Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов

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      3 Alter, Autorität und Autoritätsverlust

      Sowohl in den juridischen als auch in den poetischen Texten der Hebräischen Bibel wird mehrfach betont, dass einem Menschen aufgrund seines hohen Alters Respekt zu zollen ist. Dazu zählt die Aufforderung, vor dem „Grauhaar“ aufzustehen (Lev 19,32) bzw. seine aufgrund des hohen Lebensalters angesammelten Erfahrungen sowie seine Weltsicht und Gotteserkenntnis als verbindlich zu akzeptieren (Hiob 12,2; 32,6). Die Verweigerung von Respekt und Unterordnung gegenüber der Generation der Alten wird als gottloses und verderbliches Handeln gesehen. Spott gegen den Vater und Missachtung der Mutter (Spr 30,17) sowie Misshandlung des Vaters und Vertreibung der Mutter (Spr 20,20) stellen negative Taten dar. Belege wie diese legen die Vermutung nahe, dass die ältere Generation nicht immer mit der geforderten Ehrerbietung behandelt worden ist.

      4 Altersgebrechen und ideales Sterbealter

      Mit dem Alter einher gehen: Verlust der Sehkraft (Gen 27,2; 48,10), die physischen Kräfte schwinden (Ps 71,9), einzelne Körperteile versagen ihren Dienst (1 Kön 15,23), die Geschmackssinne versagen und das Hören von Gesängen kann nicht mehr genossen werden (2 Sam 19,36; vgl. Koh 12). In der ägyptischen Lehre des Ptahhotep werden neben den hier genannten Gebrechen noch Vergesslichkeit und Trägheit genannt (LIESS 2009, 19f.). Trotz der in der Literatur des Alten Orients, Israels und Ägyptens verbreiteten Negativsicht über die Altersgebrechen gilt das Erreichen eines hohen Lebensalters als erstrebenswert. Psalm 90 nennt siebzig bis achtzig Jahre als das höchste zu erreichende Alter und dürfte somit eine gegenüber dem durchschnittlichen Lebensalter verdoppelte Zahl genannt haben (LIESS 2012, 135f.). Der Wunsch nach Rache kann einen Menschen gegenüber einem anderen bis ins hohe Alter verfolgen. Der im Sterben liegende David beauftragt seinen Sohn Salomo zu verhindern, dass Joabs „Grauhaar in Frieden zur Scheol herab fährt“ (1 Kön 26). Vielmehr soll dieses „mit Blut“ in die Scheol kommen. Der friedliche Alterstod stellt sich nach dieser Stelle als ein Ideal dar, das David dem Joab nicht zukommen lassen will. Die Stelle setzt voraus, dass Joab schon das Stadium des „Grauhaars“ erreicht hat. Seine Tötung zielt also darauf ab, ihm einen erfüllenden → Tod im Alter zu verweigern. Ein entsprechendes Ideal hat auch der Beter des 91. Psalms vor Augen. Wenn er JHWH sprechen lässt: „Mit einer Länge von Tagen sättige ich ihn, mein Heil lasse ich ihn schauen“ (Ps 91,16), dann wird betont, dass ein Leben nur dann als gelungen betrachtet werden kann, wenn es von einem friedlichen und von JHWH bestimmten Tod im hohen Alter beschlossen wird (vgl. LIESS 2008, 334).

      5 Der alte Mensch bei Kohelet

      Kohelets Gedicht über Alter und Tod definiert das Lebensalter jenseits der Jugend als „Tage des Bösen“ bzw. als „Jahre, an denen man keinen Gefallen“ hat (Koh 12,2–4). Die letzte Lebensphase sei bestimmt vom Zittern der Hände („die Wächter des Hauses zittern“), Krumm- und Schwachwerden der Beine („die starken Männer krümmen sich“), Ausfallen der Zähne („die Müllerinnen hören auf, denn sie sind wenige geworden“), das Erlöschen des Augenlichts („dunkel werden, die auf die Gasse sehen“) und die Ohren ertauben („die Tore zur Gasse werden geschlossen“). Der Tod stellt dabei nicht ein absolutes Ende für das Individuum dar, vielmehr ist er – ganz im Sinne der Kreisläufe in der Natur bei Kohelet – ein Übergang (SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER 2004, 535–540; vgl. auch die Bezeichnung des Alters bei Homer, Ilias XXIV, 487, als „traurige Schwelle“). Die Relativierung des Alters begegnet bei Kohelet schon in 4,13: „Ein Kind, arm aber weise, ist besser als ein König, alt, aber dumm.“ Damit wendet Kohelet sich gegen die traditionelle Vorstellung der Weisheit Israels, die Alter mit Weisheit und Jugend mit Unerfahrenheit verbindet.

      6 Literatur

      LIESS, Kathrin (2008): Sättigung mit langem Leben. Vergänglichkeit, Lebenszeit und Alter in den Psalmen 90–92, in: M. Bauks, K. Liess, P. Riede (Hrsg.): Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst? (Psalm 8,5). Aspekte einer theologischen Anthropologie, Festschrift B. Janowski, Neukirchen-Vluyn, 329–342.

      LIESS, Kathrin (2009): „Der Glanz der Alten ist ihr graues Haar“. Zur Alterstopik in der alttestamentlichen und apokryphen Weisheitsliteratur, in: D. Elm, T. Fitzon, K. Liess, S. Linden (Hrsg.): Alterstopoi. Das Wissen von den Lebensaltern in Theologie, Literatur und Kunst, Berlin/New York, 19–48.

      LIESS, Kathrin (2012): „Jung bin ich gewesen und alt geworden“. Lebenszeit und Alter in den Psalmen, in: T. Fitzon, S. Linden, K. Liess, D. Elm (Hrsg.): Alterszäsuren. Zeit und Lebensalter in Literatur, Theologie und Geschichte, Berlin/New York, 131–170.

      SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Ludger (2004): Kohelet. Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament, Freiburg i.Br./Basel/Wien.

       Andreas Kunz-Lübcke

      Angesicht Gottes

      Das Gesicht einer Person ist als Motiv vorrangig in der bildenden Kunst gegenwärtig. Dort wird im Genre des Porträts die individuelle Physiognomie zum Ort der Reflexion über das Wesen und die spezifische Rolle eines Menschen sowie die Art und Weise, in der er oder sie diese Rolle ausfüllt. Das Gesicht kann, zumindest in westlichen Kulturen, die Person insgesamt repräsentieren.

      Die Bedeutung des Gesichtes für die Wahrnehmung von individuellen Personen hat eine entwicklungspsychologische Dimension: Kinder durchlaufen in ihrer Entwicklung eine Ausdifferenzierung in der Wahrnehmung von Gesichtern, die mit der sozialen Entwicklung des Kindes verbunden ist. Das reaktive Lächeln des Säuglings, das den Beginn der sozialen Interaktion darstellt, benötigt anfangs lediglich ein undifferenziertes Oval als Auslöser. Innerhalb weniger Monate werden die Bezugspersonen, auf die das → Kind lächelnd reagiert, immer exakter wahrgenommen. Das Kind bildet so, parallel zur Entwicklung der Wahrnehmungsfähigkeit, eine grundsätzliche Disposition zur Bindung an konkrete Personen aus.

      Vor dem Hintergrund dieser psychosozialen Bedeutung des Gesichtes erhält das Motiv des Angesichts Gottes in den Texten des AT eine Bedeutungstiefe, die punktuell über die zufällige Bedeutungszuschreibung einer einzelnen Kultur hinausreicht. Wenn alttestamentliche Texte vom Angesicht Gottes sprechen, so bedienen sie sich allerdings der Bilder und Vorstellungen, die in der Kultur des antiken Israel vorhanden waren.

      Der hebräische Begriff pānîm bezeichnet die „Vorderseite“ von etwas oder jemandem. Bei einer personalen Größe, sei sie Mensch oder Gott, ist dies das „Gesicht“ oder „Angesicht“. Damit ist zugleich Kontaktaufnahme konnotiert wie eine gewisse Distanz (linguistisch: Konfrontation), die sich durch das räumliche Gegenüberstehen ergibt. Von „Angesicht zu Angesicht“ wird also Nähe ebenso erfahren wie Abstand (JENNI 1992, 231). In inhaltlich abgeschwächter Form wird das Wort in Verbindung mit der einfachen Präposition lamed verwendet; li

bedeutet „vor“ oder „bevor“ im räumlichen wie im zeitlichen Sinne. Diese präpositionalen Verwendungen sind für das Verständnis des Motivs nicht durchgängig von Belang.

      1 Das Angesicht Gottes

      Dort wo im AT das Substantiv auf JHWH bezogen vorkommt, dient das „Angesicht“ zum Ausdruck wichtiger theologischer Sachverhalte. In verschiedenen Kontexten evoziert der Begriff JHWHs Gegenwart, den Zugang zu ihm sowie göttliche Handlungen, die auf Menschen gerichtet sind, wie das Erweisen von Schutz und Gnade (z.B. Ps 31,21) sowie den Vollzug von Gerechtigkeit und Rettung in den Rollen des göttlichen Kriegers und des thronenden Königs (z.B. Ps 42,6.12; 43,1; 44,4; → König, Gott als König). Besonders eindrücklich wird

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