Aufbrechen. Tsitsi Dangarembga

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Aufbrechen - Tsitsi Dangarembga

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die so hart, so allein arbeitete, deprimierte mich stets, aber schließlich beschloss ich, das Abendessen vorzubereiten, damit sie sich nach ihrer Heimkehr ausruhen konnte. Denn ich wusste, wenn es noch Arbeit gab, nachdem sie das Wässern beendet hatte, würde sie sich weiter abrackern.

      „Was ist los, Schwester Tambu?“ fragte Netsai und riss mich aus den Gedanken. Ich bewegte Rambanai auf meinen linken Schenkel und spürte, dass mein Knie eingeschlafen war.

      „Was ist los, Schwester Tambu?“ erkundigte sich Rambanai. Typisch Netsai, eine Frage zu stellen, die ich nicht beantworten konnte. Ich wollte meinen Schwestern nicht kaltblütig mitteilen, dass ich darüber nachgedacht hatte, wie wenig ich meinen Bruder mochte. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Da er unser Bruder war, hätten wir ihn mögen sollen, was es schwieriger machte, ihn nicht zu mögen. Da es mir trotzdem gelang, konnte ich meinen Bruder wohl überhaupt nicht leiden!

      „Es wird schon gut“, bemerkte ich, in dem Versuch, mich selbst zu überzeugen, „wenn Mukoma Nhamo nach Hause kommt.“

      „Wieso?“ Netsai war verwundert. „Was wird er tun?“

      „Was tun?“ kam das Echo von Rambanai, über das ich lachen und somit die Antwort vermeiden konnte. Ich setzte sie ab und ging zur dara, um das Emaillebecken mit Wasser zu füllen und die Töpfe und Teller zu holen, die ich zum Kochen brauchen würde. Die dara war deprimierend. Termiten hatten sich zielstrebig einen Weg durch das rechte Bein gekaut, so dass sie unverschämt schief stand. Ständig fielen Sachen herunter. Als sei das noch nicht genug, waren mehrere der Riemen aus Rinde, die die Bretter zusammenhielten, verfault. Die Bretter waren verschoben, große Löcher taten sich zwischen ihnen auf, so dass die Gegenstände, wenn sie nicht von der dara fielen, durch sie hindurchfielen.

      Sie muss repariert werden; ich muss sie reparieren, dachte ich, wie schon ein Dutzend mal zuvor, und versprach mir, dass ich mir die Zeit nehmen würde. Ich beugte mich hinab, um den ZehnGallonen-Kanister unter der dara hervorzuziehen. Ich hoffte inbrünstig, dass er noch ausreichend Wasser für die Nacht enthielt.

      Netsai sah mir zu. „Er ist voll“, sagte sie und lächelte. „Wir haben die Dosen benützt. Wir mussten nur dreimal zum Fluss gehen.“

      „Gehen Fluss“, stimmte Rambanai zu.

      „Du arbeitest gut“, sagte ich zu meiner Schwester, berührt von ihrer Fürsorge. Ihr hübsches kleines Gesicht strahlte von innen. Wir lächelten uns an, und Rambanai gluckste.

      Der covo war frisch und hatte große Blätter, die schnell gewaschen waren. Die Töpfe waren alle sauber, ein weiteres Zeichen für Netsais rücksichtsvolle Art. Es machte mir Spaß, das Essen zuzubereiten, wenn die schmutzigeren Arbeiten schon erledigt waren. Ich summte, während ich den covo stückchenweise in den Topf gab, und freute mich, als die Hühner die verstreuten Stücke aufpickten und so den Ort aufräumten, ohne selbst Gefahr zu laufen, gefangen und gekocht zu werden. Wie ich die ganze Prozedur hasste – um Netsais Hilfe zu bitten, dem Vogel die Flucht zu vereiteln, meine wachsende Verärgerung, wenn ich nach seinen Flügeln griff und nur Luft zu fassen bekam, bevor ich ihn schließlich erwischte, gackernd und schrill protestierend, bis er die Unvermeidlichkeit spürte und verstummte. Auch konnte ich den Geruch des Blutes nicht ertragen, der mich zu ersticken drohte, wenn kochendes Wasser über den kopflosen Vogel geschüttet wurde, damit seine Federn sich lösten. Das nächste Mal, dachte ich naiv, soll Nhamo ihn selbst fangen. Wenn er Huhn essen will, soll er es selbst fangen und töten. Ich werde es rupfen und kochen. Das schien mir eine faire Arbeitsteilung zu sein.

      Ich war naiv. Dass er Netsai wegen des Gepäcks verprügelte, hätte mir die Augen öffnen müssen. Nhamo war nicht darauf aus, fair zu sein. Vielleicht anderen Leuten gegenüber, aber sicherlich nicht seinen Schwestern gegenüber, seinen jüngeren Schwestern. Vielleicht ist es unfair von mir, ihn postum mit Vorwürfen zu überhäufen, wenn er sich nicht mehr verteidigen kann und ich genug gesehen habe, um zu wissen, dass Schuld nicht in sauber verpackten Päckchen vorkommt. Vielleicht stelle ich es so hin, als hätte Nhamo einfach beschlossen, ekelhaft zu sein und dies sehr gut beherrscht; tatsächlich tat er nichts anderes, als sich, vielleicht etwas extrem, so zu verhalten, wie es erwartet wurde. Die Bedürfnisse und Gefühle von Frauen wurden in meiner Familie nicht vorrangig beachtet, es gab sie offiziell nicht einmal. Deshalb war ich in dem Jahr, als Nhamo starb, noch in der dritten Klasse statt in der fünften, wie es meinem Alter entsprochen hätte. Damals empfand ich die Ungerechtigkeit meiner Lage jedes Mal, wenn ich darüber nachdachte, was ich oft tun musste, da Kinder ständig über ihr Alter reden. Dieser Ungerechtigkeit wegen fing ich an, meinen Bruder nicht leiden zu können, und nicht nur meinen Bruder: meinen Vater, meine Mutter – eigentlich alle.

      Zwei

      Mit sieben Jahren kam Nhamo in die Schule. Die Regierung hatte beschlossen, dass afrikanische Kinder dieses Alters geistig genügend entwickelt waren, um die Abstraktion von Zahlen und Buchstaben zu verstehen: 1 + 1 = 2; k-i-t-s-i = kitsi. Nhamo war einer der Jüngsten in seiner Klasse. Vielleicht glaubten andere Eltern wirklich, wir seien ein zurückgebliebener Haufen, und zogen es vor, die Fähigkeiten ihrer Kinder noch etwas reifen zu lassen, ehe sie der Strenge der Schulbildung ausgesetzt wurden. Und natürlich war es eine Frage der Schulgebühren. Was auch immer der Grund war, viele von uns kamen erst mit acht oder neun in die Schule, doch durch Babamukuru gab es in unserer Familie einen Präzedenzfall für frühe Einschulung; er hatte es zu einem Bachelortitel in Südafrika gebracht und wusste folglich sehr viel über Erziehung. „Sie sollten früh anfangen“, sagte Babamukuru meinem Vater, „solange ihr Verstand noch formbar ist.“ Unweigerlich kam Nhamo also mit sieben in die Schule, und ich, die ein Jahr jünger war, folgte im Jahr darauf.

      Nun fiel die Ernte aus irgendeinem Grund in dem Jahr meiner Einschulung trotz ausreichender Regenfälle sehr mager aus. Obwohl wir genug Mais geerntet hatten, um nicht zu verhungern, blieb nichts zum Verkauf übrig. Das bedeutete, dass es zu Hause kein Geld gab. Kein Geld bedeutete keine Schulgebühren. Keine Schulgebühren bedeutete keine Schule. Auch gab es keine Hoffnung, Geld zu beschaffen, denn Babamukuru hatte die Mission verlassen, um in England mehr über Erziehung zu lernen.

      Ich war erst fünf, als Babamukuru nach England ging. Folglich weiß ich nur noch, dass alle sehr aufgeregt und sehr beeindruckt von diesem Ereignis waren. Um herauszufinden, was damals wirklich passierte, und um die folgenden Ereignisse zu verstehen, habe ich viele Leute gebeten – Maiguru und Babamukuru, meinen Vater, meine Mutter, Nyasha und Chido –, mir zu erzählen, was ihnen im Gedächtnis geblieben war. Ich fand heraus, dass es, kaum verwunderlich, Diskussionen und Konflikte und Spannungen gegeben hatte, die ich als kleines Mädchen nicht wahrnehmen konnte.

      Babamukuru wollte die Mission nicht verlassen. Er wollte nicht noch einmal so weit von zu Hause fort, denn er hatte seine Mutter schon einmal verlassen, um nach Südafrika zu gehen, und er war noch nicht lange genug wieder daheim, um sicher zu sein, dass sie im Alter gut versorgt wäre. Auch hatte er jetzt selbst eine Familie. Obwohl die Missionare, die ihm ein Stipendium für das Studium in England besorgt hatten, auch Maiguru ein Stipendium anboten (so bestrebt waren sie, dieses intelligente, disziplinierte junge Paar in England ausbilden zu lassen, damit sie ihrem Volk nützlich sein konnten), blieb die Sorge um die Kinder. Die Diskussionen und Spannungen bei seiner Abreise hatten weniger mit seinem Weggehen zu tun als mit der Frage, was mit den Kindern geschehen sollte. Babamukuru schätzte die ihm gebotene Möglichkeit sehr; auch wäre eine Ablehnung einer Art Selbstmord gleichgekommen. Seine Undankbarkeit hätte die Missionare verärgert. Er wäre in Ungnade gefallen, und sie hätten an seiner Stelle einen anderen vielversprechenden Afrikaner unter ihre Fittiche genommen. Da er die notwendige Qualifikation nicht im eigenen Land erhalten konnte, blieb ihm keine andere Wahl, als sich für fünf Jahre zu entwurzeln, um danach eine Position einzunehmen, die es ihm im Laufe der Zeit ermöglichen würde, sich selbst und seine beiden Familien aus der Abhängigkeit von Umwelt und

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