Was macht das Stinktier im Kofferraum?. Phil Callaway
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»Dad«, sagte mein Sohn vor Kurzem. Den Kopf schräg gelegt schaute er dabei auf meine Nase. »Wenigstens steht sie nicht nach oben, sonst würdest du bei einem Regenguss ertrinken.«
Lachen hilft. Aber trotzdem mag ich Schmerzen nicht.
Deshalb erstaunt es mich immer, wenn ich von Menschen höre, die gar nicht genug davon bekommen. Zum Beispiel Jean Luc Antoni. Für Jean gibt es nichts Schöneres, als Ski zu fahren ohne Schnee. Ja, er hat den Weltrekord aufgestellt im Ski fahren auf Felsen. Jean Luc kam ins Buch der Rekorde, als er mit fast 100 Sachen auf einem Monoski in Frankreich einen felsigen Hang hinunterschoss. Das Schwierigste war, so gab Jean Luc zu, unten anzuhalten, ohne gleichzeitig seine Karriere zu beenden. Also errichtete der erfinderische Franzose unten eine Wand aus Pappe, in die er hineinfahren konnte.
Ich glaube, Jean hat als Junge zu viele Gewichte über den Kopf gehoben.
Aber seine Heldentaten sind noch gar nichts im Vergleich zu Reg Mellor.
Im zarten Alter von 72 Jahren ist Reg der amtierende Weltmeister im »Frettchen-Hosen-Wettbewerb«. Die meisten seiner Mitstreiter würden ihren Enkeln nur zu gerne von einer solchen Ehre erzählen – wenn sie denn lange genug lebten. Wahrscheinlich haben Sie noch nie etwas von einem »Frettchen-Hosen-Wettbewerb« gehört, und für den Fall, dass Sie es selbst einmal ausprobieren möchten, erkläre ich ihnen kurz die Regeln. Bei diesem Wettbewerb werden (und das ist mein voller Ernst) dem Teilnehmer die Hosenbeine an den Knöcheln zugebunden. Dann führt man von oben in jedes Bein einen bissigen, etwa 30 Zentimeter langen, Fell tragenden Fleischfresser, auch Frettchen genannt, ein.
Sind die Frettchen in den Hosenbeinen, schnürt der Schiedsrichter oben den Gürtel zu. Jetzt geht es darum, so lange wie möglich regungslos dazustehen, während diese kleinen, wieselähnlichen Biester mit ihren nadelspitzen Krallen und den rasiermesserscharfen Zähnen versuchen, sich aus der Hose zu befreien.
Reg Mellor ist stolzer Halter des Weltrekordes. Fünf Stunden und 26 Minuten lang konnte er es sich verkneifen zu rufen: »He, wer hat mir die Frettchen in die Hose gesteckt?« Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Reg an einem kalten Winterabend mit seinen Enkeln vor einem lodernden Kaminfeuer sitzt und ihnen die Geschichte erzählt.
Großvater Reg: So war das damals, Kinder. Und die Geschichte ist so echt wie die Zehen an euren Füßen. Keiner ist auch nur annähernd in die Nähe meines Rekordes gekommen.
Enkelkinder: Wow, Großvater, du bist wirklich klasse! Zeigst du uns noch mal deine Holzbeine?
Es gibt da eine ganz einfache Sache, die die meisten von uns von einem Reg Mellor oder einem Jean Luc Antoni unterscheidet: Wir suchen den Schmerz nicht mit Absicht. Wir suchen vielleicht nach Abenteuern, aber nicht nach Schmerzen. Wir sind sogar mit einem gottgegebenen Schmerz-Abwehr-System ausgestattet, das sich schon in ganz jungen Jahren einschaltet und Sätze aus uns hervorbringt wie: »Mama! Kratz mich vom Herd ab!«
Aber eines Tages wachen wir dann auf und stellen fest, dass Mama nicht mehr in der Küche ist, und dass niemand mehr da ist, der uns hilft. Und was noch schlimmer ist: Wir mussten nicht erst nach Schmerzen suchen, sie kamen von ganz alleine. Vielleicht war es das Klingeln an der Tür, der Anruf oder jemand, der uns auf die Schulter getippt hat. Und schon waren wir schnüffelnd auf unserem Lebensweg unterwegs und haben uns gefragt, was da so grauenvoll stinkt und warum es ausgerechnet in unserem Kofferraum landen musste.
Ich weiß auch nicht, wie ich auf den Gedanken gekommen bin, das Leben sei wie Slalom fahren auf einer weichen Pulverschneepiste. Bestimmt habe ich das nicht im Kindergarten gelernt. Erinnern Sie sich noch an einige der Verse und Lieder, die wir dort gelernt haben? Als ich etwa zwei oder drei Jahre alt war, schaukelte meine Mutter mich sanft auf ihren Knien und summte dabei das traurigste Lied, das ich kenne. Jetzt, wo sie Enkelkinder hat, fügt sie ihren sanften Gemütern nur allzu gerne die gleiche Grausamkeit zu. »Oma«, betteln die Kinder, »sing uns das Lied von der Katze. Das Lied, das du Papa immer vorgesungen hast, als ihr in der Arche wart.«
Und so gibt sie das folgende kleine Familienerbstück an sie weiter:
Wo ist mein Kätzchen mit den weißen Tätzchen?
Ich suchte im Haus von oben bis unten,
doch hab ich es auch unterm Bett nicht gefunden.
Mein treuer Hund, Moritz, der liebste von allen,
der tat mir einen großen Gefallen.
Er half mir suchen, draußen, unter den Buchen.
Wo war nur mein Kätzchen geblieben?
Zu guter Letzt suchten am Bach wir dort unten
Und siehe da war mein Kätzchen – ertrunken!
Es ist ein Wunder, dass ich bei diesem Gute-Nacht-Lied überhaupt schlafen konnte.
Als unsere Kinder noch klein waren, versuchte ich, einige dieser bedrückenden Texte umzudichten, um sie für empfindsame Kinderseelen angemessener zu machen. Ich sang ihnen Verse vor, in denen Humpty Dumpty wieder zusammengeflickt werden konnte, die alte Mutter Hubbart Chips zu essen fand und die alte Frau, die im Schuh lebte, genau wusste, was zu tun war. Die Kinder hörten aufmerksam zu und sagten dann: »Ach nein, Papa. Sing das Lied vom Kätzchen.«
Wahrscheinlich hat es auch seine Vorteile, wenn man schon früh lernt, dass das Leben nicht immer nach Wunsch verläuft. Diejenigen, die bei den Kinderliedern gut zugehört haben, wissen vielleicht, dass das Leben eine bunte Mischung aus banalen Dingen und großen Abenteuern ist, aus erhabenen und lächerlichen Momenten. Dass uns Menschen enttäuschen und Freunde uns im Stich lassen, und dass Stürme kommen. Diese Feststellung mag im ersten Moment missmutig klingen, aber sie ist immens wichtig, um Freude ins Leben zu bringen. Das ideale Leben ist nicht Hakuna Matata, jene von allen Problemen freie Philosophie, die Timon und Pumba dem jungen Simba in Der König der Löwen beibringen. Das wäre zwar schön, aber es dürfte schwer sein, auch nur einen einzigen Menschen auf der Welt zu entdecken, für den das Leben ein Kinderspiel war.
Uns von der Vorstellung frei zu machen, dass das Leben fair sei, ist eine wichtige Voraussetzung, um unseren Humor wiederzufinden. Sich dem Unbekannten auszusetzen und es mit Gottes Hilfe zu überwinden, gehört sogar dazu, wenn man echte Lebensfreude finden will. Deshalb fasziniert mich die Bibel schon mein ganzes Leben lang. Sie hält nichts zurück. Ihre Helden stolpern, ihre Geschichten entsetzen uns manchmal oder machen uns traurig. Im Schaukelstuhl erfuhr ich von Abrahams Lügen und Davids Betrug, von den Hunden, die Isebel fraßen, und von Herodes‘ Verrat. Und mitten in alledem entdeckte ich den Einen, der uns niemals im Stich lassen wird. Bibelverse, die man als Kind lernt, bleiben hängen, nicht wahr?
Vielleicht weiß ich jetzt, warum ich trotz dieser Gute-Nacht-Geschichten im Schaukelstuhl so gut schlief. Wahrscheinlich war mir klar, dass die Zukunft unberechenbar war, aber sich Sorgen zu machen war, wie im Schaukelstuhl zu sitzen: Man ist ständig in Bewegung, aber kommt nirgends an.
Ich glaube, ich habe noch aus einem anderen Grund so tief geschlafen. Meine Mutter sang zum Abschluss des Tages immer ein altes Kirchenlied. Ich kann heute noch hören, wie sie sang, während der Wind den Regen gegen die Fensterscheibe prasseln ließ.
Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt,
ob Stürme auch drohen von fern,
mein Herze im Glauben doch allezeit singt:
»Mir