Lesereise Hongkong. Rasso Knoller
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Glück und Zufriedenheit stehen beim Feng Shui in enger Verbindung mit Reichtum und Wohlstand. Als Disney seinen Vergnügungspark auf der Insel Lantau baute, plante man das Eingangsportal so, dass es genau in Nord-Süd-Richtung zeigte. Das war besser fürs Feng Shui und für Disneys Kasse. Durch Umgestaltung seiner Wohnung kann aber auch der einfache Mann zu Vermögen kommen. Wer die Reichtumsecke in seinem Haus aktiviert, hat schon den ersten Schritt zum Wohlstand getan. Allerdings: Ganz so einfach macht es einem die asiatische Harmonielehre denn doch nicht. Auch wenn Haus und Hof ein perfektes Feng Shui aufweisen, muss man sein Geld immer noch selbst verdienen. Das positive Feng Shui sorgt lediglich dafür, dass sich einem auf dem Weg zum Reichtum weniger Hindernisse in den Weg stellen. Die Frage, wie man seine Wohnung und sein Büro nach der Lehre des Feng Shui perfekt einrichtet, ist auch für Immobilienkäufer und -verkäufer wichtig. Ein deutscher Makler, der auch in Hongkong tätig ist, beantwortet deswegen auf seiner Hongkong-Homepage genau diese Frage – das richtige Feng Shui ist schließlich auch ein Kaufargument.
Wer in Hongkong wohnt, hat auf dem Weg zu Glück und Reichtum aber ohnehin einen Vorsprung. Die ganze Stadt kann sich über ein hervorragendes Feng Shui freuen. Die Berge symbolisieren die Pulsschläge eines glücksbringenden Drachen und das Wasser des Victoria Harbour den Einklang mit dem Himmel, was wiederum zu Stabilität und Wohlstand führt.
»Da wird schnell klar, warum sich eine solch kleine Stadt zum Finanzzentrum der Welt entwickeln konnte«, sagt Feng-Shui-Berater Raymond Lo. Wer das beste Feng Shui suche, der solle hinauffahren zum Victoria Peak, rät er. Reisende besuchen den ja sowieso, wenn auch aus einem anderen Grund. Aber vielleicht fällt ja trotzdem etwas vom Glück und Erfolg Hongkongs für sie ab.
Rasso Knoller
Mit Geckos gegen Lungenschmerzen
Die traditionelle chinesische Medizin wartet mit so manchem kuriosen Rezept auf, allerdings auch mit Weisheiten, die der westlichen Medizin überlegen sind
Der eifrige ältere Herr hinter dem Tresen der Good Springs Chinese Herbal Pharmacy schaut mir tief in die Augen. Dann darf ich ihm die Zunge herausstrecken, und schließlich stellt er mir die alles entscheidende Frage: »Headache?« Als ich verneine, Kopfschmerzen zu haben – schließlich bin ich ja wegen eines Mittels gegen Magenbeschwerden gekommen –, sagt er: »Oh good, no headache«, verschwindet im hinteren Teil des Ladens und kommt alsbald mit einem Döschen voller Kräuter zurück. Er schiebt es mir über den Tresen zu und schreit laut in den Laden, sodass es jeder hören kann: »Put in water, drink three times daily – hot!« Im Wasser warm machen und dreimal täglich trinken soll ich seine Kräutermischung also.
Ob der Apotheker meine nun folgende Nachfrage nach den Inhaltsstoffen seiner Rezeptur nicht verstanden hat oder sie nicht beantworten will, kann ich nicht herausfinden. Jedenfalls antwortet er auf meine entsprechende Frage mit einem breiten Lächeln und dem erneut laut in den Laden geschrienen Hinweis: »Put in water, drink three times daily!« Um dann nach einer kurzen Pause leiser, so, als wäre das der geheime Teil der Rezeptur, den nun wirklich nicht jeder zu hören braucht, hinzuzufügen: »Hot, very hot.«
Mich hat der Apotheker wohl gleich als leichteren Fall ohne größeren Beratungsbedarf ausgemacht, oder als Touristen, der mit seinen Hinweisen ohnehin nichts anfangen kann – denn normalerweise werden die Patienten nach alter Tradition im Hinterzimmer der Apotheke ausführlich untersucht, befragt und beraten, bevor sie dann ihr Heilmittel kaufen.
Welchen Stellenwert die traditionelle Medizin einnimmt, bemerkt man schon bei einem Spaziergang durch Hongkong. Ganze Straßenzüge sind voll von Läden, die TCM-»Medikamente« anbieten.
Haben Sie Lungen- oder Nierenprobleme? Dann sind getrocknete Geckos in Kohlsuppe das Richtige. Allerdings nur dann, wenn man ein männliches und ein weibliches Tier gleichzeitig kocht. Yin und Yang müssen nämlich in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Die traditionelle chinesische Medizin, TCM, hält noch eine ganze Reihe weiterer, mindestens ebenso kurioser Rezepte bereit. Bei Akne hilft beispielsweise ein Pulver aus zerriebenem Seepferdchen, nächtliches Schwitzen und Hitzewallungen in den Wechseljahren bekommt man in den Griff, wenn man Schildkrötenpanzer zerreibt und dann in eine Suppe einstreut. Pulver aus Damhirschgeweih soll unter anderem vor vorzeitigem Samenerguss und Impotenz schützen, aber auch gegen Blähungen helfen.
Sogar fossile Knochen voreiszeitlicher Tiere kommen in der TCM zum Einsatz. Long Gu, die fossilen Knochen des Mammuts, werden beispielsweise bei Unruhezuständen, Schlaflosigkeit und Prüfungsangst verschrieben. Vogelnester sind auch eine beliebte Medizin. Sie werden, bevor sie in den Verkauf gehen, aufwendig gereinigt, sodass nur der Speichel der Schwalben übrig bleibt, die sie einst bauten. Auch das »Ernten« der Nester ist keine einfache Sache. Hoch oben in dunklen Höhlen nisten die Vögel, und schon mancher der Nesträuber hat beim gefährlichen Aufstieg sein Leben gelassen. Entsprechend teuer ist diese Medizin – fürs Kilo muss man etwa siebzehntausend Hongkong-Dollar, umgerechnet etwa zweitausend Euro, auf den Tisch der Apotheke blättern. Dafür sollen Vogelnester als Suppe gekocht das Immunsystem stärken und daher auch effektiv jeder Art von Erkältungskrankheiten vorbeugen. Und: Den Alterungsprozess verzögern sie ebenfalls. Das allein ist jeden Dollar wert.
Mancher Tierart wird ihre Bedeutung in der traditionellen chinesischen Medizin zum Verhängnis. Weil das Mehl ihres Horns angeblich die Potenz steigern und zudem noch Fieber senken soll, werden Nashörner bis an den Rand der Ausrottung gejagt. Dem Tiger geht es nicht besser. Seine Knochen zählen zu den »warmen« Arzneien, die – dem Yin-Yang-Prinzip folgend – gegen »kalte« Krankheiten wie Rheuma helfen. Auch Zähne, Hoden, Augäpfel und Barthaare des vom Aussterben bedrohten Raubtiers kommen bei vielen Medikamenten zum Einsatz. Alkoholismus wird mit Tigerkot bekämpft. Wie genau das passiert, mag man sich nicht vorstellen. Immerhin muss für dieses Medikament kein Tiger sein Leben lassen. Dass viele tierische Produkte medizinisch völlig wirkungslos sind, beeindruckt die Kunden nicht, und auch, dass die meisten Wirkstoffe seit Langem genauso künstlich herstellbar sind, interessiert kaum. Mit der Einnahme des Medikaments – so der Glaube – gehen nämlich auch die Eigenschaften des Lebewesens, dessen Organe man zu sich nimmt, auf den Patienten über. Etwas, das synthetisch hergestellte Produkte nicht bieten können. Und »ein bisschen Tiger« wären wir doch alle gerne.
Allerdings machen die auf uns so exotisch wirkenden Mixturen nur einen geringen Anteil der Anwendungen aus, fünfundachtzig Prozent der Medizinen sind pflanzlicher Herkunft.
Und auch wenn für europäische Ohren vieles, was die traditionelle chinesische Medizin anwendet, ziemlich obskur klingt, kann sie doch mit fundamentalen Weisheiten aufwarten, die sie inzwischen auch hierzulande immer populärer macht. Ihre ganzheitliche Philosophie, nach der nicht ein einzelnes Symptom behandelt wird, sondern der ganze Körper, spricht hierzulande viele Menschen an, die mit der Schulmedizin gebrochen haben.
Die traditionelle chinesische Medizin blickt auf eine lange Geschichte zurück. Bereits im 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung wurde das »Huangdi Neijing« verfasst, ein Lehrbuch, dessen Ratschläge noch heute Eingang in die chinesische Medizin finden.
Das Hauptziel der chinesischen Medizin ist es – wie im Falle der Geckos, die nur paarweise verwendet werden dürfen –, die Ausgewogenheit zwischen Yin und Yang im Körper zu erhalten.
Yin und Yang sind Gegensätze und Ergänzungen zugleich. Wie Tag und Nacht oder Ein- und Ausatmen ist das eine ohne das andere nicht vorstellbar. Beim gesunden Menschen ist der Körper in Harmonie, beim Kranken ist er aus dem Gleichgewicht geraten – das Verhältnis von Yin und Yang ist gestört. Aufgabe der Medizin