Das Grimmingtor. Paula Grogger

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Das Grimmingtor - Paula Grogger

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wohl in besonderen Ehren hielt, wessen jedoch sie und die andern Kinder entraten konnten. So gab sie als echte Mutter auch ihr Letztes aus … in halber List und in halber Demut.

      Kein Wunder, es wurde füglich aus diesem Kinde ein merkwürdiger, unbrauchbarer Mensch, für welchen die Welt eine immerwährende Anmutung und ein Wunderkasten Gottes blieb. Und alldieweilen er mit entzückter Sehnsucht und gefalteten Händen davorstund, glitt ein Ästchen Gnade, ein Sternlein Schicksal durch die Hände der andern, wurde zerteilt, zerpflückt und sonder Ehrfurcht hintan geworfen.

      Oh, wie töricht!

      Man achtet vieles gering in guten Jahren. Erst wenn man anfängt, die Blume vom Wegsaum aufzuheben, wenn man jeder unscheinbaren Knospe, jedem Tautropfen sich achtsam zuneigt, als wären sie ein Teil unseres Lebens, wenn jegliches wieder Gleichnis und Geheimnis wird … dann …

      »Oh, wie seltsam«, sagte der feine und besinnliche Herr und lächelte, anstatt den Ausspruch in seiner Chronika zu vollenden. Ich meine ihren jüngsten Sohn, den Schulmeister Johannes.

      Er liebte überhaupt, dem Beispiel großer Männer entsprechend, seinen Gedanken eine feierliche Form zu geben, er liebte es, mit fein gespitzten Gänsefedern zierliche Reime und Figürchen zu erfinden, und meinte in guten Stunden, er werde dermaleinst als ein vielberühmter Mann der ganzen Welt offenbar. Freilich, in bösen Stunden bekümmerte ihn seine bescheidene Profession, und wann er frühe, zu Mittag und auf den Abend zum Gebetläuten ging, was ihm gleichsam aus dem Erbverlaß seines Göden zustand, so bedachte er, daß er trotz aller Gottesgaben und Talente sein Lebtag ein armer Mesner und Schullehrer blieb. Und er zürnte bei solcher Gelegenheit seinem Herrn Vater, insbesonders aber den Brüdern, welche in Anbetracht mancher Erfahrung von der Studi ebensoviel hielten wie ein lustiger, grüner Heuschreck von der Geheimen Offenbarung. Seine Brüder waren aus gröberem Holz, waren Frühjahrskinder, das muß gesagt werden. Und noch vieles muß gesagt werden, bevor die Geschichte des jüngsten Stralzen ihren Anfang nimmt; denn er wäre vielleicht ein gelehrter Mönch zu Admont geworden, ein Sekretarius des erlauchten Prinzen Johann, ein Erzbischof vielleicht oder ein Hofpoet. Allein es haben die Begebenheiten in der großen Welt wie auch im kleinen Dorfe Öblarn einen ganz erheblichen Einfluß auf sein Leben genommen, lang vor der Zeit, wo es in der christlich-katholischen Taufmatrikul gebucht war. Und Gott in seiner Vorsicht hat dem letzten Kinde der Mutter Stralzin die Flügel gestutzet, als es noch mit den Beinvögeln flog.

      Still! Ich möchte nur zuvörderst von der Liebe erzählen, nicht allzu laut, nicht allzu viel; denn die Liebe des Herrn Andreas Stralzen und seiner Frau Constantia war für niemanden bemerkbar; sie erlöste sich in keinem Worte und in keiner übermäßigen Zärtlichkeit, aber sie muß sehr groß gewesen sein, zumal sie durch ein solches Unmaß von Leid ist ausgeglichen worden.

      Die Eheleute kamen oft den ganzen Tag nicht zusammen. Der Stralz, wiewohl er Bräumeister und Fleischhacker war, rührte die Hand zu keiner Arbeit. Er brauchte die Halbscheid einer Woche, um seine Liegenschaften, zusamt Grund und Boden zu mustern, er las die Grätzer Bauernzeitung, politisierte in der Wirtsstube und schrieb hienach alles Merkwürdige seiner Zeit ins Notizbuch. Er konnte es wohl tun, weil auf die Dienstboten ein Verlaß war und seine Ehefrau als die bravste Magd im Hause werkte. Dabei aber hielt sie sich dermaßen stolz und aufrecht, daß keine von den Nachbarinnen sich in ihre Nähe wagte und ihres Vertrauens teilhaftig wurde. Sie erblühte immer schöner unter der verschwiegenen Liebesglut, besonders in den Monaten, wo sie das erste Kind getragen hat. Bei jeder Frucht, die reifte, bei jedem Blatt, das in ihren Garten sank, beim Schneewirbel, der vor den blinden Butzenscheiben anstob, immer bedachte sie, was für ein liebliches Gespiel dies für ihren Buben sein werde, wann er einmal auf der Welt war … Oft an Sonntagen wartete sie eine Stunde im kalten Söller, bis ihr Eheherr von einem weiten Spaziergang zurückkehrte. Sie sprachen alsdann vom Wetter, vom Gesind und von der Wirtschaft. Sie spürte ihn bei sich vorüberstreifen. Das tat ihr wohl, doch sie zeigte es nicht und war wie eine Braut.

      Im Frühjahr, Anfang Märzen, feierten fünfzig Schladminger Knappen ihren Einstand im Walchenbergwerk. Da gab es trotz der heiligen Fasten einen recht übermütigen Tanz in der Grafen Tavern, item dem Bräuhaus des Herrn Andreas Stralzen. Es steht freilich nur einen Sprung weit über die Straße; aber wie oft mußte die fleißige Hauswirtin diesen Sprung tun, wieviel mußte sie spicken, sieden und braten, bis die groben Mäuler und die glucksenden hohlen Bäuche geschoppt waren!

      Bei aller Arbeit wurde ihr Herz gelinder von Stund zu Stund. Und weilen schön langsam die Märznacht anhub und die Mägde lüstig durch die schwarzen Fenster hinausspähten, schickte sie alles, was Füße hatte, auf den Tanzboden. Sie selbst blieb allein in der Küche und verspann sich in den blauen Rauch des Erlholzes, in den Duft der süßen Bäckereien und sonderlich in ihre liebsten Gedanken. Hienach trat ihr Eheherr in den Türrahmen und rief ihr zu:

      »Stanzi, zieh ein besseres Gewand an. Wir wöllen zum Tanz gehn.«

      Sie schaute groß und errötete; denn es fiel ihr das Barbarafest ein, an welchem Andreas Stralz ihr zum erstenmal die Hand mit einem starken, schmerzhaften Druck umfangen hatte. Und ihr deuchte plötzlich, sie sei ihm noch immer so fremd wie in jenem Augenblick. Desungeachtet ging sie beglückt an seiner Seite ins Tafelzimmer, wo die guten Kleider in einer Truhe lagen. Während sie die schweren Röcke anzog und das seidene Brusttuch breit über das offene Mieder steckte, stund er abgewandt am grünen Kachelofen und sumsete die Melodei der Geigen und Schwegelpfeifen, die von drüben hellauf lockte. Sie spürte, wie sein Herz gleich dem ihrigen schwang; sie stellte sich sachte zu ihm und sprach:

      »So; hiaz bin ich fertig.«

      Sie dachte, daß er sie bussen werde. Doch er tat es nicht. Das Zimmer war ihr zuerst dunkel erschienen. Mählich zeichneten sich die Kanten des polierten Hausrates ab. Die Figuren auf den Tonkacheln blitzten. Und das Gesicht des Stralzen war ganz deutlich auszunehmen. Sie sah, daß er ihre innere Entflammnis erriet und daß er lachte. Sie wartete noch immer in einer hoffärtigen Haltung. Insgeheim sagte sie:

      »Mein Gott, wann unser Kindel wird wie unser Liab … muaß es dem Himmel ein Loch schlagen!«

      »Gefreust dich drauf?« fragte sie, fast ohne die Lippen zu öffnen.

      Sein leises Lachen ging ihr durch alle Nerven. Es wischte wiederum ein Flaum von Röte über Hals und Wangen und Stirn. Sie machte einen Schritt hinweg, damit er nach ihr lange. Er tat es nicht, er sagte:

      »Gehen wir?«

      Auf dem Türhaken trafen sich die Hände. Die junge Frau war betäubt von der eigenen Seligkeit. Es drängte sie zu vielen lieben Worten und Fragen, insonderheit eines hätte sie gern gewußt, was ihr der Stralz in der langen Zeit noch nie gestanden hatte. Sie wagte das rechte Wort nicht und sprach an ihm hinweg:

      »Du Kalter, du.«

      »So?« gab er zur Antwort; es klang wie ein Gespött.

      Da mußte sie auch lachen. Sie tastete nach dem Türdrücker und wispelte:

      »Heimlicher, du!«

      Die Angel knarrte bereits; da schob er das seidene Tuch beiseit und bußte ihr schneeweißes Halsgrüblein, bis es brunn. Jetzt nahm sie sich einen Mut und fragte, was sie in der langen Zeit noch nie gefragt hatte.

      »Hast mich gern?«

      Er richtete sich langsam auf und sagte in seiner starren Art: »Der Baum treibt ja auch. Der Vogel singt einmal am liabsten. Es ist das nämliche, was wir Menschen gespüren.« Dann gingen sie beide in die Taverne. Der Oberverweser Georg Staudacher kam und bat die Stralzin um die Ehr. Ingleichen der Oberhutmann, der Obersteiger, der Schmelzmeister. Der Bader Gasteiger hob in Betracht ihres gesegneten Zustandes mahnend den Zeigefinger und führte

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