Bereuen. Dong Xi

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Bereuen - Dong Xi

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Zhao murmelte: „Welche Sünde!“ und strich die Medizin auf die Wunden. Nun sah ich deutlich, daß da unten die Stelle meines Vaters extrem stark geschwollen war. Die glänzende Oberfläche spiegelte den Medizinbecher und die wackelnde Hand Onkel Zhaos wider. Ohne es mit eigenen Augen gesehen zu haben, hätte ich mir nie vorstellen können, wie hässlich so eine Stelle aussah. Sie hatte ihre Ursprungsform verloren, sah jetzt rund aus, so rund wie eine Bleikugel, aber dann wieder nicht, denn sie wurde weich und schwoll ab infolge der Medizin aufstreichenden Hand Onkel Zhaos, bloß nicht in der Länge. Mir wurde eiskalt und ich zitterte schaudernd am ganzen Körper und knirschte ununterbrochen mit meinen Zähnen, als ob ich versuchte, alle meine zu Tausendjahr ausgesprochenen Worte zurücknehmen zu wollen.

      „Guang-xian, Pa befindet sich nur noch in den letzten Zügen und kann wahrscheinlich nicht mehr länger leben. Ich bin schuldig vor euch, ich habe eure Ehre besudelt. Pa kann dir nichts hinterlassen als nur ein paar Worte..., in Zukunft darfst du alles tun, nur das nicht, was dein Pa getan hat. Zehn Jahre lang habe ich es ausgehalten, ohne zu wissen, daß ich es zum Schluss doch nicht schaffen würde. Guang-xian, hast du dir meine Worte gemerkt?“

      „Ja!“

      Onkel Zhao fing an laut zu weinen: „Jungherr, mach dir keine Sorgen. Diese Medizin ist ein Rezept von deinem Großvater, die beste Medizin gegen Verletzungen. In wenigen Tagen wirst du geheilt sein. Ich wusste, daß mein Bastard grausam ist, aber daß er so brutal ist, habe ich nicht gewusst!“

      Mein Vater tat so, als hätte er alles gesagt, was er sagen wollte. Er schloss nun den Mund fest zu. Wäre mein Mund so fest zugemacht gewesen, hätte ich uns nicht diese Probleme bereitet. Ich biss meine Zähne zusammen und nahm mir insgeheim vor: In Zukunft werde ich nie mit einer Frau schlafen, auch wenn man mich mit einem Gewehr dazu zwingt. Lieber möchte ich sterben. Das schreckliche Beispiel mit meinem Vater ließ mich gründlich verstehen, wieviel Schmerzen man in dem Fall ertragen muss, indem man mit einer Frau ins Bett geht, die keine Ehefrau ist. Im schlimmsten Fall kann man nicht mehr pinkeln. Was nutzt es einem Menschen, Kommandeur zu sein, wenn er nicht mehr urinieren kann? Auf diese Weise habe ich einige Tage philosophiert. Meine Überlegungen, wie oben erwähnt, wurden mehr und mehr unverbrüchlich, so hart wie Stahlbeton.

      Nach diesem Ereignis erlitt meine Mutter eine schwere Blinddarmentzündung. Sie lag im Bett des Krankenhauses und genoss die Vorteile wie diejenigen, die große Leistungen überstanden hatten. Eines Tages fütterte ich sie zum Abendessen. Eigentlich konnte sie auch selber essen. Ich wollte damit meine Fürsorge zum Ausdruck bringen. Nach einigen Bissen sagte sie: „Guang-xian, diese Welt ist ein Chaos. Ich bin völlig verärgert. Ich habe keine Lust mehr zu leben.“ Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, drückte sie sich den Mund zu, sah mich mit einer gewissen Ernsthaftigkeit an und meinte: „Du wirst das aber nicht weitererzählen, was deine Mutter eben gesagt hat?“

      „Nein. Im schlimmsten Fall werde ich das höchstens Papa erzählen und wenn er das erfährt, wird er nicht zulassen, daß du nicht mehr leben willst.“

      Sie machte einen bösen Gesichtsausdruck und hob plötzlich ihre Stimme: „Wovor ich mich fürchte, ist dein Dreckmaul. Weißt du, manche Sachen kann man nicht mehr zurücknehmen, sobald man diese weiter gesagt hat. Und auch kann man nicht dann sterben, wenn man sterben will.“ Sie schob die Decke weg, stand vom Bett auf und wollte mich hinausbegleiten. Dabei sah es gar nicht danach aus, das sie eine Blinddarmentzündung hatte.

      Ich folgte ihr in die 6. Gasse der Drei-Bindungen-Straße. Wir gingen durch ein schattiges, feuchtes Tor hinein. Es war bereits ganz dunkel geworden und im Haus brannte kein Licht. Meine Mutter rief: „Tante Neun.“ Ein Licht flammte auf und erleuchtete unsere Augen. Die Gestalt einer alten Frau kam allmählich näher und wurde langsam deutlicher.

      „Fräulein Wu, du bist schon lange nicht mehr zu uns gekommen.“

      „Hilf mir Guang-xian aus meiner Familie, den Mund zu verschließen. Sein Mund hat in der letzten Zeit meiner Familie nicht wenige Katastrophen gebracht!“

      Meine Mutter nahm einen Geldschein aus der Tasche, den die Tante Neun annahm. Das Haus war wieder dunkel geworden. Ein Streichholz zündete ein Häufchen Papier an. Ich erhielt drei Stücke Weihrauchstäbchen von Tante Neun in die Hand gedrückt und machte dreimal Kotau. Die Tante Neun befahl: „Schließe deine Augen!“ Ich machte meine Augen zu. Sie legte ihre Hand, deren Haut älter war als Baumrinde, auf meinen Scheitel. Ihre Hand rutschte über meine Stirn, meine Augen, meine Nase und landete schwer auf meinen Mund. Überall dort, wo ihre Hand drüber strich, war ein Gefühl, als würde man von einem Messer geschnitten.

      „Guang-xian, nach diesem Mundverschluss sagst du nichts mehr unüberlegt!“

      Ich nickte mit meinem Kopf. Sie klebte mit einem Stück Papier meinen Mund zu. Es war ein kleines rotes, zwei Finger breites Stück Papier, das auf meinen Mund vertikal geklebt wurde, die eine Hälfte an meiner Oberlippe, die andere an der Unterlippe. Tante Neun erklärte mir, die Wirkung würde sich mindestens nach einer halben Stunde zeigen. Um schnell nach Haus zu kommen, fuhr ich, mit dem roten Papier auf dem Mund, zusammen mit meiner Mutter mit dem öffentlichen Bus. Viele Passagiere drehten sich nach mir um. Ich bekam daraufhin ein rotes Gesicht, noch röter als das Papier. Auf dem Heimweg fiel das Papier zweimal herunter. Ich las das zweimal auf, nässte es mit Mundspeichel und klebte es zurück auf meinen Mund. Ich betrachtete das Papier wie eine Verdiensturkunde, die speziell meinen fleißigen Mund auszeichnete.

      Dass Bergfluss immer seltener nach Hause kam, war auffällig. Wenn sie aber heimkam, lief sie an meinem Vater vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. In dem Moment konnten die Lippen meines Vaters gewöhnlich nicht aufhören zu zittern, ähnlich wie Heuschrecken, die ihre Flügel schwangen. Ich wollte dazu etwas sagen, nahm es mir aber nicht heraus, denn aus Furcht, das hinter mir jemand zuhörte, hielt ich meine Zunge im Zaum. Bergfluss richtete ihren Kopf nach oben und blickte absichtlich gegen den Himmel. Ihr Hintern wackelte wie eine Schaukel. So ging sie in großen Schritten vorbei, als kenne sie meinen Vater nicht.

      Onkel Zhao fürchtete, daß sich die beiden nicht aushalten könnten und fand schnell für Bergfluss einen ein Meter achtzig großen Lokomotivführer als Partner. Mit dem Tempo, in dem man das Neue China aufbaute, arrangierte er für sie die Hochzeit. Eines Sonntags hielt ein LKW, geschmückt mit vielen bunten Fahnen, vor unserem Lagerhaus. Einige uniformierte Eisenbahner, unter ihnen der dicke „Klumpen“ namens Dong, sprangen aus dem Wagen, luden Bergfluss und fünf Munitionskasten auf und fuhren weg. Die farbigen Fahnen flatterten lebhaft im Wind und aus dem Lautsprecher am Wagenkopf schallte heraus: „Die Kulturrevolution ist wirklich gut! Ist wirklich gut, wirklich gut, wirklich gut!“ Alle standen vor dem Hauseingang, bis auf meinen Vater und Tausendjahr, und schauten dem sich entfernenden Fahrzeug nach. Der Wagen bog in die Straße ab und verschwand unter dem Gesang von Revolutionsliedern. Wir standen noch lange da, unter dem Eindruck der vom Lautsprecher zurückgelassen Lieder.

      Später erzählte mir mein Vater offen, daß er sich zur gleichen Zeit an der nächsten Straßenkreuzung befunden hätte, als der bunte Wagen vor seinen Augen vorbeiraste. Bergfluss stand am vordersten Platz, sich mit beiden Händen an der Lehne festhaltend. Ihre Haare waren vom Wind zerzaust, wie ein zerrissener Lumpen. In ihrem Gesicht war keine Traurigkeit, kein Bedauern zu sehen, und es war unvorstellbar, sogar mit etwas Fröhlichkeit. Ihr war keinesfalls aufgefallen, daß mein Vater zum Abschied dort stand. Er verfolgte den Wagen, lief an dem großen Warenhaus, dem SonnenAufgang-Hotel vorbei, bis er nicht mehr mithalten konnte. Er blieb stehen und weinte. Er sagte mir hinterher, er habe den ganzen Nachmittag geweint.

      Ich glaubte im Prinzip seinen Worten, weil er an jenem Nachmittag erst sehr spät nach Hause kam und gerötete Augen hatte. Man konnte Blutfaden in seinen Augen sehen. Er starrte am Esstisch eine Weile ins Leere und ergriff erst dann die von meiner Mutter zurückgelassene Reisschüssel. Er nahm einen Mundvoll, machte Pause, erst lange

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