Aufbrechen. Tsitsi Dangarembga

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Aufbrechen - Tsitsi Dangarembga

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Aber Babamukuru, der vor Augen hatte, wie schwierig das Leben zu Hause war, wollte nicht, dass seine Kinder die Not und das Elend seiner Kindheit erlebten. Auch wollte er seine Kinder bei sich haben, um so entscheidende Dinge wie ihre Erziehung und ihre Entwicklung selbst zu überwachen. Also wurden Chido und Nyasha nach England mitgenommen. Und mein Vater, dem fünf Jahre ohne einen Bruder, der für ihn sorgte, wie eine Ewigkeit vorkamen, tröstete sich mit der Aussicht, nach Babamukurus Rückkehr von dem dann höher Qualifizierten noch reichhaltiger versorgt zu werden als bisher. Meine Mutter war hoffnungsvoll. Sie dachte, mein Vater würde endlich Verantwortung übernehmen.

      Ich kann mich an ein Gespräch mit Nhamo über das Phänomen von Babamukurus Bildung erinnern. Nhamo war allein schon von der Bildungsmenge, die möglich war, beeindruckt. Er sagte mir, dass die Ausbildung, wegen der Babamukuru weggegangen sei, sehr wichtig gewesen sein müsse, sonst wäre er wegen ihr nicht so weit fortgezogen. „England“, sagte er gewichtig zu mir, „ist sehr weit weg. Viel weiter weg als Südafrika.“ Nhamo wusste damals vieles. Er wusste mehr als zum Zeitpunkt seines Todes. So wusste er zum Beispiel, dass er als Erwachsener wie Babamukuru viele akademische Grade anstreben und Schuldirektor wie Babamukuru werden würde. Er wusste, dass er seinen jüngeren Schwestern Bildung sichern oder zumindest sich um uns sorgen musste, wie Babamukuru es für seine eigenen Brüdern und Schwestern tat. Er wusste, dass er auf den Feldern und beim Vieh helfen und freundlich zu den Leuten sein musste. Aber vor allem wusste er, dass er hart arbeiten musste, um stets der Klassenbeste zu sein. Das tat er in den unteren Klassen eifrig. Einmal war er mit seiner Leistung besonders zufrieden, denn er hatte einen Mitschüler ganz knapp übertroffen. Nach all diesen Erfolgen wurde ihm mitgeteilt, er könne nicht weiter zur Schule gehen, weil das Geld für die Schulgebühren fehlte. Er weinte.

      Glücklicherweise war meine Mutter in jenem Jahr willensstark. Sie fing an, Eier zu kochen, die sie dann zum Busbahnhof trug und an durchreisende Passagiere verkaufte. (Das bedeutete, dass wir sie nicht essen konnten.) Sie bot auch Gemüse an – Rüben, Zwiebeln und Tomaten –, wozu sie ihren Garten erweiterte, um mehr anbauen und verkaufen zu können. Das Geschäft ging leidlich, gut an öffentlichen Feiertagen, wenn Reisende von weit entfernten Orten wie Salisbury, Fort Victoria, Mount Darwin und Wankie in Versuchung kamen, eine Kleinigkeit nach Hause mitzunehmen. So kratzte sie genug Geld zusammen, um meinen Bruder in der Schule zu halten. Ich sah ein, dass Gemüseverkaufen kein einträgliches Geschäft war. Ich sah ein, dass es nicht genug Geld für meine Schulgebühren gab. Ja, ich sah ein, dass ich nicht weiter zur Schule gehen könnte, obwohl ich sehr gern zur Schule ging und auch gut war. So wirkten sich die Umstände ungünstig auf mich aus.

      Mein Vater meinte, dies sollte mich nicht bekümmern. „Über so was macht man sich doch keine Sorgen! Ha-a-a, das ist nichts“, beruhigte er mich mit seiner ewigen Bereitschaft, die einfachste Lösung zu wählen. „Kannst du Bücher kochen und sie deinem Ehemann vorsetzen? Bleib zu Hause bei deiner Mutter. Lerne kochen und putzen. Pflanz Gemüse.“

      Es war seine Absicht, mich mit beruhigenden, vernünftigen Worten zu trösten, aber ich sah den Sinn darin nicht. So war es oft, wenn mein Vater etwas sagte, aber bislang hatte es keinen so konkreten Anlass gegeben, an seinen Theorien zu zweifeln. Diesmal hatte ich aber Beweise. Maiguru war gebildet; servierte sie denn Babamukuru Bücher zum Abendessen? Ich fand zu meiner unglücklichen Erleichterung heraus, dass mein Vater nicht vernünftig war.

      Ich beschwerte mich bei meiner Mutter. „Baba sagt, ich brauch keine Ausbildung“, sagte ich voller Verachtung zu ihr. „Er sagt, ich muss lernen, eine gute Ehefrau zu werden. Schau dir Maiguru an“, fuhr ich fort, meiner Grausamkeit nicht bewusst. „Sie ist eine bessere Ehefrau als du!“

      Meine Mutter war zu alt, um sich von meinem kindischen Unsinn beeindrucken zu lassen. Sie versuchte, einige meiner Vorwürfe zu entkräften, indem sie mir lang und breit erklärte, dass mein Vater recht habe, weil auch Maiguru kochen und putzen und Gemüse anbauen könne. „Eine erwachsene Frau zu sein, das ist eine große Last“, sagte sie. „Wie sollte es anders sein? Sind nicht wir es, die die Kinder gebären? Da kannst du nicht einfach entscheiden, heute möchte ich dies tun und morgen jenes und am übernächsten Tag möchte ich eine Ausbildung haben! Wenn Opfer gebracht werden müssen, bist du diejenige, die sie bringen muss. Und diese Sachen sind nicht einfach; du musst von jung auf, von sehr jung auf, anfangen, sie zu lernen. Je früher, desto besser, dann ist es später einfacher. Einfacher! Als ob es jemals einfach wäre. Und in unserer Zeit ist es am schlimmsten; einerseits das Elend, eine Schwarze zu sein, andererseits die Bürde, eine Frau zu sein. Aiwa! Was dir helfen wird, mein Kind, ist zu lernen, deine Bürde mit Ausdauer zu tragen.“

      Ich dachte mehrere Tage lang darüber nach, in deren Verlauf ich trotz meiner guten Noten an meiner Intelligenz zu zweifeln begann, denn wie in den Worten meines Vaters konnte ich auch in denen meiner Mutter keinen Sinn sehen. Meine Mutter behauptete, schwarz zu sein sei eine Bürde, weil man arm bleibe, aber Babamukuru war nicht arm. Meine Mutter behauptete, Frau zu sein sei eine Bürde, weil man Kinder gebären und sich um sie und den Ehemann kümmern müsse. Aber ich glaubte nicht daran. Maiguru wurde von Babamukuru gut versorgt, wohnte in einem großen Haus auf dem Missionsgelände, das ich nicht gesehen, von dem ich aber gerüchteweise gehört hatte, wie riesig und elegant es sei. Maiguru wurde in einem Auto herumchauffiert, sah gepflegt und frisch aus und war stets sauber. Sie war insgesamt eine andere Frau als meine Mutter. Es kam mir besser vor, wie Maiguru zu sein; nicht arm und nicht von der Bürde, eine Frau zu sein, erdrückt.

      „Ich werde wieder zur Schule gehen“, eröffnete ich meinen Eltern.

      Mein Vater nahm an, ich erwartete von ihm, dass er das Geld irgendwie, womöglich durch Arbeit, besorgte, und reagierte heftig. „Fängst du wieder mit dem Blödsinn an! Ich sehe es schon. Du weißt doch, dass dein Babamukuru noch einige Zeit weg sein wird!“

      „Ich werde mir die Gebühren selbst verdienen“, versicherte ich ihm und unterbreitete ihm meinen Plan, so wie ich ihn entworfen hatte. „Wenn du mir etwas Aussaat gibst, werde ich mein eigenes Feld beackern und selbst Mais anbauen. Nicht viel. Gerade genug, um die Gebühren zu bezahlen.“

      Mein Vater war sehr belustigt. Er ärgerte mich sehr mit seinem ständigen Lachen, mit seiner unangenehm erwachsenen Art. „Gerade genug, um die Gebühren zu bezahlen! Kannst du sie dir dabei vorstellen?“ gluckste er zu meiner Mutter hin. „So ein Sträuchlein, aber schon mit reifen Plänen! Kannst du deiner Tochter sagen, Ma’Shingayi, dass wir kein Geld haben. Wir haben kein Geld. Das ist alles.“

      Meine Mutter kannte mich natürlich besser. „Hat sie denn um Geld gebeten?“ gab sie zurück. „Hör deinem Kind richtig zu. Sie möchte nur etwas Aussaat. Die können wir ihr geben. Lass es sie versuchen. Lass sie selbst sehen, dass manche Sachen einfach nicht zu machen sind.“

      Mein Vater war einverstanden. Etwas Aussaat war kein großer Preis, mich ruhigzustellen. Ich begann mein Projekt am nächsten Tag, einem Dezembertag 1962. Im Januar darauf kam mein Bruder eine Klasse weiter. Ich arbeitete in der Hütte, auf den Feldern unserer Familie und auf meinem eigenen Stück Land. In diesen ersten Tagen meiner Gärtnerei murmelte ich Gebete voller Liebe und Ehrfurcht, die ich an meine Großmutter richtete. Meine Großmutter hatte unerbittlich das Land bebaut, ausgesät und reiche Ernten eingebracht, bis zu ihrem letzten, wortwörtlich letzten Augenblick. Als ich noch zu klein war, um irgendetwas anderes als ein Hindernis bei der Feldarbeit zu sein, verbrachte ich ergebnisreiche Stunden mit meiner Großmutter, arbeitete mit ihr zusammen auf dem Stückchen Land, das sie ihren Garten nannte. Wir zogen Seite an Seite mit der Hacke Furchen für die Maispflanzen, die jede von uns trug. Ich bestand dickköpfig darauf, mit ihr Schritt zu halten, so dass sie drei Stufen gleichzeitig bearbeitete, damit ich auf meinem einen mitkam. Indem sie meinen Arbeitseifer lobte, machte sie ihn für mich zu einem Wert.

      Sie gab mir auch Unterricht in Geschichte. In Geschichte, wie sie sich nicht in den Schulbüchern findet; Feldarbeit und dann eine Rast, der Anfang einer Geschichte, eine Pause. „Was passierte dann, Mbuya, was passierte?“ – „Noch etwas Arbeit,

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