Bereuen. Dong Xi

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Bereuen - Dong Xi

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als ob du selbst eine Bühne aufbauen und deine Nachbarn zur Theaterschau einladen willst.“

      „Warum hast du nicht die Matten deiner Familie für den Bühnenbau genommen?“

      „Sind denn die Hunde nicht von meiner Familie? Ich habe die Schauspieler ohne Entgelt zur Verfügung gestellt und am Abend werde ich ihnen noch extra Futter geben. Ich bin der große Verlierer, nicht du mit deinen Matten.“

      Bergfluss reckte ihren Kopf, warf einen Blick auf die Matten und musste unwillkürlich in ein Gelächter ausbrechen. Endlich legte sie ihre Wichtigtuerei ab, lachte mit allen zusammen und machte ihren Mund noch weiter auf als Onkel Zhao. Sie krümmte sich vor Lachen. In diesem Augenblick fuhr ihr Großbruder Tausendjahr Zhao gerade mit dem Fahrrad herbei auf dem Weg nach Hause und nahm wahr, wie seine Schwester ungezügelt lachte. Sein Gesicht verdunkelte sich. Mit einer Hand in die Hüfte gestemmt und mit der anderen auf die Stirne der Anwesenden drückend: „Ihr seid unverschämt! Wie vulgär das ist! Das muss verurteilt werden!“ Tausendjahr Zhao war der Schuldirektor der fünften Mittelschule und galt als ein bekannter aber unverheirateter junger Mann. Ohne daß er den Sinn der Gedichtzeile wie „Auf den Bergen schlängeln sich die silbernen Schlangen und auf den Steppen rasen die Wachselefanten“ klar erklären konnte, war er trotzdem der Schuldirektor geworden, wobei man nicht verneinen konnte, daß er von seiner „Arbeiterklasse“ nicht profitiert hätte.

      Seine anklagende und heimtückische Sprechweise sorgte bei allen Anwesenden für ein blasses Gesicht. Die Matten haltenden Hände zogen sich eine nach der anderen zurück, bis die Matten ohne Stütze krachend zu Boden fielen. Die beiden Hunde wurden dadurch für jedermann sichtbar.

      Da streckte Tausendjahr Zhao seine Hände aus und schrie laut: „Her mit einem Holzstock.“ Ich rannte flink ins Lager und holte einen Stab herbei. Tausendjahr riss ihn an sich und versetzte einen unbarmherzigen Hieb auf die Verbindung der Hunde. Sie jaulten schmerzlich auf und hinkten auf allen Vieren in Richtung der Landstraße. Ihre Schritte waren wie ein Wunder. Die vorwärts und rückwärts tretenden Beine schritten überraschend gut im gleichen Trab, als riefe ihnen jemand „eins-zwei, eins-zwei“ zu. Sie hetzten quer über die Straße und stießen dabei auf einen heranfahrenden Omnibus. Die Stoßstange verbog sich. Der Krach vom Fleisch gegen Eisen hallte lange wider. Die Fahrzeugreifen überrollten ihre Körper. Blut, als auch Darm und Magen wurden ausgedrückt. Aber ihre Hintern waren weiter in enger Verbindung geblieben. Die Hunde klebten wie zwei dünne untrennbare Pfannkuchen auf der Straßenfläche.

      Meine Augen vergossen unaufhaltbar Tränen, als wären sie durch Sandkörnchen gereizt. Mein Vater packte die toten Hunde in die Matten ein und schmiss sie vor die Tür des Lagers. Mittels eines Stabs hob Tausendjahr unter der Mithilfe von Hunderthaus die Hunde hoch und hing sie an Baumzweige vor der Tür. Der Stab befand sich ausgerechnet auf der Mitte der Verbindung. Die beiden Hunde hingen mit ihren Hintern gegen den Himmel und mit den Köpfen zur Erde, derart symmetrisch, als ob ein Hund sich im Spiegel spiegelte. Die zunächst auseinander gegangenen Zuschauer sammelten sich allmählich wieder. Tausendjahr, mit Finger auf die Hunde deutend: „Ihr sollt nicht glauben, es ginge hier bloß um die Frage der Hunde. Vielmehr handelt es sich hier darum, ob jemand hinter den Kulissen mit Absicht die Drähte zieht. Erotik in der Öffentlichkeit ist viel schlimmer als Pornobücher. Ihr seid alle anwesend gewesen. Ich hoffe, ihr könnt das klären und anzeigen.“

      Mein Vater drehte sich um und ging weg, womit in der Menschenmenge eine Lücke entstand, die aber durch meine Mutter ausgefüllt wurde, die gerade Feierabend machte. Meine Mutter hieß Lebensfroh Wu und kam aus gutem Haus. Sie beherrschte Kaligrafie, spielte ein Musikinstrument und war gut im Sticken. Sie war weit und breit bekannt, wobei selbstverständlich eher durch ihre persönliche Schönheit als durch ihre Kaligrafie und Stickerei. Nach der Gründung der Volksrepublik änderte sie fortwährend ihre Weltanschauung und bemühte sich, durch ihre beiden fleißigen Hände die Tiere im Zoo sorgfältig zu züchten. Tausendjahr starrte meine Mutter an: „Diejenigen, die heute die Hunde bei der Paarung beobachtet haben, müssen entweder eine eingehende Selbstprüfung ausführen oder einen entlarvenden Brief schreiben und ihn mir binnen drei Tage aushändigen.“

      Die Menschen verschwanden einer nach dem anderen. Onkel Zhao spuckte ein paar Mal auf den Boden, drehte sich um und ging auch. Letztendlich blieben vor Tausendjahr nur noch vier Schüler der Fünften Mittelschule zurück. Es waren Hunderthaus, Weiherchen, Helllicht Rong und ich. Tausendjahr betrachtete die allmählich scheidenden Rücken: „Um einen Tiger zu schlagen braucht man blutsverwandte Gebrüder, um aufs Schlachtfeld zu gehen, müssen es Lehrer und Schüler tun. Wenn man heute nichts schreibt, gibt es morgen keine Chance mehr. Meine Schüler, ihr schreibt das auf, egal ob die anderen das tun oder nicht. Ihr schreibt mit Niveau. Euer Niveau wird dann durch den Lautsprecher der Schule publik gemacht.“

      Ich muss hier ein paar Worte über das Lager sagen. Dies Lager war ein Nachlass von meinem Großvater. Er war ein Kapitalist. Vor der Gründung der Volkrepublik machte er eine Zeit lang Geschäfte mit westlicher Medizin. Im Jahr 1949 wurde die Stadt durch die neue Regierung übernommen. Er spendierte all seine Immobilien. Mit einem kaputten Lederkoffer eilte er mit Kind und Kegel zum Bahnhof und war bereit, in seine alte Heimat auf dem Lande umzuziehen. Wegen seiner aktiven Vermögensübergabe an die öffentlichen Anstalten schickte der damalige neue Oberbürgermeister zwei Sekretäre zum Bahnhof, um meinen Großvater zurückzuhalten und gab ihm zum Dank das Medikamentenlager meiner Familie fürs Wohnen zurück. Das war natürlich nicht für meine Familie allein. Wäre das umfangreiche Haus nur für eine Familie zum Wohnen gewesen, hätte das bedeutet, daß die beabsichtige Umerziehung gar nicht ausgeführt wurde. Auf diese Weise wäre er ein stinkender Kapitalist geblieben. Deshalb waren insgesamt drei Familien in das Lager eingezogen. Neben uns waren noch die Familien von Wärmespender Yu und von Onkel Zhao. Die Familie Yu führte in der Vergangenheit für uns die Buchhaltung und Wärmespender war unser Hausverwalter. Familie Zhao war unser Diener. Sie erledigte die körperliche Arbeit wie Karrenziehen oder Sacktragen. Ich war zu der Zeit noch nicht geboren. Solche Geschichten bekam ich später aus dem Mund der Erwachsenen zu hören. Als ich geboren wurde, war mein Großvater bereits beim König des Totenreiches. Ich wusste wenig von ihm. Gegebenheiten wie das schwarze Muttermal im Handteller meiner Schwester und die lockeren Haare an meinem Kopf konnte man trotz aller Mühe nicht ausschaben und geradebiegen. „Dem Restgesindel der Kapitalisten“ war gedanklich ein zehnstufiger Hoher Papierhut als Demütigungen aufgesetzt. Wer ihn auf den Kopf gesetzt bekam, dem war als Folge eine Halswirbelkrankheit zugefügt worden. Der hätte gar „Kanzler Buckliger Liu“ werden müssen, seinen Kopf nicht erheben und seine Augen nur auf eigene Zehen richten können. Ach Entschuldigung, ich bin vom Thema abgeschweift! Ich fahre nun fort mit meiner Erzählung über das Lager.

      Das Lager wurde durch rote Backsteinmauern für die drei Familien aufgeteilt. Jeder Teilbereich mit Schlafzimmer und Küche. Bloß die Toilette und das Dach teilten alle drei Haushalte gemeinsam. Die Toilette wurde hinter dem Lager mit fünf Hockhöhlen gebaut. Sie konnte gleichzeitig drei Männer und zwei Frauen aufnehmen. Das sogenannte gemeinsame Dach hieß zwar so, doch jede Wand, die vier Meter hoch gebaut wurde, war oben nicht zugemauert und man konnte darüber von jedem Zuhause aus erhobenen Hauptes die Dachsparren, Dachziegel und Dachgläser erblicken. Deshalb strömten die Stimmen aller Familien wie Dampf nach oben, kreuzten sich gemeinsam und steckten sich unterm Dach an.

      An jenem Abend waren auf unserem Speisetisch rote Süßkartoffeln, Moschuskürbis aufgestellt. Nachdem mein Vater etwas gegessen hatte, legte er die Stäbchen hin, griff zum Küchenbeil und ging nach draußen, um den Hunden das Fell abzuziehen, um das Fleisch in Sojasoße zu schmoren.

      Ich schrie laut: „Ich mag kein Hundefleisch!“ Mein Vater schwenkte das Messer. „Hast du denn Angst, das Fleisch in deinen Rachen gesteckt zu bekommen?“ Ich wischte meine Augenwinkel einmal ab. „Alles war deine Schuld! Unsere Hunde wären nicht tot, wenn du sie nicht mit den Matten eingesperrt hättest.“

      „Die wollten selber nicht weiterleben.

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