TEXT + KRITIK 231 - Thomas Meinecke. Charlotte Jaekel

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу TEXT + KRITIK 231 - Thomas Meinecke - Charlotte Jaekel страница 7

TEXT + KRITIK 231 - Thomas Meinecke - Charlotte Jaekel TEXT + KRITIK

Скачать книгу

Kopulation, normal oder ›poetisch‹ vermittelt, sind verflucht altmodisch«.19 Thomas Meinecke nimmt das Thema in seinem zweiten Roman »Tomboy« (1998) auf. Es geht ihm dabei nicht um pornografische Prosa, worauf Fiedler anspielt, sondern fundamental um »Dekonstruktion geschlechtlicher Identität«.20 Amerika bleibt präsent in den Theoretikerinnen Donna Haraway oder Judith Butler sowie in der Figur der 24-jährigen »zwangsheterosexuellen« Vivian Atkinson, der Tochter einer deutschen Hippie-Mutter und eines in Heidelberg stationierten GI. Vivian arbeitet an einer Magisterarbeit über postfeministische Diskurse, dargestellt an Otto Weiningers Pamphlet »Geschlecht und Charakter«, in dem sich jüdischer Selbsthass mit misogynen Tiraden verbindet. Ihre Arbeit versteht Vivian rein interrogativ, sie stellt einen Wald voller Fragen, aus dem keine Antworten herausrufen. Zusammen mit ihren Freund*innen und einem Sample von theoretischen Erörterungen umkreist sie die fließenden Grenzen zwischen dem Männlichen und Weiblichen.

      Abermals entwirft er eine vielschichtige Textur, die Schnittstellen eröffnet zum Mythos des »Black Atlantic«, zum Underground-Techno, zum »white negro«, zur virulenten Verknüpfung von Antisemitismus und Antifeminismus bis hin zur Ambivalenz von Gedenken und Vergessen am Beispiel des Besuchs von Kohl und Reagan auf dem Bitburger Soldatenfriedhof. Die mündlich geprägte Form der Sprache in »Tomboy« hat hier einem komplexen schriftlichen Ausdruck Platz gemacht, mit dem die Erzählerfiguren miteinander kommunizieren. Dadurch wird alles Diskurs, unendlich verzweigt in einem virtuos unstrukturierten System von Theoremen, Konstrukten, Konzepten, Phänomenen und Gerüchten. »Hellblau« präsentiert sich als eine sich nach allen Seiten verzweigende rhizomatische (Hyper-)Textur, in deren Fülle an Referenzen unweigerlich die Gefahr des Verzettelns steckt. Doch wo die Inhalte auseinanderdriften, hält sie Meinecke mit seinem »Sound« formal zusammen, der in »Hellblau« auch thematisch einen breiten Raum einnimmt. Ins Zentrum des Diskurses rücken die Ikonen der amerikanischen Pop-Kultur, die jenseits des Mainstreams, also auch jenseits von Hollywood ihre Wirkung entfalten: Jazz, Rhythm & Blues, Ziegfeld Follies, Camp oder Chicago House und eben Mariah Carey.

      An diese Schnittstellen schließt Meineckes vierter Roman »Musik« (2004) an; er schreibt die kulturologische Textur unter einem neuen programmatischen Titelbegriff und aus neu justierter Perspektive fort. Das symbiotische Geschwisterpaar Kandis und Karol reflektiert die Grenzen normativer Konzepte von Männlichkeit und Weiblichkeit. Während Karol seinen Lebensunterhalt im vorwiegend weiblich kodierten Beruf eines Flight Attendant verdient, arbeitet Kandis an einem Roman, oder eher einer »Mitschrift« von Lebensgeschichten, die sich an ihrem Geburtsdatum kristallisieren. Nebst ihr (und dem Autor Meinecke) sind am 25. August auch Ludwig II., Lola Montez oder Claudia Schiffer zur Welt gekommen, sowie Nietzsche oder die schwarze R&B-Sängerin Aaliyah verstorben. Letztere verbindet Kandis mit Karol, der sich speziell für die fließenden Übergänge zwischen Jazz, R&B, Rap und Techno interessiert.

Скачать книгу