Frieden - eine verlorene Kunst?. Stephan Elbern
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Ein „ehrlicher Makler“: Der Berliner Kongress (1878)
Afrikanischer Sieg: Der Vertrag von Addis Abeba (1896)
DAS 20. JAHRHUNDERT
Die „aufgehende Sonne“: Der Frieden von Portsmouth (1905)
Sieg im Osten: Der Vertrag von Brest-Litowsk (1918)
Strafe statt Frieden: Das Diktat von Versailles (1919)
Erfolgreiche Revision: Der Frieden von Lausanne (1923)
Warum nicht im Westen?: Der Friedensvertrag von San Francisco (1952)
Am 38. Breitengrad: Der Waffenstillstand von Panmunjom (1953)
Der Niedergang der Kolonialreiche: Das Waffenstillstandsabkommen von Genf (1954)
Ein nationales Trauma: Der Vertrag von Paris (1973)
Versöhnung im Nahen Osten?: Das Friedensabkommen von Camp David (1978)
Unseren österreichischen Verwandten in Dankbarkeit gewidmet
VORWORT
„Ein bisschen Frieden …“ – unauslöschlich ist dieses Bild in das Gedächtnis der Deutschen eingegraben: Ein hübsches Mädchen mit einer – symbolträchtigen – weißen Gitarre siegt mit ihrem ein wenig naiv anmutenden Lied beim Grand Prix Eurovision de la Chanson (seit 1992 Eurovision Songcontest). Sein Text spiegelte die weit verbreitete Angst in der Zeit der Nachrüstungsdebatte (als Antwort auf die sowjetischen SS–20 – Raketen hatte der Westen die Stationierung von eigenen Mittelstreckenwaffen beschlossen; deshalb herrschte vielerorts eine geradezu hysterische Furcht vor einem 3. Weltkrieg) und gab damit dem Zeitgeist Ausdruck – was maßgeblich zum ersten Sieg eines deutschen Liedes bei diesem internationalen Wettbewerb beitrug.
Die intellektuelle Kritik an seinem Wortlaut war sicher nicht unberechtigt; denn eigentlich war das Wirken für den Frieden jahrhundertelang eine ernsthafte diplomatische Arbeit, ja geradezu eine politische Kunst, deren Erfolg zudem für die vom Krieg heimgesuchten Völker eine Erlösung von Tod und Leid, Plünderung und Vergewaltigung, Vertreibung und Verarmung bedeutete – und davon sollte „ein BISSCHEN“ genügen?
Dennoch – das Wort „Frieden“ ruft unausweichlich diese Erinnerung hervor. Daher steht sie am Beginn dieses Buches, das sich den bedeutendsten Friedensabkommen vom Alten Orient bis in unsere Zeit widmet. Es soll weder eine völkerrechtstheoretische Abhandlung über internationale Beziehungen bieten, noch den bereits vorhandenen Vertrags – Ploetz ersetzen; daher strebt es auch keine Vollständigkeit an. Vielmehr soll es ein historisches Lesebuch – mit gelegentlichen zeitkritischen Gedanken – sein, das die wichtigsten Friedensverträge aus über drei Jahrtausenden in das Gedächtnis zurückruft – mit ihren geschichtlichen Voraussetzungen, dem Ablauf der vorhergehenden militärischen Konflikte, sowie den oftmals gravierenden Folgen. Ergänzend soll ein meist vernachlässigter Aspekt hinzutreten – der Ort des Vertragsabschlusses. Denn die Idee zu diesem Buch kam dem Verfasser auf einer seiner zahlreichen Reisen: In Pressburg (j. Bratislava) besichtigte er den Spiegelsaal des Primatialpalastes, in dem einst der Konflikt zwischen Frankreich und Österreich beigelegt wurde (1805). Seit seiner Jugend war ihm das Abkommen wohl bekannt – nicht aber der Schauplatz des Geschehens.
Der Begriff des Friedensvertrages wird hier sehr weit gefasst; mehrfach finden sich bloße Waffenstillstandsabkommen (sonst wären nach dem 1. Weltkrieg nur wenige Verträge aufgeführt!), aber auch das Wormser Konkordat, mit dem der Investiturstreit zwischen Kaiser und Papst endete, oder das Abkommen von Brundisium zwischen den rivalisierenden Parteien im innerrömischen Bürgerkrieg.
Der Nünnerich-Asmus Verlag hat das Buch in gewohnter Qualität gestaltet; dafür sei ihm herzlich gedankt, ebenso seiner Geschäftsführerin Dr. Annette Nünnerich-Asmus für die fachlich wie menschlich angenehme und ertragreiche Zusammenarbeit. Dank schulde ich zudem Frau Katrin Vogt für die Unterstützung bei der Recherche sowie meiner Ehefrau, die das Werk unermüdlich mit Rat und Tat gefördert hat.
Bad Frankenhausen, im Januar 2014
Stephan Elbern
EINLEITUNG
Es war im Schloss zu Versailles, im Februar 1871. Für das soeben gegründete Deutsche Reich verhandelte Otto von Bismarck mit dem Ministerpräsidenten Adolphe Thiers über ein Friedensabkommen zur Beendigung des Deutsch – Französischen Krieges. Auf Wunsch des preußischen Militärs forderte der „Eiserne Kanzler“ die Abtretung der wichtigen Grenzfestung Belfort; der gegnerische Unterhändler wies dieses Verlangen jedoch zurück. Große Teile Frankreichs waren von deutschen Truppen besetzt, eine Weiterführung des Krieges unmöglich. Dennoch – aus heutiger Sicht erstaunlich – setzte Bismarck seine Forderung nicht durch Drohungen – etwa mit einem weiteren Vormarsch – durch. Vielmehr ließ er dem Ministerpräsidenten die Wahl: Falls dieser einer deutschen Siegesparade auf den Champs-Élysées zustimmte, dürfte Frankreich Belfort behalten; andernfalls sollte es an das Reich fallen. Der französische Unterhändler entschied sich für den Besitz der Festung.
Erneut in Versailles, nahezu 50 Jahre später; der 1. Weltkrieg war beendet. Im Spiegelsaal des Schlosses hatten die Vertreter der Alliierten Platz genommen; dann wurden die deutschen Delegierten eingelassen. An den Verhandlungen der Siegermächte über die Bestimmungen des Abkommens hatten sie nicht teilgenommen; ihre Aufgabe war lediglich, das einseitig verhängte Diktat zu unterzeichnen; es war ein Tribunal, kein Vertragsabschluss (1919).
Ein Vergleich beider Szenen lässt deutlich erkennen, wie im verhängnisreichen 20. Jh. eine uralte diplomatische Kunst verloren ging: die Fähigkeit, einen militärischen Konflikt durch ein Abkommen zu beenden, das zwar möglichst den eigenen Interessen diente (etwa durch territorialen oder wirtschaftlichen Gewinn), zugleich aber den ursprünglichen Friedenszustand wiederherstellte und damit die Rückkehr zu normalen völkerrechtlichen Beziehungen erlaubte (wobei der augenblickliche Gegner durchaus ein künftiger