Markus Blume führt dich durch die Zeit. Lüerß Werner

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Markus Blume führt dich durch die Zeit - Lüerß Werner

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riss mich diese helle Stimme aus einer anderen Zeit: Komm. Das ist Sie mit dem roten Haar „Markus – Markus, hilf uns!“ Wer bist Du.

      Herzrasen, Herzpoltern, Schwindel. „Was ist, warum ruft mich jemand, den ich nicht sehen kann? Wo bist du?“

      „Ich bin hier, im Haus!“

      Gedankenkreisen – Kloß im Hals. Schlaf, komm Markus! Nein, ich wollte nicht mit, lasst mich hier, „Ich möchte nicht mehr wandern durch das dunkle Brunnental.

      Verzweifelt wankend verließ ich das Bett, mit wildem Haar rannte ich ins Bad. Kaltes Wasser ergoss sich über mich. Saukalt. Ich schrie mich aus: „Ist mir kalt, furchtbar kalt!“

      Schwankend, dem gefühlten nassen Satan entsprungen, mit einem Badetuch die Kälte aus dem Körper reibend, kehrte langsam Wärme zurück. Plötzlich stand ich am Ende des Flures. Hier gab es noch immer kein Licht.

      Dort, hinter der Rigipswand, war die Tür zu der anderen Welt. Ein Schaudern stieg an mir hoch, Markus lass das, dieser wilde Drang schob alles beiseite!

      Den Arm erhoben, zum Schlag ausholend, sauste diese alte rote Feuer-Axt in die Trennwand. Ich hatte sie vergessen, verdrängt, jene andere Welt! Laut wurde es durch die Hiebe meiner Hände. Ja, gib es frei, weiter so, Markus! Dumpfer alter Kaffeegeruch drang durch die Tür dahinter mir entgegen.

      Ein Haufen Schutt wuchs zu meinen Füßen. Prinz beobachtete mich; er setzte sich am anderen Ende des Flures auf sein Hinterteil.

      Endlich hatte ich ein breites Loch geschlagen. Ein erster Blick durch die Tür, diese alte verräucherte Glasscheibe lag im dunklen Schattenland:

      Dunkelheit. Ach ja, die Scheiben hatte ich seinerzeit ja mit weißer Kreide bestrichen, zum Schutz und gegen die Verwitterung!

      Dunkelheit, ein Druck meiner Hand auf die Tür, knarrendes Geräusch der Scharniere, ungeölt. Ein leerer Raum. Prinz rannte hinein, ich hörte ihn fiepen, er wanderte in seine Vergangenheit – und dann wieder zu mir zurück. Seinem Fiepen folgend, lief ich in diese künstliche Nacht.

      Stolpernd tastete ich mich durch den Raum, fühlte das Fenster. Die Flügel waren kalt, die Scheiben rau von der Kreide. Meine Fingernägel kratzten über das Glas, ein Lichtstrahl des neuen Tages drang hindurch, wurde stärker. Ich kratzte immer weiter, das Licht entfaltete sich, meine Hände schmerzten.

       Hol dir lieber warmes Wasser, Markus, es ist Sonntag! Wenn du so weitermachst, wird dein erster Arbeitstag schmerzhaft! Schau auf deine Finger! Ich will dich nicht immer an alles erinnern müssen!

      Ich schwieg, die Idee war gut. Das heiße Wasser bewirkte Wunder: Der Raum tauchte ins Jetzt. Reinigende Strahlen, staubbehangen das Gewesene. Ich fühlte: Es ist nicht sichtbar, aber da. Im Sonnenlicht an der Tür drehte ich den Schlüssel nach links. Sie öffnete sich nach innen. Ein Windhauch schoss an mir vorbei. Herbstblätter vermischten sich mit Wind.

      Bis zum Mittag schuftete ich, dann hatte ich Hunger.

      Nach dem Essen machte ich mich weiter an die Arbeit: Ein scharfer Besen für das Grobe, Wischwasser für den Staub der Zeit. Ein großer Raum, vierzig Quadratmeter, über mir die Pracht der alten Stuckdecke. Hinter einer Tapetenwand hörte ich ein dumpfes Geräusch. Mit dem Taschenmesser schlitzte ich die Tapete auf – eine verborgene Tür!

      Das Schließblech war nicht mehr da, nur die kleine Öffnung der Klinke war noch zu sehen. Ich zog einen Schraubendreher aus der Werkzeugtasche. Als ich ihn nach rechts drehte, öffnete sich die Tür nicht, aber als ich mich mit der Schulter dagegen warf, sprang sie auf.

      Ein dunkler Raum. Wo führte sie mich hin? Im Licht der Taschenlampe erblickte ich eine seit ewigen Zeiten schlafende Backstube: Spinnennetze, staubverhangen. Verdammt, Markus, das alles gehört dir! Zwick dich mal! Aua, ich bin doch da!

      Ich schloss die Tür wieder. Alles langsam, mein Lieber.

      Beim Blick zur Decke fehlten etwa vier Quadratmeter Putz. Die mussten mal rausgefallen sein. Komm, wir machen jetzt noch die Decke zu. He, alter Streber, es ist Sonntag, der erste Advent! Na los, komm schon!

      Ich ärgerte meinen inneren Schweinehund, holte Leiter, Baustrahler, Rigipsplatten und Schrauben. Deckenreste rausschlagen, altes Stroh entfernen, Rigipsplatten anschrauben. Meinen Kopf als Stütze benutzend, versenkte der Akkuschrauber eine Rigipsschraube nach der anderen, fast fertig! Fugenfüller hast du vergessen, stellte ich fest.

      Ein Schmerz durchzuckte mich. Der Akkuschrauber stürzte zu Boden, mein Blick erfasste die Situation sofort: Ich war gefangen an der Decke, eine verdammte Schraube hatte sich durch meinen Zeigefinger geschraubt! Es begann zu pochen wie der Briefträger mit einem Einschreiben vor der Tür.

      Schmerzen verzerrten mein Gesicht, Angst durchraste meinen Körper, Blut tropfte auf mein Gesicht. Gefangen blickte ich der Nacht entgegen.

      Meine Blase meldete sich zum Rapport: Bald konnte ich das Wasser nicht mehr halten. Auf der obersten Stufe der Leiter stehend, zitternd, ergoss mein Inneres sich warm plätschernd meine Beine entlang über die Schuhe. Die Flüssigkeit wurde vom alten Boden aufgesogen wie von einem Schwamm.

      Schmerzen durchschüttelten meine Seele. Markus, hörte ich mich, mach was, du musst hier weg! Eine Ohnmacht kommt dich holen! Verdammt, nein, ich wollte nicht daran denken: Ich sah meinen abgerissenen Finger, angeschraubt an der Decke – und ich am Boden mit gebrochenem Bein, gestürzt aus vier Metern Höhe!

      Ich versuchte, das Taschenmesser aus der Hose zu holen. Endlich, geschafft! Die Klinge, mit den Zähnen gepackt, öffnete sich aus der Griffschale. Pochende Schmerzen, Schaum im Mundwinkel, ein geschlagener Boxer in seiner letzten Runde, so schwankte und taumelte ich auf der Leiter.

      Mein Messer setzte an zum Befreiungsschlag. Als die Klinge in den Kreuzschlitz drang, drehte ich nach links. Schmerzen durchzuckten mich bis in die Fußspitzen, Blut spritzte mir in die Augen. Fast blind war ich nun, mehr fühlend als sehend! Beiß die Zähne zusammen, altes Haus! Schreiend drehte ich das Messer dem Leben entgegen.

      Prinz bellte wie verrückt, stützte die Vorderpfoten auf die Leiter, mein Gott, diese Schmerzen, wie eine Geburt zu neuem Leben! Es dauerte und dauerte, die Schraube drehte sich Windung um Windung aus dem alten Holz durch mein Fleisch.

      Die Klinge war tapfer, obwohl sie sich schon verbog. Nicht brechen, bitte! Geschafft! Endlich! Mein Finger war befreit von der Decke des Grauens. Noch zwei letzte Umdrehungen, die verfluchte Schraube war mit Blut getränkt. Ich stolperte die Leiter hinunter, stürzte durch den Raum, zurück ans Licht, in meine Welt.

      Ohnmächtig vor Schmerzen, fiel ich mit nasser Hose auf den Boden. blieb erst mal liegen, Taube Mattigkeit zogen mich in Ihre Momente.

      *

      Es wurde dunkel. Prinz, mein alter Freund, wärmte mich. Ich lag auf dem Boden zwischen Schutt. Etwas zog an mir vorüber; fast unwirklich spürte ich eine Berührung auf meiner Wange. Ich fühlte: Ich war behütet. Der Schmerz klopfte im Takt, aber nicht mehr so heftig, dass ich aus meiner Ohnmacht erwacht wäre. Ein Singen führte mich zurück ins Leben. Meine Augen öffneten sich schwer. Blut klebte in meinen Wimpern. Im Schleier des Lichtes sah ich sie neben mir sitzen – das kleine Mädchen aus der Vergangenheit. Ihre Augen lachten. Rote Haare, diesmal nicht zum Zopf geflochten, bildeten einen Lockenkopf. Ihr Lächeln sah mich.

      Mein Blick ging an ihr vorbei zur Decke – Blut! Ich wusste wieder Bescheid. Ich schloss die

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