Das Grimmingtor. Paula Grogger
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Am Schmerzhaften Freitag, welchen Datums ihr Vater Hutmann geworden ist, stund sie vom Marodenbett urblitzlich auf und sagte, sie wäre jetzt wieder gesund. Sie scheuerte das kleine Haus von oben bis unten, rieb das Geschirr mit Zinnheu und Sand, damit es blank wie ein Augapfel spiegle, und begoß die welken Fuchsien am Fensterbrett, die ihr Vater vergessen hatte. Dies alles geschah mit völlig totem Herzen nur ihm zulieb, weil sie sich insgeheim schuldig fühlte. Denn am Ostermontag wollte die Stanzi dem guten Menschen einreden, daß ihre Frau Goden in Pürgg sie geladen hab. In Wirklichkeit aber wollte sie auswandern … weit, weit fort. Wohin, das wußte sie selbst noch nicht.
Heftigen Gemütes, wie sie war, entschloß sich die Stanzi schon zu Palmare. Die gelben Schwefelkrusten rauchten. Der Dunst stieg. Feinstes Grün wagte sich aus dem Almboden. Pestwurz und Buschwindröschen wuchsen den Bach entlang und die dunkelgelben Sterne des Lattich.
»Ein warmes Frühjahr«, seufzte die Jungfrau Constantia, indes sie die kleinen Fensterflügel zögernd aufschlug. Dann machte sie sich zur Abreise fertig und sprach gar schüchtern und verzagt:
»Pfüat Gott, Herr Vater, hiaz muaß ich gehen.«
Er war ganz arglos. Dadurch wurde sie noch trauriger, und während sie mit den Fingern in den Weihbrunn tupfte, überwältigte sie eine trostlose Reue. Ihre herben Mundwinkel zuckten, ihre braunen Augen wurden heiß und blind. Allein sie ließ solches nicht merken und ging mit großen Schritten.
Wohin? … wohin?
Ein einziger Gedanke surrte in ihrem Kopf wie ein schweres Rad immer rundherum:
Wann doch der Weg zwischen Öblarn und dem Knappendörfel niemals ein Ende nähm!
In den Angern erwachte sie ein wenig aus ihrer Stumpfheit. Bergleute torkelten an ihr vorbei, und im Wirtshaus klang eine Harfe. Da mußte sie wehmütig denken, daß mit einem Tanz all ihr Herzeleid begonnen habe. Und sie eilte … eilte. In einem rehledernen Säckchen am Halse klimperten fünf Taler. Sie waren ihr Griesengeld. Die goldlichen Zöpfe sanken auf den Spenser herab, der Kopf schmerzte. Bis ins Mark war sie müd. Und als sie ein Fuhrwerk hörte, kam ihr der Wunsch: Wann ich doch hinfallet und nichts mehr wüsset von mir. Der Mensch, der kommt, möchte mich wohl aufklauben und zu meinem Vater bringen. Ich bräucht alsdann nit selber gehn und wär doch daheim.
Sie fiel aber nicht hin. Das Leben war auch nach der Krankheit wunderbar stark in ihr. Das Fuhrwerk befand sich schon nahe, und nun erkannte sie, daß der Stralz darin saß. Sie wurde zunderrot im ganzen Gesicht und schritt mit einem Male kerzengrad.
»Grüß dich!« sagte er.
Sie dankte ihm nicht.
»Wohin denn?« fragte er, das Roß anhaltend.
Sie ging weiter. Da sprang er vom Wagen.
»Stanzi, bleib doch stehen ein bissel!«
»Was hast gesagt?«
»Du tuast mir alles zufleiß.«
»Wüßt nit … warum.«
»Hast im Sinn auf Öblarn?«
»Weiter.«
»Auf den Mitterberg?«
»Das kümmert dich nix.«
»Das kümmert mich wohl«, sagte der große blonde Mensch ohne Erregung.
Da antwortete sie schon weniger trutzig:
»Nach Pürgg hab ich im Sinn.«
»So weit? Es kostet dich grad ein Wörtel. Soll ich umdrahn?« Sie schwieg.
»Ich führ dich mit meinem Wagerl. Willst?«
»Kunnt mir einfallen.«
Andreas Stralz war mit einem Satz wieder auf dem Wagen, schnalzte und sprengte davon. Das Mädchen tat einen schwachen Seufzer und wußte lange nicht, ob ihr zum Lachen oder zum Weinen sei. Sie wanderte talaus mit ihrem Wanderpack. Und weilen sie schon beim Schrabachkreuz war, galoppierte der Stralz so wild und rasselnd hinterher, als wäre ihm das Roß durchgegangen. Schier keine Zeit hatte sie auszuweichen.
»Wart!« schrie er befehlend und riß am Leitseil, daß der Hengst sich bäumte. Dann sagte er ruhig: »Ich hab mir’s überlegt.«
Erst jetzt schaute ihn das Mädchen ordentlich an und bemerkte, daß er sich sauber ausstaffiert hatte mit einem neuen Hut und einer Joppe von schönem, lichtgrauem Perlloden. Die Hosen waren unter den Knien mit langen propern Lederbändlein zugebunden. Die Modelstrümpf waren blau wie der Enzian.
»Zu meinem Halter wöllt ich in die Starzen«, sagte er.
Da lächelte sie fein.
» … und auf dem Rückweg bei euch zusprechen …«
»Wir ziehen unser Kitzel selber auf«, erwiderte sie gar unschuldig, wußte jedoch ganz gut, daß ihm darum nicht zu tun war.
»Ach geh, bin ich ein Viehhandler, daß du so redst?«
»Nein, das bist nit.«
»Was nachher?«
»Halt mich nit auf! Hab nit Zeit.«
Es glänzte was wie Glimmerschiefer in seinem linken Auge. Am rechten nämlich war er blind. Sich neigend und ihre Hand innig umfassend, sprach er mit seltsamer Gleichmütigkeit:
»Steig auf! Oder fürchtst dich?«
Das Mädchen gehorchte. Langsam und still fuhren die zwei durch den Walchengraben. Grüne Wellchen und grüne Fische hüpften im Bach. Von den Holzriesen schossen spritzend die Wässerlein. In den Baumwipfeln verrieselte das Himmelsgold wie ein Segen. Und die Blüten des Lattichs flimmerten beidseiten des Weges und sahen aus, als wären sie in lauer Nacht zur Erde getropft, just für den Stralzen und die schöne Jungfrau Constantia. Er hatte die Zügel straff gepackt und gab fürsorglich auf das Pferd Obacht, denn die Straße war schmal und holprig. Lieblich verschüchtert saß sie neben ihm. Das Griesengeld klingelte unter dem Sonntagsspenser. Oder klingelte das Herz? Wie wünschte es doch, daß der Weg zwischen Öblarn und dem Knappendörfel niemals, gar niemals ein Ende nähme.
Von der ersten Bauernkeusche an ging das Steirerwägelchen ruhiger. Das Pferd fand sich von selbst zurecht. Da drückte der Stralz wiederum ihre Hand.
»Wann du von Pürgg heimkommst, gehen wir zum Pfarrer«, sagte er, sonst nichts.
Sie nickte. Alsdann sahen sie von weitem den Kirchturm aus dem überzarten Blust der vielen knospenden Obstbäume ragend. Neben dem Wasserwehr hockte der Kurschmied Sebastian Zedler, item ihr Bruder von der seligen Mutter her, welche zweimal verheiratet gewesen war. Der zwinkerte den Brautleuten zu, ohne sich ansonsten zu rühren, sintemal bei seinem Fischzeug ein Mordstrumm Forelle angebissen hatte. Auch eine Schar Kinder trafen sie, welche jenseits der Enns Seidelbast sowie Palmbuschen und Schneeglöckchen gepflückt hatten. Diesseits der Brücke, dicht vor seinem Hof und Wurzgarten, lud er sie ab, nahm ein Sträußel Buchsbaum vom Hut und reichte ihr’s.
»Nit einmal ein Nagerl hab ich, daß ich dir’s schenken kunnt!«
Das