Odyssee. Ben B. Black

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Odyssee - Ben B. Black

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Plan. Ich verschaffe euch und den Kindern so viel Zeit wie möglich, dann sorge ich dafür, dass van Hellsmann und seine Brut dorthin kommen, wo sie hingehören: In den tiefsten Schlund der Hölle.«

      ***

      Bedächtig öffnete Sandra die Tür, die vom Nottreppenhaus in einen Seitengang der Ebene 2 führte. Auf der anderen Seite war niemand zu sehen, trotzdem sorgte sie dafür, dass der Türschließer die Metalltür nicht mit einem lauten Rums ins Schloss schlagen konnte.

      Da hast du dich ja wieder in eine schöne Scheiße hineinlaviert, ging es hier durch den Kopf. Aber so war es schon mein ganzes Leben lang: Egal was ich anpacke, es zerbröselt mir immer genau in dem Moment unter den Fingern, wo es verspricht, gut zu werden. Okay, ich konnte die Kinder retten – zumindest bisher. Aber ansonsten ist doch alles im Arsch, und dabei ist mehr schiefgegangen, als selbst auf die Haut von hundert Kühen passt. Ich brauche mir rein gar nichts vorzumachen, ich bin ein Freak, und Jörg ist tot. Basta. Aus die Maus. Ende Gelände.

      Sandra hieb mit der Faust gegen die nahe Wand, bereute es jedoch sofort wieder, als das dabei entstehende klatschende Geräusch die Stille durchbrach. Für einen Moment lauschte sie, ob jemand – oder besser etwas – auf sie aufmerksam geworden war.

      Noch nicht mal leise sein kann ich, selbst wenn ich es mir noch so fest vornehme. Sandra verzog verächtlich das Gesicht. Eigentlich ist es ja auch völlig schnuppe, ob mich eines von van Hellsmanns Viechern annagt oder ich mitsamt dem Scheißkerl zur Hölle fahre. Wichtig ist nur, dass der Junkie, Erich, der Doc und die anderen genug Zeit haben, die Kinder in Sicherheit zu bringen. Das was ich hier mache, ist meine letzte und vielleicht sogar einzige gute Tat in meinem Leben, also kann ich dabei auch mit Pauken und Trompeten draufgehen. Scheiß auf das Schicksal, scheiß auf das Leben – und erst recht auf das Totleben!

      ***

      Zwei Gänge weiter traf Sandra auf die ersten Bewohner dieser Ebene. Diese blickten kurz auf, als sie um die Ecke kam, stuften sie dann aber anscheinend als nicht weiter beachtenswert ein und starrten wieder leer vor sich hin.

      Sandra fragte sich, wie van Hellsmann sich das bei seiner Forderung eigentlich gedacht haben mochte. Der Professor musste ja davon ausgehen, dass ihre Gruppe aus lauter lebenden Menschen bestand, wie hätte es einer davon in die Messe auf Ebene 2 schaffen sollen, ohne gebissen zu werden oder sich den Weg frei zu schießen? Oder legte van Hellsmann es etwa genau darauf an? Wollte er die »Anführer«, wie er es bezeichnet hatte, auf diese Weise einen nach dem anderen auf seine Seite bringen? Das konnte man wohl auch als eine Art »Überzeugungsarbeit« bezeichnen ...

      Als Sandra um die nächste Ecke bog, blieb sie überrascht stehen. Sie blickte direkt auf den Rücken eines Zombies, der zu Lebzeiten offenbar wohlgenährt gewesen war, und dieser Untote kam ihr äußerst bekannt vor. Dann wurde Sandra klar, wen sie da vor sich hatte. »Die Hengsten!«, entfuhr es ihr.

      Durch das Geräusch der Stimme aufmerksam geworden drehte sich das Annegret-Ding herum und glotzte Sandra blöde an.

      »Du warst auch schon zu Lebzeiten nicht die Hellste.« Sandra konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Immerhin passen deine altbackenen Klamotten nun zu deinem neuen Teint. Keine Probleme mehr mit dem allmorgendlichen Schminken, was?«

      Das Annegret-Ding grunzte, dann wandte es Sandra wieder den Rücken zu.

      »Und deine Manieren sind auch nicht besser geworden.« Sandra kicherte. »Wenn deine Amtszeit als zweite Bürgermeisterin der ›wahren Menschen‹ ein wenig länger als ein paar Stunden gedauert hätte, müsste ich davon ausgehen, dass dich die Macht korrumpiert hat, so wie es bei den meisten ist, die sich Politiker nennen. Aber du warst schon immer ein selbstsüchtiger Trampel, es grenzt also an ein Wunder, dass du nicht bereits vor der Apokalypse Karriere in der Lokalpolitik gemacht hast.«

      Mit wem rede ich hier eigentlich?, durchzuckte es Sandra, als ihr auffiel, dass sie soeben einen längeren Monolog gehalten hatte, den das Annegret-Ding nicht einmal mehr mit einem Grunzen quittierte.

      In diesem Moment waren vom anderen Ende des Ganges her Geräusche zu vernehmen. Prompt setzte sich Annegret in Bewegung und schlurfte langsam in die entsprechende Richtung.

      Sandra überlegte, ob sie zur Messe weitergehen sollte, da tauchte an der nächsten Gangbiegung eine Gestalt auf, deren Kleidung Sandra entnahm, dass es sich einst um einen Militärgeistlichen gehandelt haben musste. Unwillkürlich fiel ihr Pfarrer Patrick Stark ein, mit dem zusammen sie aus Köln geflohen waren. Gefühlt lag das inzwischen Jahre zurück und Sandra fragte sich, ob der Geistliche seine letzte Ruhe gefunden haben mochte. Laut Stephan war Stark in Bonn von den anstürmenden Zombies überrannt worden, aber der Tod besaß heutzutage nicht mehr zwingend einen endgültigen Charakter.

      Als der Seelsorge-Zombie das Annegret-Ding erblickte, legte er mit einem Mal eine Geschwindigkeit an den Tag, bei der Sandra glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können. Annegret selbst hatte bei seinem Anblick offenbar das Interesse an dem Geräusch, das der andere verursachte, wieder verloren und blieb einfach dort stehen, wo sie sich im Moment befand. Im nächsten Augenblick erreichte der schnelle Zombie sie und riss ihr mit einem Ruck den Kopf von den Schultern. Achtlos ließ er ihn fallen, und während Annegrets Augen empört in ihren Höhlen rollten, bildete ihr Körper eine Art Festmahl für den flinkeren Kollegen.

      Mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination betrachtete Sandra die Szenerie. Dabei lauschte sie in sich hinein und versuchte, ihre eigenen Empfindungen weiter zu erkunden. Würde sie auch irgendwann so sein, und gierig über andere Zombies herfallen? Sicher, in der Not fraß der Teufel bekanntlich Fliegen, aber auch so etwas wie Annegret-Zombies?

      Sandra vermeinte zu spüren, wie sich Speichel in ihrem Mund sammelte. Unwillig schüttelte sie den Kopf. »Bäh!«

      Der Seelsorge-Zombie unterbrach seine Mahlzeit und sah sie neugierig an.

      »Du bist neu hier, oder?«, fragte er. »Zumindest habe ich dich bislang nicht gesehen.«

      Das Ding konnte sprechen?!? Nun, warum nicht, schließlich konnte Sandra das auch. Aber der andere trug keinen Gürtel, der ihn bei Verstand hielt. Welche Teufelei hatte van Hellsmann hier unten wirklichen ausgeheckt?

      Bei näherer Betrachtung stellte Sandra fest, dass an dem anderen irgendetwas nicht zu stimmen schien. Er wirkte ein wenig aufgedunsen, obwohl er zu Lebzeiten mit Sicherheit eher der asketische Typ gewesen war.

      »Also bist du nun neu hier oder nicht?«, rissen die Worte des Seelsorge-Zombies sie aus ihren Überlegungen. »Oder gehörst du gar zu den Langsamen? Dann bleib schön da stehen, meine Süße, mit der hier bin ich nämlich gleich fertig.«

      »Ich bin nicht deine Süße!« Sandra schnaufte empört. »Wage es, bloß deine stinkende Hand nach mir auszustrecken, und ich lasse dich dein eigenes fauliges Fleisch kosten!«

      »Oho, du scheinst ja eine ganz Wilde zu sein. Aber meine Frage hast du nicht beantwortet. Bist du neu hier?«

      »Das geht dich einen Scheiß an! Und jetzt geh mir aus dem Weg, der Professor erwartet mich!«

      »Du sollst zum Obersten Lenker?« Die Augen des Untoten wurden groß. »Das ändert natürlich alles. Magst du einen Happen zur Stärkung abhaben? Normalerweise teile ich nicht, musst du wissen.«

      »Danke, ich habe schon gespeist. Und jetzt geh mir aus dem Weg und lass mich vorbei, bevor ich dich melde.«

      »Ist ja schon gut.« Der ehemalige Pfarrer machte zwei Schritte in Richtung der Korridorwand, achtete dabei aber darauf, seine

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