Chancenmanagement in der Krise. Gerhard Seidel
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Der Ansatz in diesem Abschnitt ist ein völlig anderer. Hier geht es um die Frage: Was passiert eigentlich mit den Arbeitnehmern, wenn ihre Leistungsmöglichkeiten in einem Unternehmen dadurch limitiert sind, dass nicht beachtete Engpässe die Entfaltung personeller Ressourcen verhindern? Und was hat eine Führungskraft zu leisten, damit solche Limitationen nicht unerkannt bzw. ungenutzt bleiben?
Eine spannende Frage ist: Welche Bedeutung haben solche Leistungsreserven in einem Unternehmen auf die Personalpolitik? Welchen Einfluss haben ungenutzten Mitarbeiterressourcen auf ihr Arbeitsverhalten? Wie ist das Betriebsklima, wenn diese menschlichen Leistungskapazitäten durch limitierende Engpässe an ihrer Entfaltung gehindert werden? Und nicht zuletzt: Wie können sich solche Zustände in einer Krise auswirken, in der das volle Leistungspotenzial benötigt wird?
Kann es sein, dass aufgestautes Können und Wollen implodieren, sich gegen das Unternehmen wenden und die nicht ausgelebten Talente und Fähigkeiten zweckentfremdet genutzt werden?
Was ich damit meine, soll folgendes Beispiel deutlich machen: In einer größeren Versicherungsagentur stellte sich bei einem Workshop heraus, dass deren Computer täglich bis zu zwanzig (!) Mal abstürzten. Auf meine entgeisterte Frage, warum denn das so sei, antworteten die Mitarbeiter: „Die Vernetzung ist überaltert, die Dimensionen der Leitungen sind zu gering, sie schaffen die Datenmengen der neuen Programme nicht mehr.“
An dieser Stelle will ich nicht näher auf die anschließende Diskussion mit den Inhabern eingehen (die waren mindestens so entsetzt wie ich, was die Situation der internen Kommunikation deutlich machte), nur so viel: Die tägliche Ausfallzeit betrug im Schnitt mehr als zwei Stunden pro Mitarbeiter. Die dadurch entstandenen lästigen Vor- und Nacharbeiten, die inzwischen üblichen „Nebenbuchführungen“ und die Missverständnisse und Doppelarbeiten hatten bewirkt, dass der Nutzungsgrad der vorhandenen Mitarbeiterkapazitäten bei etwa 20 Prozent vom Möglichen lag.
Gerufen hatte man mich allerdings als Unternehmensberater, weil die Fluktuationsrate so hoch war. Ich sollte ein Motivationstraining durchführen. Es war ohne große Schwierigkeiten zu erkennen, dass die Frustration ob dieser ständigen Arbeitsunterbrechungen der Grund für so manches Ausscheiden der Mitarbeiter war.
Wenn es stimmt, dass Menschen gut sein wollen, dann haben die Verantwortlichen in den Unternehmen dafür zu sorgen (nicht nur, weil es das Ökonomischen Prinzip verlangt, sondern auch um mögliche Mehr-Gewinne zu machen), dass dies in Erfüllung gehen kann.
Was hindert meine Mitarbeiter daran, gut zu sein? Worum muss ich mich als Abteilungsleiter kümmern, damit sich die vorhandenen menschlichen Potenziale entfalten können? Dabei geht es selbstverständlich nicht um alle Möglichkeiten, die ein Mitarbeiter in sich trägt, sondern nur um die, die letztlich für das Unternehmen interessant sind. Das sind solche, die sich entweder in verkaufsfähige Leistungen umwandeln lassen oder die zumindest den Prozess dabei positiv unterstützen.
Neulich las ich in einer Umfrage, die folgende Frage an Arbeitnehmer gestellt hatte: „Wann erbringen Sie Ihre beste Leistung bzw. überragende Ergebnisse?“ Über 90 Prozent antworteten: „Wenn ich Freude an der Aufgabe habe.“ Mehr als zwei Drittel sind dann am besten, wenn sie ihre Kompetenzen (Potenziale) voll einbringen können, und nur knapp 20 Prozent lassen sich durch gute Entlohnung zu Höchstleistungen anspornen.
Wir wissen, dass Freude an der Arbeit viel Energie freisetzt (dies wird nur noch von der Liebe übertroffen, doch wer liebt schon seine Arbeit?). Kümmern wir uns deshalb um die konsequente Nutzung der Potenziale, weil wir dadurch für diesen gewünschten Spaß die Voraussetzungen schaffen!
h. Um Erster zu sein, reicht ein kleiner Vorsprung
Sinn und Zweck unserer Beratungen ist, dass wir den „Kümmerern“ in den Unternehmen dabei helfen zu erkennen, worauf es zukünftig ankommt. Mehr von der (vielleicht bedrohlichen) Zukunft zu wissen, zu sehen und zu haben als die Konkurrenz. Das ist das, was das Management für die strategische Planung auch benötigt. Je fundierter und umfassender Ihre Annahmen oder gar Ihr Wissen über die möglichen künftigen Entwicklungen sind, desto höher ist die Qualität Ihrer operativen und strategischen Entscheidungen. Das ist ein ganz entscheidender Wettbewerbsvorteil gegenüber Ihren Mitbewerbern, vor allem in den mit Sicherheit bevorstehenden schwierigen Zeiten.
Um auf den Märkten besser zu sein als die Konkurrenz, braucht es oft nicht viel. Wie im Sport, wo der Tausend-Meter-Lauf nicht mit zehn Metern Vorsprung gewonnen wird, reicht es auch im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf oftmals aus, nur die berühmte Brustbreite besser zu sein.
Der entscheidende Wettbewerbsvorteil kann z. B. deshalb gewonnen werden, weil man sich besser auf die kommenden schwierigen Zeiten vorbereitet hat als die Mitbewerber, schneller Chancen erkennt und diese nutzt. Vielleicht kann die Krise Ihrem Unternehmen sogar den entscheidenden qualitativen und quantitativen Wachstumsimpuls für die kommenden Jahre geben.
Wie werden sich die Kundenwünsche in einer Krise verändern und welchen zusätzlichen Nutzen wird sie verlangen? Welche Produkte und Dienstleistungen müssen wir „krisengerecht“ weiterentwickeln? Gibt es Anforderungen unserer Kunden, die wir in normalen Zeiten nicht erfüllen mussten? Werden wir in Krisenzeiten zu den Gewinnern oder zu den Verlierern zählen?
Die Antworten auf solche Fragen können uns helfen, Lösungen zu finden, bevor der Kundenwunsch überhaupt an uns herangetragen wurde. Dieser zeitliche Vorsprung, gepaart mit gut durchdachten Marketingstrategien in schwierigen Zeiten, das ist es, was hilft, besser zu sein als der Wettbewerb.
Josef Schumpeter, der österreichische Nationalökonom, sagte es kurz und eindeutig: Die wichtigste Aufgabe des Unternehmers besteht darin, (schneller als die Konkurrenz) die Gelegenheit zu erkennen und zu nutzen!
Eine Anekdote dazu: Zwei Wanderer gehen in den Wald, in dem es Bären geben soll. Einer der beiden zieht sich vorher Turnschuhe an – worüber der andere spottet: „Glaubst du, dass du damit schneller laufen kannst als der Bär?“ Die Antwort: „Nein, aber schneller als du!“
Das nennt man gute Vorbereitung!
Als wir neulich in einem Vortrag diese Geschichte erzählten, meinte eine Teilnehmerin: „Ich werde dafür sorgen, dass in meiner Firma ein Workshop abgehalten wird, damit wir herausfinden, was zu tun ist. Dann können wir alle die Turnschuhe anziehen und der Konkurrenz in der Krise davonlaufen!“
Offensichtlich hatte diese Anekdote (oder die Reaktion der Zuhörerin) die anderen sehr beeindruckt. Am Ende der Veranstaltung wurde ich mehrfach darauf angesprochen und ein weiterer Teilnehmer meinte: „Die Geschichte vom Bären, das war für mich das Beste von allem. Jetzt habe ich begriffen, worauf es ankommt. Ich muss ja nur besser sein als meine Konkurrenten, mehr nicht. Und soweit ich weiß, haben die sich auch noch nicht auf die mögliche Krise vorbereitet, geschweige denn notwendige Maßnahmen veranlasst und umgesetzt.“
Wer einmal den Prozess des krisenrelevanten Chancenmanagements in seinem Unternehmen erlebt hat und erstaunt zur Kenntnis nimmt, wie das Team mit Kreativität und Engagement arbeitet, der stellt sich vielleicht die Frage, warum es erst einer potenziellen Krise bedarf, um das Unternehmen zukunftssicher zu machen. Die Ergebnisse, die in solchen Workshops erzielt werden, sind erstaunlich. Aber noch bemerkenswerter ist, dass immer ein Ruck durch die Mannschaft geht und eine Aufbruchsstimmung entsteht, die in der Regel ausreicht, um die kommenden Aufgaben zu bewältigen.
i. Wir Zechpreller?
Das Kapitel heißt: „Wissen um Krisen“. Zum Schluss möchte ich noch auf einen Aspekt hinweisen, der mir sehr am Herzen liegt:
Wir