Odyssee. Ben B. Black
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»Wenn dem so wäre, hätten Sie natürlich recht. Wenn man einen Totlebenden unter sich duldet, warum dann keinen zweiten? Die Wahrheit ist, dass die Menschen die Bestien sind, nicht wir! Sie haben Frank erschlagen, ihm die ganze Schuld an dem Desaster gegeben und sich auf grausamste Weise an ihm gerächt. Erst haben sie ihm den Gürtel weggenommen, und als die Wirkung der Beruhigungsmittel nachließ den Kopf vom Körper getrennt. Eine Weile haben sie makabere Spiele mit dem immer noch lebenden Schädel getrieben, bevor sie ihm endlich den Gnadenschuss gaben.« Sandra schloss die Augen und wandte sich ab. »Es war furchtbar!«
»Das klingt in der Tat nicht sehr schön, und es bestätigt mir das, was ich schon immer wusste: Es ist an der Zeit für eine neue Ordnung. Der Mensch hat als Krone der Schöpfung ausgedient. Nur eine Frage noch: Warum haben sie mit Ihnen nicht dasselbe gemacht?«
»Weil ich einst eine von ihnen war. Ich vermute, sie haben aus Sentimentalität so gehandelt oder hatten einfach ein schlechtes Gewissen, keine Ahnung.« Sandra zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich war es in etwa so, als wolle man ein Kaninchen, dem man einen Namen gegeben und das man liebgewonnen hat, einfach schlachten, das bringt man normalerweise auch nicht übers Herz. Darüber hinaus brauchten sie noch jemanden, der sich mit Ihnen hier treffen würde, und da kam ich wohl gerade zur rechten Zeit.«
»So, so. Könnte gut sein.« Van Hellsmann dachte einen Moment lang nach, bevor er fortfuhr: »Sind Sie sich eigentlich ganz sicher, dass die Umwandlung bei Ihnen spontan stattfand und nicht etwa Frank seine Finger mit ihm Spiel hatte?«
»Ganz sicher. Doktor Steins war zum Zeitpunkt meines Todes bereits endgültig gestorben. Und von den anderen besitzt keiner das Wissen oder die Möglichkeiten, den Prozess, der Sie beide damals zu Totlebenden gemacht hat, durchzuführen.«
»Interessant, interessant.« In van Hellsmann erwachte der Wissenschaftler. »Wenn ich ergründen kann, was Ihnen genau widerfahren ist, bringt das meine eigenen Forschungen sicherlich ein gutes Stück voran. Haben Sie etwas dagegen, dass ich sie gründlich untersuche?«
»Nein, natürlich nicht.« Sandra lächelte ihr bezaubernstes Lächeln. »Was Ihnen hilft, hilft auch mir. Soll ich mich schon mal frei machen?«
***
Hatte Sandra geglaubt, van Hellsmann würde ihren Reizen erliegen, so sah sie sich enttäuscht. Obwohl ihr Körper immer noch nahezu makellos war, nahm der Professor keinerlei Notiz davon, sondern untersuchte sie mit der kühlen Sachlichkeit und Professionalität, mit der er vermutlich auch eine Reihe von Petrischalen katalogisieren würde. Niemand hatte jemals etwas angedeutet, dass van Hellsmann sich nichts aus Frauen machte, aber vielleicht lag es ja an seiner jetzigen Daseinsform, dass er über keinen entsprechenden Trieb mehr verfügte.
Sandra lauschte in sich hinein, während sie mechanisch den Anweisungen wie »Einatmen! Jetzt die Luft anhalten!« Folge leistete. Wie war das bei ihr? Spürte sie auch nichts mehr? Sandra konzentrierte sich und dachte intensiv an einen Schauspieler, den sie früher immer mehr als attraktiv gefunden hatte. Sie stellte sich seinen gut gebauten Körper nackt vor, wie er erregt auf sie zuging und sie mit einem verführerischen Lächeln bedachte. Da war – etwas. Aber es war anders als ihre frühere Empfindungen, trotzdem handelte es sich eindeutig um eine Form von Stimulation.
Scheiße!, schoss es Sandra durch den Kopf. Mit diesem van Hellsmann ist anscheinend noch mehr nicht in Ordnung. Aber warte nur, mein Lieber, irgendwann und irgendwie wickele ich dich schon noch um den Finger.
»Jetzt nehme ich noch ein kleine Gewebeprobe, dann sind wir für den Moment fertig.« Die Stimme des Professors riss Sandra aus ihren Gedanken. »Was ich bisher sagen kann, sind Sie eine normale Totlebende, die sich bester Gesundheit erfreut. Einen Schnupfen können wir also ausschließen.« Van Hellsmann lachte, als habe er eben den besten Witz der Welt gerissen. Dann wurde er wieder ernst: »Nachdem ich die Proben in meinem Labor untersucht habe, kann ich sicher mehr sagen. Schauen Sie sich doch in der Zwischenzeit ein wenig in ihrer neuen Heimat um.« Der Professor nickte ihr noch einmal freundlich zu, dann verließ er die Messe eiligen Schritts.
Sandra blickte ihm kurz hinterher, dann zog sie sich wieder an und überprüfte den Sitz ihres Gürtels. Es schien alles in Ordnung zu sein.
»Na prima«, murmelte sie zu sich selbst. »Und jetzt?«
Einem ersten Impuls folgend wollte sie darangehen, die Redundanzzentrale auf dieser Ebene aufzusuchen, überlegte es sich aber an der Tür der Messe anders. Van Hellsmann mochte wie ein irrer Wissenschaftler wirken, aber er war nicht dumm. Bis er ihr vertraute, würde er sie sicherlich überwachen lassen, und da wäre es äußerst dumm von ihr, ihn regelrecht mit der Nase auf ihren eigentlichen Plan zu stoßen.
»Da bist du ja wieder«, erklang in diesem Moment eine Stimme von der nächsten Gangbiegung her. »Hast denn den Obersten Lenker gefunden?«
Sandra erkannte den Seelsorge-Zombie wieder, dem sie bereits auf dem Herweg begegnet war. Irgendwie wirkte er noch aufgedunsener als zuvor, was ihn aber nicht zu stören schien. Konnte der Kerl sie nicht einfach in Ruhe lassen?
»Was willst du?« Sandra funkelte den anderen böse an. »Du weißt doch, dass du die Finger von mir lassen sollst.«
»Wer sagt denn, dass ich dich anfassen will? Wenn du das neuste Spielzeug des Obersten Lenkers bist, werde ich dich schön in Ruhe lassen, aber das hast du dir sicher schon gedacht, oder nicht?«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet. Was willst du?«
»Ich möchte einfach nur ein wenig nett sein, das ist alles. Wenn du willst, zeige ich dir einen Platz, wo man immer ein paar Langsame finden kann.«
»Danke, kein Interesse.« Sandra hob abwehrend die Hand, um ihre Worte zu unterstreichen. »Wenn ich Hunger bekomme, werde ich mir schon zu helfen wissen.«
»Du musst wissen, was du tust, schließlich bist du erwachsen. Ich geh dann mal weiter, denn da hinten ist etwas. Und wenn du es dir anders überlegst ...«
»Werde ich nicht«, fuhr Sandra dem Untoten ins Wort. »Und jetzt beeil Dich, bevor dir einer der Kumpels das leckere Fresschen streitig macht. Husch, husch!«
Kurz sah es so aus, als wolle der andere noch etwas erwidern, dann wandte er sich ab und verschwand mit atemberaubender Geschwindigkeit in einem der Seitengänge.
***
Sandras Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Nach dem Gespräch mit dem Seelsorge-Zombie hatte sie sich wieder in die Messe zurückgezogen und dort auf van Hellsmann gewartet. Seither waren gut vier Stunden vergangen, wie sie der erstaunlicherweise immer noch funktionierenden Wanduhr entnahm, da geruhte der Professor endlich, sich wieder blicken zu lassen.
»Haben Sie ihren Rundgang schon beendet?«, fragte er gutgelaunt. »Eigentlich kennen Sie ja schon alles, nicht wahr? Nur die Wesensart der Bewohner hat sich seit ihrem letzten Besuch ein wenig gewandelt.« Van Hellsmann lachte meckernd. »Aber vielleicht konnten Sie ja die eine oder andere Bekanntschaft schließen.«
»In der Tat.« Sandra nickte. »Da rennt so ein Typ in der Kluft eines Militärpfarrers herum. Anstatt mir die Beichte abzunehmen, quatscht er mich lieber voll.«
»Das ist Pfarrer Braun.« Van Hellsmann lächelte, und mit Stolz in der Stimme fuhr er fort: »Ein aufgeweckter Bursche, wenn ich das einmal so sagen darf. Ist wesentlich beherrschter als die anderen, und mit ein wenig Glück wird er es einmal weit bringen. Von ihm brauche ich auch noch eine Gewebeprobe, denn er ist von allen