Die Kraft des Miteinander. Группа авторов
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Die Mutter holt ihren Bruder zu Hilfe. Bastian hat ein gutes Verhältnis zu seinem Onkel, und als sie über die Angelegenheit reden, kommen sie gemeinsam auf eine Idee: Bastian wird sich vor der ganzen Klasse entschuldigen und auch für alle Pizza mitbringen, um den Schaden wiedergutzumachen.
Gemeinsam bereiten sie den Tag der Wiedergutmachung vor. Auch Bastians Mutter hilft und ermutigt ihn, einen Plan für den Tag zu entwerfen. Als der Tag gekommen ist, fährt Bastian zusammen mit seiner Mutter und seinem Onkel in die Schule. Seine Mutter redet Bastian gut zu, doch Bastian verliert den Mut und er will das Weite suchen. Sein Onkel bleibt beharrlich. Er versucht, Bastian zu überzeugen, dass seine Mitschüler ihn als Pizzabringer bejubeln werden. Außerdem ist schon alles vorbereitet. Nach und nach leuchten Bastian die Vorteile ein. Er geht erhobenen Hauptes in die Klasse, spricht seine Entschuldigung aus und verteilt die Pizza. Die Jugendlichen klatschen in die Hände. Bastian ist wieder Teil der Klassengemeinschaft.
Damit wird mehr als deutlich: Wiedergutmachung bringt eine starke und positive Haltung in die Erziehung und schließt den Kreis der Grundelemente gelingender Beziehung.
Wiedergutmachung stärkt die Selbststeuerung und die Beziehung
Wiedergutmachung ist ohne einen sicheren Hafen oder unterstützende Eltern und Lehrer nicht denkbar. Im Weiteren bedeutet dies, dass Eltern beharrlich sein und ihren Kindern einen fixen Anker bieten sollten. Wiedergutmachung ist nicht ohne Deeskalation möglich und ermutigt zur Selbstaktivität. Sie fördert gute Beziehung und ist ein Grundelement zur Entwicklung eigener Selbststeuerung (Bauer 2015).
Wie diese Elemente zusammenspielen, sehen Sie in folgendem Beispiel:
Jonah stört den Englischunterricht wieder und wieder. Aufgrund seiner zahlreichen unverschämten Bemerkungen beschließt die Lehrerin, dass nur noch eins hilft: der Gang zum Direktor. Jonah weigert sich jedoch. Die Lehrerin ist ratlos. Spielt sie sich groß auf und schimpft mit Jonah, macht sie sich nur lächerlich. Sie beschließt, sich an die Unterstützergruppe ihres Kollegiums zu wenden. Dort wird entschieden, dass sie sich mit dem Sportlehrer zusammenschließen soll. Sport ist nämlich Jonahs Lieblingsfach. Gemeinsam laden sie Jonahs Eltern ein und erzählen von den Vorfällen im Englischunterricht. Weil Jonahs Mutter zunächst über die Anwesenheit des Sportlehrers verwirrt ist, erklärt die Englischlehrerin schnell: »Die Beleidigung eines Lehrers ist Sache des gesamten Lehrkörpers.« Das versteht Jonahs Mutter und schon ist ein Wir geschaffen. Sie ist sich jetzt auch sicher, dass sie gemeinsam die problematische Situation im Englischunterricht gut bewältigen können. Außerdem werden die Eltern dadurch in ihrer Ankerfunktion gestärkt. Sie geben zu, dass es auch zu Hause mit Jonah nicht immer leicht ist, was sich mit den Beobachtungen beider Lehrkräfte deckt.
Am nächsten Tag findet das Treffen statt. Jonah ist überrascht, dass der Sportlehrer auch anwesend ist. Deshalb erklärt ihm der Sportlehrer: »Wir haben einen Grundsatz: Wenn ein Lehrer beleidigt wird, ist das die Sache aller. Wir lassen solche Angelegenheiten nicht auf sich beruhen, sondern versuchen gemeinsam, eine Lösung zu finden. Uns geht es auch nicht darum, dich in deiner Würde zu verletzen, jedoch ist das Beleidigen und Stören im Unterricht für uns nicht akzeptabel.« Die Englischlehrerin ergreift das Wort: »Ein guter Ansatz wäre vielleicht ein Entschuldigungsbrief. Wir schlagen vor, dass du einen solchen verfasst.« Jonah ist zunächst unsicher, da ihm das Schreiben nicht leichtfällt, doch als sich die Runde einigt, dass seine Eltern ihn dabei unterstützen, stimmt er zu. Weil durch Jonahs Stören Schaden angerichtet wurde, schlägt der Sportlehrer eine Wiedergutmachung vor: »Wie wäre es, wenn du mir eine Woche lang nach der Schule eine halbe Stunde hilfst, den Turnsaal aufzuräumen? Später kannst du gern auch anspruchsvollere Aufgaben übernehmen. Zum Beispiel könntest du mir die Woche darauf helfen, die Zeit der jüngeren Schüler zu stoppen. Wie klingt das?«
Jonah willigt ein. Dieser Vorschlag verletzt ihn nicht in seiner Würde, und er kann sogar als rechte Hand des Sportlehrers fungieren. Nach Vollendung seiner Wiedergutmachung wird die Lehrerin in der Klasse verkünden, dass Jonah alles wieder in Ordnung gebracht hat.
Tipps für Wiedergutmachungshandlungen
-Das Kind hat die Nachbarin geärgert und bringt ihr als Entschädigung Blumen.
-Das Kind hat in einem Wutanfall Schaden in der Wohnung angerichtet und wäscht nun für einen Monat einmal wöchentlich das Auto der Familie.
-Das Kind hat seinen Bruder geschlagen und übergibt ihm deshalb ein selbstgebasteltes Geschenk.
-Das Kind schreibt einen Entschuldigungsbrief oder hilft dabei, ein Essen für die ganze Familie zu kochen.
-Das Kind unterstützt die Eltern bei der Garten- und Hausarbeit.
-Das Kind spielt mit der kleinen Schwester oder hilft ihr beim Hausaufgabenmachen.
-Das Kind schreibt eine Geschichte oder entwickelt eine künstlerische Darbietung für zu Hause, einen besonderen Anlass oder die Schule.
-Das Kind fertigt eine Zeichnung für die Klasse an oder bringt Kuchen mit in die Schule.
-Das Kind engagiert sich für ein soziales Projekt in der Schule oder in der Familie.
Noch einmal zusammengefasst
Es gibt viele Möglichkeiten zur Wiedergutmachung in der Familie, in der Schule, in Betreuungseinrichtungen oder auch anderswo. Das Wichtigste an der Wiedergutmachung ist, dass es kein demütigender, sondern ein die Verbindung stärkender, beziehungsfördernder, den Selbstwert unterstützender Prozess ist. Wie wir auch in den Beispielen gesehen haben, sind die Kinder oft von sich aus nicht gleich bereit, ihr Verhalten wiedergutzumachen, da ihre Angst, gedemütigt zu werden und als Verlierer dazustehen, groß ist. Daher ist es sinnvoll, diesen Prozess durch die Eltern oder Lehrer anzustoßen, dabei intensiv mit den Kindern zusammenzuarbeiten und sie zu unterstützen. Die Unterstützer sollten geduldig und beharrlich bleiben und nie die Beziehung zu den Kindern aus den Augen verlieren. Die vorgestellten Beispiele haben gezeigt, wie den Kindern die Idee der Wiedergutmachung nähergebracht werden kann. So entwickeln sich Standfestigkeit, Stärke und Souveränität. Wiedergutmachung stärkt außerdem die Haltungen der Positivität, der Zugewandtheit, des Widerstands und der Beharrlichkeit. Sie ist elementar für starkes und positives Handeln zur Unterstützung der Entwicklung von Kindern.
Wenn Kinder den Prozess des Schadensausgleichs oder der Wiedergutmachung nicht gleich akzeptieren wollen, liegt es an den Erwachsenen, eine Wiedergutmachungsmaßnahme festzulegen. Diese sollte logisch sein und vom Netzwerk der Unterstützer befürwortet werden. Wer durch sein Verhalten andere schädigt, schädigt nicht nur den Einzelnen, sondern auch die Gemeinschaft. Wer Schaden anrichtet, sei es auch nur aus Unachtsamkeit, muss eine Entschädigung leisten. So lernt das Kind in einem konstruktiven Prozess, Lösungen für seine Fehler zu finden, und stärkt seine Fähigkeit zur Resilienz und Kreativität. Das abschließende Beispiel zeigt, dass es dabei ganz entscheidend ist, die Stärken und Leidenschaften des Kindes zu nutzen.
Der 13-jährige Dejan trifft in der Schulpause eine Mitschülerin mit einer Kastanie so hart am Kopf, dass diese einen blauen Fleck bekommt. Die Lehrerinnen sind empört und die Mutter verzweifelt. Dejan ist nicht zum ersten Mal aggressiv. Die Direktorin möchte Dejan vorsorglich für vier Tage suspendieren, dem wird allerdings von der obersten