Bereuen. Dong Xi

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Bereuen - Dong Xi страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Bereuen - Dong Xi

Скачать книгу

sich alles erlauben darf! Hatten dein Pa und deine Ma neulich Zankereien?“

      Ich nickte.

      „Worüber haben sie gestritten?“

      „Mein Vater wollte was von meiner Mutter. Meine Mutter wollte ihm das nicht geben.“

      „Übrigens, kannst du deinen Vater mit linker Hand ein paar Schriftzeichen schreiben lassen?“

      „Soll er die gleichen Schriftzeichen aus dem Brief schreiben?“

      Er schüttelte den Kopf. Seine Blicke suchten eilig im Brief herum. „Sollen wir ihn lieber den Namen Bergfluss schreiben lassen?“ „Quatsch! Lass ihn folgendes schreiben: Sehnsucht nach dem Vaterland. Nur diese Schriftzeichen. Merk dir, er soll mit linker Hand schreiben. Sollte dir das gelingen, bekommst du eine rote Armbinde!“

      Ich nickte mit dem Kopf und gab ihm, was ich als Selbstkritik geschrieben habe. Er nahm es, warf einen Blick darauf und schimpfte: „Dummkopf! Ich wollte die Leute doch nur abschrecken. Wer ließ dich wirklich schreiben?“ Er knüllte meinen Artikel zusammen, warf ihn zu Boden und drehte sich weg, um zu gehen. Ich hob ihn wieder auf. Es war sehr schade. Ich hatte ihn so lebendig geschrieben, aber er hatte nur wenig Einblick genommen. Anfangs hatte er doch damit geprahlt, meine Aussagen durch den Lautsprecher der Schule vorzulesen.

      Ab jenem Tag verfolgten meine Blicke ständig die linke Hand meines Vaters. Seine linke Hand zeigte keinen Unterschied zu seiner rechten. Die Blutgefäße auf seinen Handrücken waren stark hervorstehend und auffällig, als wollten sie aus der Haut herausspringen. Oder wie jemand, der sich jede Zeit von seinem Ursprungsbetrieb versetzen lassen wollte. Bis auf den Daumen waren alle vier restlichen Finger mit feinen Härchen versehen. Die Falten auf dem Gelenke waren zu einem Knoten gerunzelt, ähnlich wie Baumknollen. Und die Fingernägel waren zwar lang gewachsen, es befand sich darin aber kein halbes Pünktchen von Schwarz. Jede Fingerspitze war gleichmäßig rund geformt. Am Handgelenk war ein roter Punkt sichtlich, der von einem Moskitostich stammte. Mit dieser Hand hielt mein Vater die Schüssel, kratzte sich an der rechten Achselhöhle, knöpfte sein Hemd auf. Das war die Hand, die in der linken Hosentasche steckte, die das Obst zum Abschälen nahm und den Boden der Teetasse trug. Alles in allem entlastete sie gewöhnlich die rechte Hand, leistete eine tolle Zusammenarbeit mit der Rechten und erledigte alle möglichen Dinge. Nur hatte sie nicht geschrieben.

      Infolge der Beobachtung seiner linken Hand veränderte sich überraschend auch die Verhaltensweise an meinem eigenen Körper. Ich fand heraus, daß ich mit meiner linken Hand den Löffel nahm, um Suppen zu essen. Der Riemen meiner Schulmappe wechselte unerklärlicherweise von der rechten zur linken Schulter. Ich drehte sogar mit der linken Hand den Wasserhahn und hielt mit links die Stäbchen. Gerade in denjenigen Tagen war ich ein „Linkshänder“ geworden, was bis heute nicht korrigiert worden ist, anscheinend so wie es folgerichtig war, daß nach dem Monatsanfang die Monatsmitte kommen musste. Mit einem Groschen in der Hand versuchte man Millionär werden zu wollen. Im Grunde war ich nicht zufrieden mit dem Leben als Linkshänder. Merkwürdigerweise fing ich an, auch mit meiner Linken zu schreiben. Als mein Vater das sah, riss er den Stift aus meiner Hand und schrie: „Wann bist du ein Linkshänder geworden?“ Ich nahm meinen Stift zurück und nahm ihn in meine rechte Hand. Während des Schreibens ging der Stift automatisch wieder in meine Linke. Auf dem Papier schrieb ich andauernd: „Sehnsucht nach dem Vaterland“, bis ich scheinbar in Wirklichkeit eine echte Sehnsucht empfand. Meinem Vater wurde schwindelig beim Zuschauen, als wäre er immer im Kreis gelaufen. Er nahm meinen Stift an sich und begann selber mit der linken Hand „Sehnsucht nach dem Vaterland“ zu schreiben. Er lächelte, nachdem er das fertig hatte. „Wie kann man deine linke Hand mit meiner vergleichen! Du bist dafür noch zu jung und ungeschickt.“ Ich schnitt das ab, was mein Vater mit linker Hand geschrieben hatte, „Sehnsucht nach dem Vaterland“ und steckte den Zettel in ein Kuvert, fand es nicht sicher genug und umhüllte es zur Sicherheit mit einer Plastikfolie. Erst so war mir ein Stein von Herz gefallen. Ich fügte das Kuvert in ein Buch, das ich dann in meiner Schultasche versteckte, die ich anschließend an die Wand hing und legte mich endlich flach ins Bett. Kaum war ich eingeschlafen, wurde ich durch das Schnarchen meines Vaters geweckt. Daraufhin erhob ich mich leise vom Bett, holte die Tasche von der Wand und legte diese unter mein Kopfkissen. Mein Hinterkopf spürte die Härte des Buches und konnte sogar den Platz des Zettels erfühlen. Nur auf diese Weise hörte ich, wie nach dem Gebrauch von Schlaftabletten, sehr schnell die Laute der anderen nicht mehr.

      Am folgenden Tag ging ich zum Büro von Tausendjahr, dessen Tür offen stand. Ich ging hinein und übergab ihm den Zettel. Seine Augen begannen sofort hell zu leuchten. Er nahm den Zettel mit einer Hand und mit der anderen griff er flink nach dem Brief in seiner Jackentasche. Er breitete den Brief auf dem Tisch aus. Das war der Brief des Gauners an Bergfluss. Mit einer Schere schnitt er den Zettel nur mit dem Schriftzeichen „Sehnsucht“ aus. In Wirklichkeit brauchte er nur das eine Schriftzeichen, das er jetzt mit dem im Brief verglich. Seine Blicke wanderten durch den Brief und blieben stehen, wo die Zeichen standen. Er starrte sie lange an, mal von links, mal von rechts und erhob den Kopf erst, nachdem er den ganzen Brief verglichen hatte. „Der Brief zeigt neunmal das Schriftzeichen ´Sehnsucht´, wovon vier ähnlich sind; schau her!“ Ich beugte mich vor und sah es mir genau an. Er fragte dann: „Sind sie ähnlich?“

      „Ein bisschen ähnlich, aber nicht sehr.“

      „Ich bin auch nicht sicher. Für die Beurteilung brauche ich einen Fachmann. In den folgenden Tagen musst du sehr aufmerksam sein. Gibt´s dann irgendwas Neues über deinen Vater, sage mir sofort Bescheid.“

      Mein Vater schnarchte vor Mitternacht viel. Oft stand er nach Mitternacht auf und trank kaltes abgekochtes Wasser aus der Kanne, die auf dem Tisch stand. Er gab dabei einen besonders hellen Laut von sich. Onkel Yu aus der Nachbarschaft zeigte mir öfters zwei Finger und sagte: „Dein Vater hat letzte Nacht wieder zwei Kannen geleert.“ Mein Vater trank deshalb so viel kaltes Wasser, weil er sich zu warm fühlte. Seiner Meinung nach fingen in der Nacht alle vitalen Organe an zu brennen, auch sei er gar nicht müde. Einmal mitten in der Nacht fächelte er sich Luft zu, ging im Haus auf und ab, klatschte ständig nach Moskitos auf seinem Arm und sprach laut: „Hört ihr, hört ihr, wie lästig das ist! Ob man so noch weiterleben kann!“

      Ich wurde dadurch aufgeweckt. Eine weibliche Stimme stöhnte leise, mit Unterbrechungen, mal hörte sie auf, mal stöhnte sie weiter, mal klang es vom Dach herab, mal außerhalb vom Fenster. Ich spitzte meine Ohren und überlegte lange, bis ich die Stimme der Tante Fang identifizierte. Sie schien schwer unter Schmerzen zu leiden und unterdrückte mit Mühe das Schreien. Aber langsam konnte sie sich nicht mehr beherrschen. „Ach ja, Ach ja“, stöhnte sie laut auf. Die Geräusche wurden immer heftiger und ihre Stimme erhob sich immer mehr. Mit dem lauteren Stöhnen fing ihr Bettbrett zu knarren an. Nach meinen Lebenserfahrungen muss ein Bett erst damit anfangen, wenn man sich vor Schmerzen unruhig hin und her wälzt. Mein Vater ging an das Bett meiner Mutter und klopfte zweimal. „Hör mal, hör mal das an!“ Meine Mutter gab keinen Laut von sich, sie schlief wie ein Stein. Mein Vater schlug sich auf den Schenkel und ging aus dem Haus.

      Meistens nach Mitternacht nahm mein Vater am Wasserteich vor dem Haus eine kalte Dusche. Er goss sich kühles Wasser über den Kopf, duschte sich lange, als wollte er das große Feuer im Körper löschen. Nach der Dusche saß er still auf der Betonbank. Anfangs saß er tatenlos herum, später hatte er gelernt, mit billigen Zigaretten die Zeit totzuschlagen. Er rauchte eine nach der anderen. So verbrachte er Stunde um Stunde und ließ keine Sekunde die Zigaretten ausgehen. Er sagte mir einmal, das Rauchen vertreibe zwar keine Sorgen, aber die lästigen Mücken. Onkel Yu musste jede Nacht unbedingt einmal urinieren, pünktlich wie unsere riesige Holzuhr an der Wand. Manchmal ging er zum Klo hinter dem Lager, aber ab und zu, um ein paar Schritte zu ersparen, pinkelte er unter den Baum vor dem Haus; ein Wasserlassen im Freien. Obwohl er die mit der Zigarette hell beleuchteten Finger meines Vaters sah, machte er nicht mal ein Zeichen

Скачать книгу