Knallharte Schale – zuckersüßer Kerl. Poppy J. Anderson
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Prolog Dupree
Schwarze Jungen, die in Alabama aufwachsen, fünf jüngere Geschwister haben und sich kaum an den Vater erinnern können, der mit einer Flasche Jack Daniels und der siebzehnjährigen Nachbarstochter auf dem Beifahrersitz abhaut, während die hochschwangere Ehefrau den Küchenboden putzt, haben nur eine Möglichkeit, diesem Elend zu entkommen.
Football.
Dupree Helwys Williams sollte mit Mitte zwanzig gefeierter Footballstar, berühmte Werbeikone und blutjunger Multimillionär werden, aber als Kind war er doppelt gestraft. Er kam nicht nur aus einem der ärmsten Viertel von Mobile und sah dank seiner abgetragenen Kleidung danach aus, sondern musste sich ständig den Spott über seinen Namen anhören. Sein Vater war begeisterter Blues-Fan gewesen und hatte seinen erstgeborenen Sohn nach Champion Jack Dupree, einem Blues-Sänger und Pianisten, nennen wollen. Duprees Mama als strenggläubige Baptistin hatte das gar nicht gefallen und so hatte sie ihrem Sohn den Zweitnamen Helwys gegeben – nach Thomas Helwys, dem Mitbegründer der Baptisten. Vermutlich hatte sie den Pfarrer gnädig stimmen wollen, um in einer der ersten Reihen sitzen zu können, während dieser jeden Sonntag über Sünden predigte und seine Gemeinde damit in Schach hielt. Wenige Jahre später saß Duprees Mama freiwillig in der letzten Reihe, schließlich war ihr Mann mit einer Minderjährigen verschwunden und hatte sie mit sechs Kindern im Stich gelassen. Die Blicke der anderen Gemeindemitglieder hatten sie davon abgehalten, die vorderen Kirchenbänke mit ihrem enormen Hinterteil zu beglücken.
Dass ihr Mann das junge Mädchen ebenfalls mit zwei Kindern versorgt hatte, bevor er sich aus dem Staub machte, war da kein Trost, denn die junge Frau zog mit Duprees Halbgeschwistern wieder bei ihren Eltern ein und war allgegenwärtig. Erst als der Prediger durchdrehte und in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen wurde, hatte die Gemeinde ein anderes Thema, über das sie tratschen konnte. Dupree war nicht anwesend gewesen, als der Pfarrer auf einer Beerdigung seine Kleidung von sich warf und sich für den Messias hielt, während die Witwe des Verstorbenen vor Schreck ohnmächtig wurde und auf den Sarg fiel, der dabei umkippte, was kein Wunder war, wenn man bedachte, dass die Witwe genau wie Duprees Mama ein halbes Pfund Butter in den Kartoffelstampf gab.
Die Geschichte dieser spektakulären Beerdigung hatte in ganz Mobile für hohe Wellen gesorgt. Dupree hatte das nicht verstehen können, weil er schon seit Monaten den Verdacht gehegt hatte, dass der Prediger mindestens eine Schraube locker hatte, schließlich hatte dieser begonnen, einen Co-Moderator in seine Predigten einzubauen. Dieser Co-Moderator war eine zwanzig Zentimeter große Handpuppe mit dem Namen Zioni, mit der der Pfarrer während des gesamten Gottesdienstes sprach. Zwar wurden die Bauchrednerqualitäten des Kirchenmannes immer besser, jedoch mutete es merkwürdig an, als nicht der Pfarrer, sondern die Handpuppe Zioni begann, Kinder zu taufen oder Eheschließungen vorzunehmen.
Während sich Duprees Mama darüber das Maul zerriss, ignorierte Dupree dies meistens, da er damit beschäftigt war, sich um seine Geschwister zu kümmern, das Haushaltsgeld durch diverse Jobs aufzubessern und Football zu spielen. Außerdem war er nicht der geschwätzige Typ, sondern zeichnete sich eher durch seine Schweigsamkeit aus.
Schon als Kleinkind hatte Dupree gemerkt, dass er einfacher durchs Leben kam, wenn er die Klappe und sich eher im Hintergrund hielt. Durch seine Statur, die bereits als Kindergartenkind einem Rammbock ähnelte, fiel er schon genug auf, daher hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, sich ansonsten aus allem herauszuhalten. Die anderen Kinder bekamen schnell spitz, dass er harmlos war, und hänselten ihn gnadenlos, lachten über sein bulliges Aussehen und gaben ihm abscheuliche Spitznamen. Sie hatten schließlich nichts von ihm zu befürchten. Wenn Dupree abends im Bett lag und darüber weinte, dass niemand im Schulbus neben ihm sitzen wollte, dass er zur Geburtstagsfeier eines Klassenkameraden nicht eingeladen wurde oder dass andere Schüler Witze über ihn rissen, erzählte seine Mama ihm eine Geschichte aus der Bibel und gab ihm zum Trost einen Erdnussbutterkeks. Das wiederum führte dazu, dass Dupree zusätzlich gehänselt wurde, weil er immer dicker wurde. Da er keine Freunde hatte, verbrachte er die meiste Zeit allein, fraß seinen Kummer in sich hinein und wünschte sich nichts mehr als einen besten Freund, der ihn verstand.
Irgendwann während Duprees Zeit auf der Junior High entdeckte ihn ein Sportlehrer in der Mittagspause, als Dupree allein auf dem Schulhof saß und in einem Buch blätterte. Da seine Mom kein Geld für Pay-TV hatte und den Fernsehsendern die Schuld an der Sittenlosigkeit und dem Verfall der Gesellschaft gab, verbrachte Dupree seine Zeit damit, in die Bibliothek zu gehen und jedes Buch zu lesen, das er in die Finger bekam. Während er Moby Dick las und hoffte, dass niemand das Buch bei ihm entdeckte, da dies ganz bestimmt Vergleiche zwischen ihm und dem Wal nach sich gezogen hätte, fiel plötzlich ein Schatten auf ihn.
„Mein Junge, wie heißt du?“
Duprees Herz hatte wie wild geschlagen, weil er befürchtete, für irgendein Vergehen belangt zu werden. Mit zittriger Stimme hatte er seinen Namen genannt und Coach Madison kennengelernt, der nicht glauben konnte, dass Dupree erst 12 Jahre alt war. Für sein Alter war er nicht nur extrem kräftig, sondern überragte die anderen Kinder um zwei Köpfe. Coach Madison ließ ihn noch am gleichen Tag an einem Probetraining seines Footballteams teilnehmen und ruhte nicht eher, bis er Duprees Mama davon überzeugen konnte, ihren Sohn spielen zu lassen.
Von da an wurde Dupree zwar nicht der beliebteste Schüler der Schule und er hatte auch nicht viele Freunde, aber wenigstens respektierte man ihn nun. Komischerweise hörten auch die offenen Hänseleien auf, dennoch bemerkte Dupree, dass er immer noch nicht dazugehörte. Im Team fühlte er sich wohl, doch sobald er und seine Teamkameraden das Spielfeld verließen, beachteten sie ihn nicht mehr, sondern verbrachten ihre Freizeit mit ihren richtigen Freunden.
Auf der Highschool setzte sich dies fort, was dazu führte, dass Dupree noch schweigsamer wurde. Auf dem Spielfeld tat er das, was von ihm verlangt wurde. Er rammte seine Gegner in den Boden und half dabei mit, Spiele für sein Team zu gewinnen. Dupree war ein Teamspieler und musste doch erkennen, dass sich die Verbundenheit der Teamkollegen nur auf das Spielfeld erstreckte, da er ansonsten geschnitten wurde. Niemanden konnte er seinen Freund nennen, weil er immer noch als ein Sonderling betrachtet wurde. Dabei wünschte sich Dupree nichts mehr, als dass jemand endlich hinter seinen bulligen Körper und seine riesenhafte Erscheinung sah, um ihn – einfach nur ihn selbst – zu erkennen.
Prolog Sarah
Sarah Marianne Matthews war der Meinung gewesen, einen netten und höflichen Mann vor sich zu haben, als sie Dupree Williams das erste Mal begegnete. Vielleicht mochte er aufgrund seiner Kleidung, der unorthodoxen Frisur und den blinkenden Zahnverblendungen einen anderen Eindruck auf die meisten Menschen ausüben, aber Sarah, die schon immer sehr unvoreingenommen gewesen war, bemerkte eine gewisse Unsicherheit in seinen Augen, die ihn irgendwie liebenswert erscheinen ließ. Selbst das Shirt mit der Aufschrift Keep calm and kill zombies und abgedruckten Totenköpfen konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der groß geratene Footballspieler mit den protzigen Goldkettchen um den Hals eigentlich ein liebenswerter Bursche war.
Das kurze Gespräch, das auf seine schüchterne Begrüßung folgte, ließ sie zu der Schlussfolgerung kommen, dass man trotz der Warnungen aus ihrer kleinen Heimatstadt in Florida nette Leute in New York treffen konnte, die weder Serienmörder noch Kannibalen oder Drogendealer waren. Seine Unbeholfenheit und das Erröten unter seiner dunklen Haut waren geradezu niedlich gewesen, so dass Sarah ihm aufmerksam zugehört hatte, als er davon sprach, dass er aus Alabama kam. Der Draht, den sie von Anfang an zu ihm gehabt hatte, war sogar schon ein wenig überraschend gewesen, weil Sarah immer etwas Zeit brauchte, um sich mit Männern unbefangen unterhalten zu können.
Aufgrund