Bereuen. Dong Xi
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Die Augenlieder meiner Mutter sprangen auf, sie betrachtete mich. Ich drehte mich um und schlug weiter auf meinen Mund. „Dummkopf! Auch wenn du deinen Mund bis zum Anschwellen schlagen würdest, würde das Parfüm nicht am Mund hängen bleiben.“ Sie öffnete das Fläschchen, strich mit dem Finger über die Öffnung und gab mir ziemlich verschwenderisch eine große Menge an meinen Hals. Meine klatschende Hand hörte nicht auf. Wie einer, der seinem Vorgesetzten Honig um den Mund schmieren wollte, erhöhte ich das Tempo. Sie brach in Gelächter aus. Sie lachte sehr leise und sehr würdig. „Ma, man betrügt dich.“ Kaum war das ausgesprochen worden, drückte ich mit der Hand meinen Mund zu, in der Befürchtung, daß noch mehr Worte heraussickerten. Ihre Augen vergrößerten sich mäßig: „Wer hat mich betrogen?“ „Das war Pa.“ Warum hatte ich meinen Mund nicht zudecken können.
„Hatte Vater denn keine Nachtschicht?“ „Ich meine das nicht.“
„Wie kann er mich noch betrogen haben?“
„Ich sah, daß er mit Bergfluss schlief. Er verbat mir, davon etwas zu erzählen.“
Meine Mutter war bestürzt. Sie setzte sich langsam hin: „Das ist also passiert. Das habe ich erwartet, entweder heute oder morgen, wenn nicht mit Bergfluss Zhao, dann mit Zierapfel Fang. Das war todsicher.“ Sie drehte die Parfümflasche fest zu und legte sie in die Holzkiste zurück, als ob diese Nachricht für sie kein besonderer Schlag wäre. Als sie mit ihrer ausgestreckten Hand die kleine Knopfschlinge an der Kiste schloss, bemerkte ich, daß ihre Hand zitterte. Trotz mehrmaligem Versuch schaffte sie das nicht.
Im Geheimen hatte ich mir selber nicht wenige Ohrfeigen verpasst. Als ich die Schritte meines Vaters im Haus hörte, fing mein Körper unwillkürlich an zu zittern. Mein Ohr begann vorab zu schmerzen, aus Furcht, daß die beiden wegen Bergfluss in eine Schlägerei geraten und sogar Wasserkannen, Spiegel, Gläser zerschlagen würden. Ich hatte bereits wiederholt auf dem Boden Scherben gesehen. Aber nach einem kurzen Augenblick war der Holzboden wieder sauber gewesen und nichts mehr zu sehen. Das war wie eine Täuschung gewesen. Unsere Familie konnte den Status quo ante bewahren, essen wie normal, schlafen wie immer, das alles hing von der Selbstbeherrschung meiner Mutter ab. Trotz eines so bestürzenden Ereignisses änderte sie all ihre Gewohnheiten nicht, wie zum Beispiel Sauberkeit zu lieben, fein zu zerkauen und langsam zu schlucken. Nur als sie den Tisch abwischte, war ihre Hand sichtlich langsamer geworden. Ab und zu hielt sie ein Wasserglas in der Hand und stand wie betäubt da.
Ich hasste es, nicht an meinem Mund einen Reißverschluss befestigen zu können und bemühte mich insgeheim, nie mehr über meinen Vater zu sprechen. Aber ich sprach gern mit Hunderthaus über alles. Wie eine Maus das Restfutter vom Vorabend nicht liegen ließ, konnte ein Trunkenbold eine halbe Flasche nicht aufbewahren. Hunderthaus war um zwei Jahre älter als ich. Sein Gesicht war wie durch ein Messer ausgeschnitten, mit Ecken und Kanten, sah noch standhafter aus als Revolutionäre, die trotz Folterbank und Chiliwasser kein Geständnis ablegen wollten. Nachdem ich ihm das erzählt hatte, bekam ich etwas Angst im Nachhinein. Ich ließ ihn schwören, niemandem davon weiter zu sagen. Er hob als Garantie seine Hand zum Schwur. „Soll ich das verraten, möge mein Mund verderben.“ Einige ruhige Tage waren verstrichen, bis er sich nicht mehr beherrschen konnte und offenbarte das seinen Eltern. Sein Vater schimpfte: „Halt das Maul! Gott sei Dank, daß das unsere Familie nichts angeht!“
Der Verrat von Hunderthaus war wie ein Schlag auf meinen Kopf. Ich biss meine Zähne zusammen und sagte es seitdem keinem mehr weiter, weder zu Hellhübsch Chen, noch zu Zierapfel Fang, obwohl sie sehr gerne meiner Erzählung zuhören würden. Eines Tages kam Tausendjahr zurück, klopfte auf meinen Kopf und lachte: „Den Liebesbrief hat nicht dein Vater geschrieben. Ich habe das bereits fachlich begutachten lassen.“
„Sie schlafen übrigens schon lange zusammen, was soll da noch ein Liebesbrief bedeuten.“
„Was sagst du da? Sage das noch einmal.“
Tausendjahr hielt mich fest. Ich befreite mich aus seinen Händen und lief zur Straße. Während des Laufens schlug ich mir selber auf meinen Mund, fester und genauer denn je.
8
Dreimal hatte ich über den Skandal meines Vaters gesprochen. Die ersten zwei Male hatten keine Folgen. Deshalb betete ich insgeheim zum Himmel. „Lassen wir Tausendjahr für alle Fälle in Ruhe. Veranlassen wir ihn nicht zu einem Streit mit meinem Vater.“ Im Lagerhaus herrschte tatsächlich ein echter Frieden, bis auf die Tatsache, daß sich Onkel Zhaos Husten verschlimmerte. Musste man essen, aß man, sollte man schlafen, schlief man. Man ging nach wie vor zur Arbeit. Alles war wie immer.
Mittwochvormittag hielt mich meine Mutter an und sagte mir: „Guang-xian, geh heute nicht zur Schule. Begleite mich in die Fabrik deines Vaters.“
„Um zu sehen, wie er Überstunden macht?“
„Er kommt seit drei Tagen nicht mehr nach Hause. Findest du das nicht ungewöhnlich?“
Ich folgte meiner Mutter in die Werkstatt der Lautsprecherfabrik. Die Arbeiter fragten uns, warum wir erst jetzt kämen. Vor zwei Tagen war Lang-wind durch Rotgardisten abgeführt worden. Sofort schlug ich mir auf den Mund. Die Blicke meiner Mutter stachen wie Eisennägel in mein Fleisch und hielten mich für ein paar Sekunden fest: „Das musste die Tat von Tausendjahr gewesen sein. Hast du ihm schon etwas erzählt?“ Ihre Blicke erschreckten mich dermaßen, daß ich mich umdrehte, um weg zu laufen. Meine Mutter verfolgte mich. Nach den schweren Schritten hinter mir zu urteilen, merkte ich, wie verärgert meine Mutter war. Das war kein normales Ärgernis. Ich lief über den Sportplatz, ihr Schatten vor mir wurde immer länger und drohte mich jeden Augenblick zu überholen. Ich drehte schnell ab und versteckte mich in der Männertoilette nebenan. Ich vernahm, daß meine Mutter außer Atmen war. Sie schrie: „Zeng Guang-xian, komm da raus!“
Nach einer Pause ließ sich die Stimme meiner Mutter wieder hören: „Weißt du, welche Folgen das haben kann? Wahrscheinlich wird unsere ganze Familie verurteilt werden. Deine Mutter kann dadurch verwitwet werden. Du bist ein Scheißkerl! Was hast du denn sonst noch wem alles erzählen können? Warum hast du das gerade Tausendjahr erzählt? Glaubst du, deiner Familie wird jetzt eine Verdiensturkunde erteilt werden? Heraus mit dir! Warte ab, ich zerreiße dir das Maul!“
Das hatte mich tief ins Herz getroffen und ich brach in Weinen aus. Meine Stimme schluchzte schmerzlich und ich kam zur Erkenntnis, daß mein plappernder Mund zerrissen werden musste. Anders wäre mein Selbsthass im Herzen nicht zu besänftigen. Und das könnte weitere Probleme mit sich bringen. Draußen hatten die Menschen einen Kreis gebildet. Vor ihnen stand meine Mutter. Ich verließ die Toilette. Mit einem sachten Kneifen an meinen Lippen umarmte sie mich. Ihre Tränen rollten über die Wangen und bedeckten fast ihr ganzes Gesicht. Eigentlich sollte sie sich das Gesicht abwischen. Das hat sie nicht getan, da ihre Arme mich umarmten. Sie hielt mich so fest, daß ich kaum atmen konnte. Je fester sie mich drückte, desto dringender wollte ich meinen Mund zerreißen. Ich war schon kurz davor, es