Bereuen. Dong Xi
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Nachdem meine Mutter am folgenden Mittag meine Schwester Blümchen verabschiedet hatte, nahm sie ein Stück Fleisch vom Zoo, um den Tiger mit dem Namen Orchidee zu füttern. Es befand sich am Rücken des Käfigs eine Tür, hinter der Tür war der Bereich von Orchidee. Es gab dort Bäume, künstliche Grottenanlagen, umgeben von hohen Zementmauern. Meine Mutter ließ Orchidee durch die Hintertür herein, schmiss ihm das Fleisch aber nicht hin, stattdessen opferte sie sich selbst für den Tiger. Auf diese Weise wurde ein Teil des Körpers meiner Mutter vom Tiger gefressen. Der unter Gefahr geborgene schwer verletzte Körper wurde dann sofort mit einem vom Betrieb gekauften weißen Tuch eingewickelt. Um das Tuch herum standen geschockt ihre Arbeitskollegen und Direktor He. Das Bild meiner Mutter mit ihrem geröteten Gesicht ging mir durch den Kopf, ein Bild, wie ich es in Erinnerung hatte, wie sie, völlig verstaubt das Foto aus den Steinen ausgrub. Und letztendlich nahm sie ihrem Leben ein Ende, das war meine feste Überzeugung, aus unüberwindbarer Scham. Daß sie gestorben war, wusste mein Vater nicht, er wusste auch nicht, daß Blümchen nirgendwo zu finden war. Jetzt befiel mich Angst, und ich fand jetzt erst heraus, in so einer großen Stadt keinen Verwandten zu haben, auf den ich mich verlassen konnte. Nicht nur in dieser großen Stadt, sondern auch auf dieser großen Erde, auf der ich keinen Vertrauten besaß.
Abends saß ich verlassen vor der Tür des ruinierten Lagers. Kalter Wind wehte um meine Nase und Ohren. Die Gerüche der Ziegel und des Zementes zogen vom Eingang zu mir herüber, sehr stark und sehr schwer. Allmählich verzogen sich diese neuen Gerüche. Stattdessen drängten sich die alten auf. Das war der Uringeruch Onkel Yus, sein Tabakgeruch, der Schweißgeruch meines Vaters und dazu das Parfüm meiner Mutter. Sie glichen Wasser, das in meine Nase eindrang. Ich bekam einen Hustenanfall. Nach Mitternacht ruhte die Straße, und in dieser Stille erinnerte ich mich an meinen Vater. Das gefiel mir nicht. Ich erinnerte mich an sein Fehlverhalten, in der Hoffnung, daß alles nur eingebildet gewesen wäre. Das lag mir auf dem Herzen, wie ein Eisenstück, dessen Gewicht mich schwer belastete. Auf eine schlimmere Weise sogar sagte mir ein verschwommenes Gefühl, irgendwie einen schrecklichen Schicksalsschlag erlitten zu haben und daß das Leben voller Lügen ist.
Am Tag darauf suchte ich Tausendjahr Zhao auf, um mich nach meinem Vater zu erkundigen. Tausendjahr antwortete: „Dein Vater ist im Augenblick sehr gefragt. Sogar ich selber weiß nicht, wo er ist. Diejenigen, die Ausbeuter verurteilen, suchen ihn; diejenigen, die Schurken verurteilen, suchen ihn, und diejenigen wollen die verurteilen, die keine Spur von Reue zeigen. Es sieht so aus, daß jedes Beispiel seines Verhaltens als ein lebendiger Lehrstoff genutzt werden kann. Gehe ihn suchen bei jenen großen Verurteilungsversammlungen, nicht allein bei unserer Fraktion, sondern auch bei den anderen Fraktionen, denen manchmal Verurteilungsobjekte fehlen. Sie könnten deinen Vater von uns ausgeliehen haben.“
Überall auf den Straßen wimmelte es von Menschen, die Einkäufe zum Jahresfest erledigten. Das Neujahr stand unmittelbar bevor. Aber ich verschränkte nur meine Arme und wanderte von einer Straße zur anderen, von einer Schule zur anderen, von einer Versammlung zur anderen. In der Drei-Bindungen-Straße sah ich, wie junge Rotgardisten einem Alten mit schneeweißen Haaren die Arme verrenkten. Es hatte den Anschein, als ob die Hände vom Rücken auswuchsen. Auf dem Schulsportplatz in der Pro-GewaltStraße erblickte ich einen an Händen und Hals gefesselten Mann im mittleren Alter, dessen Brille zerschlagen wurde. Die Glassplitter stachen ihm in die Augen. Blut quoll aus den Wunden. In der Gasse der Eisen-Pferd-Straße konnte ich feststellen, daß durch die jungen Kämpfer einer Schar schlechter Elemente die Kleidung abgerissen wurde, die mit allen vier Gliedern gegen den Himmel gerichtet, auf eiskalten Steinplatten lagen. Ich bekam so viele Szenen zu sehen, die ich mir so nicht vorstellen konnte. Meinen Vater konnte ich allerdings nirgendwo finden. Es fing bald zu schneien an und ich konnte meinen Vater noch immer nicht zu Gesicht bekommen. Habe ich ihn vielleicht an irgendeinem Ort verpasst? Oder war er wahrscheinlich schon gestorben? Der Gedanke war mir sehr unangenehm. In der Nacht schlief ich in der Dachstube des Lagers, tags saß ich vor dem Eingang des Hauses. Onkel Zhao lud mich in sein neues Zuhause ein, was ich ablehnte. Auch Onkel Yu wollte mich einladen, dort war ich ebenfalls nicht hingegangen. Ich erklärte ihnen: „Ich warte hier, bis mein Vater zurückkommt.“ Ich hoffte, daß er am Neujahrstag zurückkommen würde. Sollte er dann nicht wieder da sein, konnte er nirgendwo hingegangen sein. Er wäre wohl gestorben.
Tag für Tag, es wurde immer kälter, wartete ich auf Silvester. Es roch überall nach geschmorten Schweineknochen. Es begann zu schneien. Nicht einmal ein halber Tag war vergangen, bis Hausdächer und Straßen mit dickem Schnee bedeckt waren. Selten waren Passanten zu sehen. Fahrzeuge rutschten. Der Schnee drückte die Baumzweige langsam in die Tiefe. Ein halber Mensch kroch wie ein Hund auf der Straße und hinterließ zwei tiefe Spuren. Ich schrie laut: „Pa!“ und lief auf ihn zu. Er tat so, als hätte er nichts gehört und kroch mit gesenktem Kopf weiter. Ich fiel auf die Knie, um ihm aufzuhelfen. Er schob mich weg: „Lass mich! Du Bastard!“ Ich erschrak. Die Hälfte seiner Haare war weg; eine sogenannte „YinYang-Frisur“. Sein Gesicht war mit Blutkrusten bedeckt, an seinem Bart hingen einzelne Schneekristalle. An seinen Händen und beiden Knien formten sich Schneehaufen, wie vier aus Baumwolle angefertigte Stützen. Er kroch in Richtung Lagerhaus. Sein rechtes Bein wurde die ganze Zeit schlaff und bewegungslos hinterher gezogen. Gerade wegen des gebrochenen Beines war er zum Kriechen gezwungen. Ich schaute zurück, die beiden Spuren, lang und tief, schlängelten sich von seinem Unterleib bis zur Straßenbiegung. Sie waren auffälliger als Wagenspuren. Es schien, sein Körper wäre schwerer als ein Lkw.
Ich hockte mich wiederholt hin, um ihm zu helfen. Er schob mich mit noch mehr Kraft weg und brüllte mich an: „Fass mich nicht an, fass mich mein ganzes Leben nicht mehr an! Ich habe immer gedacht, jemand anderer hätte mich gemeldet und ich kann nicht glauben, daß du das getan hast! Du hast Tausendjahr sogar verraten, ich hätte dir Masturbation beigebracht. Bist du eigentlich sein Sohn oder mein Sohn? Hau ab, je weiter, desto besser! Komm nie mehr in meine Sichtweite.“ Mein Vater schimpfte und setzte sein Kriechen fort. Er konnte nicht wissen, noch zwanzig Meter, und er würde sehen, daß sein Zuhause für immer verschwunden war. Es waren drin nur heruntergerissene Ziegelsteine. Schlimmer noch, er wusste nicht, daß Blümchen verschollen und meine Mutter gestorben war. Er stellte sich vor, daß sein Bett, seine Kanne für gekochtes Wasser und sein Zuhause alles noch dort existierten. Ich wollte ihm das alles sagen, schlug mir wie gewöhnlich auf den Mund und schluckte die Worte wieder herunter. Bei dem Anblick, wie er Schritt für Schritt zum Lager kroch, konnte ich mich nicht beherrschen, in Schreie auszubrechen. Ich schrie und stieß meinen Kopf gegen den Schneeboden, schnell und kräftig, ich wollte in dem Augenblick lieber sterben, wenn ich nur könnte!
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Entschuldigung, ich benehme mich ungehörig. Wenn ich dies alles erzähle, kann ich mich nicht beherrschen. Warum weinst du auch. Hier sind Taschentücher zum Abwischen. Du weinst, das heißt, du hast Sympathie für mich. Im Moment sind diejenigen, die wie du Sympathie haben, immer seltener anzutreffen. Ich mache kein Hehl daraus, daß sogar Hunderthaus und Helllicht mir nicht zuhören wollen. Sie laufen mir wie Schuldner aus dem Weg, in der Befürchtung, daß ich ihr Geschäft störe. Turbulenz Zhang hat noch mehr übertrieben. Sie hat sich beim Fernmeldeamt gemeldet, um Aufzeichnungen eingegangener Telefonie machen zu können und einen teuren Apparat mit Mehrfunktionen besorgt. Viele Funktionen sagen ihr nichts, sie kennt davon nur eine Funktion, nämlich zu den Nummern Musik einzuspeichern, um zu hören, wer gerade anruft. Wenn mein Anruf kommt, erklingt im Apparat die Musik „Jasmin“. Wenn diese Volksmusik erklingt, nimmt sie nicht ab. Manchmal hatte sie genug davon, dann wechselte sie zu Musik