Die Hanf-Medizin. Tanja Bagar
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Cannabidiol bindet an Rezeptoren, die für die Schmerzregulierung verantwortlich sind.
Ein Beispiel dafür ist die Thermo-TRP-Kanalfamilie, eine Familie von zellulären Ionenkanälen: TRP Vanilloid-1-und 2-Rezeptoren werden durch Capsaicin aus Chili bzw. CBD aus Hanf aktiviert. Sie sind dafür verantwortlich, den Körper mit Informationen über Temperaturänderungen in der Umwelt zu versorgen. Da wir wissen, dass die Regulierung der Körperkerntemperatur und die Reaktion auf Veränderungen der Außentemperatur unter der Kontrolle des Endocannabinoid-Systems steht, ist es unter diesem Gesichtspunkt nicht verwunderlich, dass die Familie der Thermo-TRP-Kanäle auf Cannabinoide reagiert. Der Hypothalamus, der die Körpertemperatur reguliert, hat auch viele Cannabinoid-Rezeptoren. So verursacht Anandamid Fieber, nachdem es an die CB1-Rezeptoren im Hypothalamus gebunden wurde.
Ein weiteres Beispiel wären die Peroxisom-Proliferatoraktivierten Rezeptoren (PPAR), die bei der Entscheidung, welche Gene ruhiggestellt werden und was aktiviert wird, eine wichtige Rolle bei der Zelldifferenzierung und -entwicklung, dem Stoffwechsel (Kohlenhydrat, Lipid, Protein) und der Tumorgenese spielen. Unter Berücksichtigung der Rolle, die Endocannabinoide in diesen Prozessen spielen, kann ihre Aktivierung von PPAR einer der Wege sein, Zellen durch Cannabinoide tiefgreifend zu beeinflussen.
Es ist auch bekannt, dass sich das pflanzliche Cannabidiol (CBD) an einen sehr interessanten Rezeptor, den Serotonin-1A-Rezeptor oder 5-HT1A-Rezeptor bindet. Diese Rezeptoren sind in unserem Gehirn sehr verbreitet und an der Neuromodulation – im Zusammenhang damit auch der Schmerzregulierung – beteiligt. Neben anderen Effekten, die vorrangig für Serotonin, das Glücksmolekül, bekannt sind, verursachen sie eine Senkung des Blutdrucks und der Herzfrequenz. Viele bekannte Medikamente gegen Angst und Depressionen wirken genau auf diese Rezeptoren.
Neben allen Rezeptoren, an die Cannabinoide binden und die Funktion unserer Zellen und unseres Körpers verändern, können Cannabinoide auch völlig unabhängig von Rezeptoren arbeiten. Cannabinoide sind Lipide, das heißt, sie sind fettlöslich. Da auch die Außenseite der Zellen – die Membran – in erster Linie aus Fettsäuren besteht, können die Cannabinoide Rezeptoren umgehen, die Lipiddoppelschicht durchdringen und so in die Zelle gelangen. Bis zu einem gewissen Grad ist sogar die Antitumorwirkung von Cannabinoiden rezeptorunabhängig. Dazu ist die Bildung von Lipidflößen – stabileren Stellen der Membran – wichtig, wobei Ceramid, ein spezifisches Fett, dafür entscheidend zu sein scheint.
Neuroprotektive Eigenschaften von Cannabinoiden (CBD und THC) sind rezeptorunabhängig, wie eine Studie bereits 1998 zeigte. Im Jahr 2000 fand man heraus, dass Δ9 (THC), Δ8-THC und Cannabidiol (CBD) als Antioxidantien wirken und die Zellen vor dem Absterben bereits in sehr niedrigen Konzentrationen (submikromolar) schützen, ohne sich an die Rezeptoren zu binden. CBD verhindert auch rezeptorunabhängig, dass Zellen des Gehirntumors (Gliomzellen) in neues Gewebe wandern, also metastasieren. Seine hirnschützenden Eigenschaften gelten auch für den Fall eines Schocks oder einer Verletzung, eben weil sie rezeptorunabhängig sind.
Besondere Moleküle
Endocannabinoide werden als kurzfristige Signale bezeichnet, weil sie nur dann synthetisiert werden, wenn der Körper sie braucht. Danach werden sie schnell durch Enzyme abgebaut. So gesehen sind die Endocannabinoide anders als andere Signalmoleküle, wie beispielsweise Hormone, die viel länger im Körper bleiben. Sie werden auch sehr lokal produziert: Wird der Fußknöchel verletzt, werden sie genau an dieser Stelle produziert. Und sie senden retrograde Signale. Das heißt, das Signal wird zurück in die Nervenzellen gesendet, um damit das Nervensystem zu regulieren.
Endocannabinoide werden von Natur aus in unserem Körper produziert. Omega-3-Fettsäuren dienen als Vorläuferstoffe (Präkursor) oder Bausteine für die Bildung von Endocannabinoiden. Die bekanntesten und am besten erforschten sind folgende:
• AEA – Anandamid (N-arachidonoylethanolamine): Der Name kommt aus dem Sanskrit »Ananda« und bedeutet Freude oder reines Glück. Es hat im Körper unterschiedliche Wirkungen und ist in der Funktion dem pflanzlichen THC ähnlich. Es bindet an CB1- und auch CB2-Rezeptoren, wird im Körper »on demand« produziert und ist auch in der Muttermilch nachweisbar.
• 2-AG (2-Aeachidonoylglycerin) wird in höheren Konzentrationen im zentralen Nervensystem produziert und findet sich auch in der Muttermilch. Es bindet sowohl an die CB1-wie auch an die CB2-Rezeptoren.
Es gibt noch viele andere Endocannabinoide, allerdings ist ihre Funktion bisher noch nicht restlos erforscht.
Das Endocannabinoid-System (ECS)
Das endogene Cannabinoid-System, kurz: Endocannabinoid-System, ist Teil der menschlichen Anatomie. Der Begriff »endogen« beschreibt Prozesse, die im Körper stattfinden und nicht auf äußere Einflüsse zurückgehen. Zentrale Bestandteile sind die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 sowie körpereigene Cannabinoide bzw. Endocannabinoide, die an die Rezeptoren binden und diese aktivieren. Des Weiteren sind die Enzyme wichtig, die für die Produktion und den Abbau von Endocannabinoiden sorgen. Wird Cannabis konsumiert, bindet der Wirkstoff THC ebenfalls an Cannabinoid-Rezeptoren und entfaltet so seine Wirkung. Unser Endocannabinoid-System ist gewissermaßen mit unserem Hormon-System oder unserem Neurotransmitter-System vergleichbar, nur kann es viel mehr. Es ist Teil eines interzellulären Kommunikationssystems, das seit der Evolution der Pflanzen auf der Erde weitergegeben wurde. Manche Wissenschaftler haben postuliert, dass durch die Entwicklung dieses Systems und dieser Rezeptoren die Voraussetzung zur Bildung von Gewebetieren überhaupt erst möglich werden konnte.
Das Endocannabinoid-System mit Cannabinoid-Rezeptoren und Cannabinoiden zwischen Immunzelle und Neuron
Die Liste der physiologischen Prozesse, die das ECS beeinflusst, ist sehr lang, hier sind einige Beispiele:
• Stimmung
• Appetit
• Stoffwechsel
• Neuronale Funktion und Schutz
• Kardiovaskuläre Funktionen
• Fruchtbarkeit
• Immunfunktion
• Tumorgenese
• Gedächtnis
• Schlaf
• Schmerzmodulation
• Hormonproduktkon
Als begonnen wurde, das ECS in verschiedenen Systemen und Zelltypen zu untersuchen, konnte festgestellt werden, dass es Auswirkungen auf die überwiegende Mehrheit der Zell-, Gewebe- und Organfunktionen hat. Die Beschreibung, was genau das ECS macht, war keine leichte Aufgabe, da es Einfluss auf die vitalsten und wichtigsten Prozesse in unseren Zellen zu haben schien. Als Ergebnis seiner langen Arbeit fasste Raphael Mechoulam, der Vater der Erforschung der Endocannabinoide, Rolle und Funktion dieses Systems in fünf Worten zusammen: essen, schlafen, entspannen, vergessen und schützen.
Eine weitere Möglichkeit der Erklärung ist der Vergleich des ECS mit dem Immunsystem. Wir alle wissen, dass wir ein komplexes Immunsystem haben, das uns vor pathologischen Bakterien, Viren