Der gefesselte Dionysos. Patrik Knothe
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der gefesselte Dionysos - Patrik Knothe страница 9
„Ich wollte dich zur Zusammenkunft abholen. Apollon ist schon vorgegangen.“ Sie schien sehr aufgeregt und neugierig.
„Alles klar, ich geh nur noch schnell etwas holen“, sagte er. „Warte vor der Tür auf mich.“
Petros ahnte glücklicherweise nichts und war geistig noch bei die Wolken das er gerade las. „Zusammenkunft? Ja … viel Spaß. Bis heute Abend und kommt nicht zu spät“, sagte er abwesend und war schon im wieder auf dem Rückweg ins Wohnzimmer.
Einen Augenblick später kam Dionysos mit einer riesigen Tüte aus dem Garten hervor.
„Was ist da denn drin“, fragte Sophia. Dionysos drehte sich zur Haustür um.
„Psst. Nicht zu laut. Hab ich vor paar Tagen bei meinem Opa mitgehen lassen. Meine Eltern dürfen nichts davon mitbekommen. Beeilen wir uns.“ Er schloss die Tür leise und beide gingen schnellen Schritts den Dodona-Hügel hinunter. Nach einigen Metern fühlte sich Dionysos sicher und sie verlangsamten ihren Gang.
„Da ist Holz drin. Wir werden ein kleines Feuer machen“, sagte er voller Freude.
„Wieso machen wir ein Feuer? Und was willst du uns eigentlich sagen?“
„Kommt alles später.“
„Das war echt mutig von dir, was du letztes Wochenende gemacht hast.“
„Danke.“ Mehr brachte er vorerst nicht heraus. Nicht nur ihre Worte entfachten ein Feuerwerk in ihm. Es war das erste Mal, dass er allein mit Sophia war. In seinem Bauch machte sich das bekannte, seltsame Gefühl breit. Er konnte nicht entscheiden ob es ein gutes oder ein schlechtes war, aber es ließ ihn für kurze Zeit alles unbedeutende vergessen; das Gestern und das Morgen verschwanden einfach in ihren schönen braunen Augen. Dieses Gefühl erhob ihn in eine andere Welt für die unsere hiesigen Bewertungsmaßstäbe keinen Ausdruck kennen. Es gab nur sie und ihn. Nur sie beide, wie sie gerade durch eine schöne, behaglich anmutende Dorfstraße schlenderten, wie sie so häufig in Delphi anzutreffen sind. Doch so schön das Singen der Vögel, das Blüten der Pflanzen oder die Wärme der Sonne war; nichts davon war mit Sophia vergleichbar.
Angestrengt dachte Dionysos nach, was er ihr wohl tolles erzählen konnte, ganz nach der Kunst in der Apollon ein Meister zu sein schien. Ihm fiel nichts ein …
„Apollon sagt, dass du ein richtig guter Gitarrenspieler bist“, begann sie wieder das Gespräch.
„Ich glaub ich bin nicht schlecht. Aber ich muss noch viel üben.“
„Spielst du mir mal was vor? Er hat gesagt, du kannst auch singen.“ Die doppelte Erwähnung von Apollon versetzte ihm einen leichten Stich. Doch sie hatte ein Thema angeschnitten indem er sich auskannte:
Er begann ihr vom Gitarre spielen und der Musik vorzuschwärmen. Von Künstlern die er bewunderte; die in seinen Augen den Menschen die größten aller Geschenke gemacht hatten.
„… weißt du warum Musik das Beste ist, was wir haben?“ Seine Augen glühten Sophia an.
„Weil jeder die Musik liebt; wirklich jeder! Der Arme wie der Reiche; der Kranke und der Gesunde; Mann, Frau; Nord- oder Südprovinzler; Baby oder Rentner … egal! Wenn man ein Lied oder eine Melodie hört die man liebt, dann herrscht für kurze Zeit Frieden in dir. Sonst gibt es das nicht. Den Armen lenkt die Musik davon ab ständig darüber nachzudenken wie er zu Geld kommen könnte; dem Reichen nimmt sie für kurze Zeit die Angst sein Vermögen zu verlieren oder es nicht mehr zu vermehren. Der Gesunde kann mit der Musik seine Gesundheit wieder voll genießen, der Kranke seine Krankheit vergessen …“
Und so fuhr er fort auf dem ganzen Weg bis zum Stadion. Sie waren so in das Gespräch vertieft, dass sie gar nicht wahrnahmen, dass es bereits eine Viertelstunde nach drei Uhr war. Alle 20 Kinder bis auf drei, die Dionysos die letzten Tage besucht hatte, saßen und standen schon auf der sandigen Laufbahn. Früher wurde sie oft für Wettkämpfe verwendet, wie Wettrennen, Weitwurf usw., doch nachdem der Staat neue Richtlinien für sportliche Ereignisse eingeführt hatte, die Stadtverwaltung von Delphi sich jedoch weigerte das Stadion für teures Geld aufrüsten zu lassen, war es dort die meiste Zeit menschenleer. Nur ab und an sah man Spaziergänger oder ein paar Jugendliche, die sich heimlich betranken.
Man muss sich jedoch darüber wundern, denn es war ein wirklich schöner, fast schon idyllischer Ort. Die Laufbahn, die circa 200 Meter lang und 30 Meter breit war, wurde von einem immer noch penibel gepflegten Rasen umschlossen, der ganz sanft nach außen hin anstieg und so etwas wie eine Tribüne bildete. Um diesen wiederum wuchsen viele Eichen, Kiefern und Birken, die den genannten Jugendlichen ein gutes Versteck boten.
Ein riesiges hölzernes, mit Mustern verziertes Schild thronte am Ende der Sandbahn. In geschwungenen Lettern stand geschrieben:
Nur wer stärket Bein und Arm
hält den Leibe seiner Seele warm
Und nur warmen Herzens Gunst
ist des Menschen größte Kunst
„Wo wart ihr denn so lange?“, rief ihnen schon von weitem Apollon entgegen. Auch die anderen erhoben sich. Fast alle waren aus Dionysos’ Schulklasse.
„Mmmhh … das blöde Holz war so schwer“, log er und schielte mit einem Seitenblick auf Sophia. Sie grinste und Dionysos freute sich insgeheim über die Eifersucht im Gesichtsausdruck Apollons.
„Was willst du jetzt eigentlich?“, rief ein anderer Junge mit roten Haaren, die ihm halb über den Augen hingen. „Warum machst du so ein Geheimnis aus der Geschichte? Und wieso sollen wir ein Spielzeug mitbringen? Zum verbrennen?“
„Genau.“ Die Entschlossenheit in Dionysos’ Miene ließ den Jungen verstummen. „Aber helft mir erst einmal mit dem Feuer. Dann erzähl ich euch um was es geht.“
Da aber plötzlich aus heiterem Himmel ein Fußballspiel begann und Dionysos den Zunder vergessen hatte, verzögerte sich der Beginn der Ansprache erheblich (der Zunder lag eigentlich bereits seit zwei Tagen unter Dionysos’ Bett … wäre doch Sophia nicht so unerwartet erschienen).
Als schließlich inmitten der Laufbahn eine ansehnliche Flamme brannte, setzte bereits die Dämmerung ein. Schwer atmend und schwitzend setzten sich die Kinder im Kreis um das Feuer herum. Eine leichte Frühlingsbrise durchdrang ihre nassen Haare und allmählich machte sich Stille breit. Alle starrten auf Dionysos, der noch als einziger auf den Beinen war. Es war ein mystischer, fast magisch anmutender Moment:
19 Kinder, die in einem verlassenen Stadion bei Sonnenuntergang zwischen Bäumen um ein Feuer sitzen. Elektrizität lag in der Luft!
IX
Dionysos blickte alle scharf an. Obwohl er, wie bereits erwähnt, für leicht wunderlich und seltsam befunden wurde („Is ja kein Wunder … bei der Mutter …“), genoss er trotz dessen von seiner Umwelt einen gewissen Respekt. Allein schon deswegen, weil er der beste Freund von Apollon war, dem stärksten und cleversten der gesamten siebten Klassenstufe. Doch da war noch etwas