Anjuli Aishani. Janina Gerlach

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Anjuli Aishani - Janina Gerlach

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      Dann plötzlich schienen die Gedanken an meine Großeltern wie aufgereihte Dominosteine zu kippen und setzten eine Kettenreaktion in Gang. Im nächsten Moment schossen weitere Erinnerungen in meinen Kopf. Bild- und Wortfetzen, die ich seit diesem einen Tag vergeblich zu verdrängen versuchte. Bilder, die ungewollt vor meinem inneren Auge erschienen. Tränen stiegen mir in die Augen, die alte Wut kochte wieder hoch. Mit schmerzverzerrtem Gesicht und einem dicken Klos im Hals erinnerte ich mich zurück.

      Vor ziemlich genau einem Jahr hatte sich in unserer Familie eine Tragödie abgespielt. Da es mit dem FBI zu tun hatte, wusste ich leider nicht viel darüber. Was ich jedoch wusste, war absolut grausam. Mein Vater hatte irgendeinen gefährlichen Fall – mehr sagten sie mir nicht – und war nah dran, diese Gangster auffliegen zu lassen, als er ungewollt einen schweren Fehler beging. Irgendwie hatten die Kriminellen den Namen meines Vaters herausbekommen und sich dann ganz legal bei der Auskunft unsere Telefonnummer geben lassen. Irgendwo hatten sie ein Mädchen in meinem Alter aufgetrieben und zwangen sie, bei uns zu Hause anzurufen, um sich zu erkundigen, wo ich mich aufhielt. Sie hatten wahrscheinlich vor, mich zu entführen, um meinen Vater später erpressen zu können.

      Die ganze Sache war etwas verwirrend. Mein Vater sagte dem Mädchen am Telefon, dass ich den Tag bei meinen Großeltern verbringen würde und gab ihr deren Adresse, ohne zu ahnen, welche fatalen Folgen das haben würde. Was er zum Glück nicht wusste, war, dass ich mir eine Grippe zugezogen hatte und deshalb gar nicht bei Oma und Opa gewesen war.

      Am Abend erzählte er mir dann, dass eine Freundin namens Tiffany angerufen und nach mir gefragt hatte. Ich war mir jedoch absolut sicher, dass ich keine gleichnamige Person kannte. Wir ahnten das Schlimmste. Ohne groß darüber nachzudenken, stiegen wir alle ins Auto und fuhren zum Haus meiner Großeltern, welches in Gresham, keine 25 km von Portland entfernt, lag.

      Plötzlich brach die Erinnerung ab. Nur noch Wortfetzen, verschwommene Bilder

       Oma und Opa am Boden …

       … Blut …

       »Sie sind beide tot«

       … so viel Blut …

       »Sieh nicht hin, Anjuli«

       … ganz viel rotes Blut …

       »tot«

       ...

      Schnell schüttelte ich den Kopf, hielt mir mit der einen Hand die Augen zu und versuchte mit der anderen meine Ohren zu bedecken. Ich wollte das nicht hören, ich wollte das nicht sehen!

      Ein halbes Jahr war ich zur Therapie gegangen, um das alles zu vergessen, und jetzt kam es so plötzlich wieder hoch, dass ich mich nicht dagegen wehren konnte. Ich sank laut keuchend auf den Küchenboden und spürte, wie dicke Tränen meine Wangen hinab rannen. Ich versuchte mit aller Kraft an etwas Positives zu denken … so viel Blut … und stimmte leise im Kopf mein Lieblingslied an.

      

Baby you're all that I want

       When you're lyin' here in my arms

       I'm findin' it hard to believe

       We're in heaven

       And love is all that I need

       And I found it there in your heart

       It isn't too hard to see

      We're in heaven

      Ich hörte weit entfernt das Ticken der Uhr – um mich herum schien die Zeit jedoch stehen geblieben zu sein. Leise summte ich Bryan Adams vor mich hin und versuchte mich zu beruhigen. Ich suchte verzweifelt nach irgendetwas Positivem in meinem Kopf. Plötzlich tauchten ungewollt Bilder von heute Morgen auf. Ich sah Daniel, wie er mich anlächelte, Kathy, die mich von der Seite angrinste, Ms Carrol, die sich zu mir setzte…und auf einmal war da Nathan. Ich sah ihn vor mir, als wäre er wirklich da, wie er sich die Haare zur Seite strich und mir seine Hand entgegenstreckte.

      Schlagartig verlangsamte sich mein Puls, ich atmete erleichtert auf und die Erinnerungen an meine Großeltern verblassten, sodass ich wieder klar denken konnte. Langsam öffnete ich die Augen. Solche Attacken hatte ich früher, kurz nach dem Geschehen, öfter gehabt. Ein weiterer Grund für meine Eltern umzuziehen und der Hauptgrund, der für Floresville gesprochen hatte. Eine kleine Stadt, weit weg von allem und ein Ort, an dem uns so schnell keiner mehr finden konnte.

      Natürlich hatte mein Vater direkt danach unsere Nummer aus dem Telefonbuch streichen lassen und war jetzt extra vorsichtig. Es hatte sogar eine Zeit gegeben, in der er all meine Freunde, alle Telefonate und sogar meine Emails kontrolliert hatte. Erst als ich ihm später in einer heftigen Auseinandersetzung klar machte, dass das zu viel war, ließ er mir wieder ein Stück Privatsphäre. Dennoch war ich ihm dankbar dafür, wie er sich um unsere Familie kümmerte, und musste zugeben, dass ich mich mit der Alarmanlage und dem hohen Zaun um unser Haus schon um einiges sicherer fühlte.

      Als ich wieder bei klarem Verstand war, stand ich auf, stützte mich an der Küchenablage ab, damit ich nicht gleich wieder das Gleichgewicht verlor, und wagte einen Blick auf die Uhr: 17:28 Uhr. Ich hoffte nur, dass der Auflauf heute besonders schnell fertig werden würde. Schnell stellte ich den Herd an und beschloss schon jetzt, dass ich gleich keinen Hunger haben würde. Die Angst, dass die Erinnerungen wieder kommen könnten, war einfach zu groß.

      Langsam ging ich in das angrenzende Wohnzimmer, ließ mich auf die braune Ledercouch fallen und schaltete den Fernseher ein. Ich zappte einmal durch alle Kanäle, aber es kam leider nichts, dass mich auch nur annähernd interessierte. Ich war eher der Typ für kitschige, lustige Serien und die liefen leider nur abends. Also blieb ich bei irgendeiner beliebigen Talkshow hängen und verfolgte gelangweilt das Geschehen, während ich immer wieder den Kopf schüttelte und mich fragte, was für eine Art von Mensch sich im Fernsehen derart bloßstellen ließ. Mir war eigentlich egal, was ich mir anschaute. Hauptsache Ablenkung, denn ich wollte um jeden Preis verhindern, dass die Bilder zurückkamen. So verharrte ich also eine Weile im Wohnzimmer, bis ich endlich den Schlüssel im Schloss und kurz darauf die vertraute Stimme meiner Mutter hörte.

      »Anjuli! Wir sind wieder da!«, rief sie den Flur hinauf und wirkte ein wenig überrascht, als ich ihr von der Couch aus antwortete. Eine Minute später stand sie in der Tür, runzelte leicht die Stirn und schaute mich fragend an. »Ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst so blass aus?«

      Meine Mum ist wirklich eine typische Mutter.

      Eine von denen, die immer direkt bemerken, wenn etwas nicht stimmt – egal wie gut man es zu verbergen versucht. Mir blieb also nichts anderes übrig, als ihr kurz und knapp zu schildern, was passiert war. Direkt kam sie auf mich zu, setzte sich mit besorgter Miene neben mich und nahm mich in den Arm.

      »Mein armer Schatz, das tut mir leid. Ich hatte gar nicht daran gedacht, wollte nur dein Lieblingsessen für dich machen. Geht es dir denn jetzt besser?«

      »Ich weiß, das war auch echt nett von dir, Mum.« Ich lächelte sie dankbar an. »Mir geht‘s auch schon wieder besser. Ich mache

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