicht ansah, wie zäh er war, steuerte den erstbesten Autoverleihschalter an.
Kurz darauf saß er in einem schiefergrauen Pontiac Firebird, dessen zusätzlich eingebaute Klimaanlage bei geschlossenen Fenstern für eine konstante Temperatur von angenehmen zwanzig Grad sorgte. Das war ein Grund, aufzuatmen.
Miami ist mit Miami Beach und einigen anderen Orten eines der bedeutendsten und modernsten Touristenzentren der Erde. In den Motels, Hotels, Ferienhäusern und Wohnungen ist Platz für mehr als 120.000 Touristen. Und in der Hochsaison ein Betrieb, der einem Hexenkessel gleicht.
Roberto konnte nicht verstehen, dass sich George Burke, der sich doch von seinen Strapazen erholen wollte, ausgerechnet hierher begeben hatte, wo er erholsame Ruhe doch nicht finden konnte.
Burke. Unvermittelt wurden Roberto Tardellis Züge hart. Er war in diesem Augenblick zu jenem Hotel unterwegs, in dem der Staatsanwalt mit seiner Verlobten abgestiegen war.
Nicht eine Sekunde durfte verschenkt werden. Roberto hatte den Eindruck, ohnedies schon verdammt spät dran zu sein.
COUNTER CRIME, die geheime Regierungsstelle, für die Roberto Tardelli als Agent arbeitete, und deren Aufgabe es war, die Mafia mit allen ihren Nebenerscheinungen und Auswüchsen zu bekämpfen, hatte erfahren, dass George Burke von der Cosa Nostra auf die Abschussliste gesetzt
worden war.
Und zwar als Nummer eins!
Es gab den verschleierten Verdacht, dass der Mord an Burke an die Unterorganisation „Black Friday“ delegiert worden war. Deshalb lag die Vermutung nahe, dass Sergio Patana seinen derzeit schlagkräftigen Mann losgeschickt hatte: Mel Kowalski.
Wenn man wusste, wie blitzschnell und eiskalt dieser Killer zuschlug, war klar, dass man in einer solchen Situation nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde vergeuden durfte.
Aus diesem Grund fuhr der Top Agent von COUNTER CRIME auf dem kürzesten Wege zu Burkes