Der neue König von Mallorca. Jörg Mehrwald

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Der neue König von Mallorca - Jörg Mehrwald

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      »Nebenan.«

      »Wo nebenan?«

      »Im Hilton Resort.«

      Ernie schaute ihn mit großen Augen an. »Und warum wohne ich nicht auch dort, sondern in dieser Bruchbude?«

      »Weil deine Fans in solchen Bruchbuden wohnen. Du musst ein Gefühl für deine Fans entwickeln. Verstehst du.«

      »Nein, verstehe ich nicht. Ich bin doch der Star.«

      Der dicke Hugo schnaufte. Allmählich ging ihm dieses Möchtegern-Sternchen aber gehörig auf die Brieftasche.

      »Ernie, ich habe dich entdeckt. Ich bin der Macher. Ich habe die größten Schlagerstars betreut.«

      »Tony Marschall während des Entzugs, Bata Illic beim Deutschkurs, Roberto Blanco beim Einbürgerungstest?«, fragte Ernie zurück.

      »Ernie, wer schreibt dir die Gags? Ich will mal was klarstellen: Man sieht gleich, dass du keine Ahnung hast. Tony Marschall würde jede Art von Entzug ablehnen, weil er sonst selbst nicht mehr wüsste, wer er ist. Bata muss mit Akzent singen, weil ihn sonst keiner mehr erkennen würde. Roberto kann nicht zum Einbürgerungstest, weil die bei der Behörde anschließend nicht gern Schwangerschaftsvertretungen suchen. Ich bin der Manager, und wir haben Vertrag, wie der gute Poldi sagen würde. Wenn ich im Hilton wohne, hat das auch etwas mit meinen Netzwerken zu tun.«

      »Meinst du die Croupiers oder die Nutten?«

      »Okay, Ernie …« Hugo atmete tief durch. »Du lernst jetzt erst mal die Texte meiner zwei neuen Mega-Songs auswendig.

      ›Ich war noch niemals in Marbella‹ und ›Es fährt ein Taxi nach Calla de Major‹.«

      »Diese Titel kommen mir verdammt bekannt vor«, schwante Ernie nichts Gutes.

      Aber Hugo zuckte nur mit den Schultern. Er wusste, dass sein kleines talentiertes Sternchen ohnehin keine Wahl hatte, aber das musste er ihm ja nicht gleich auf die Nase binden.

      »Ernie, ich will dich trällern hören, wenn ich nachher wieder vorbeikomme. Wenn alles gutgeht, buche ich uns heute für einen wunderbaren Auftritt in der MegArena ein. Dann lässt du es krachen. Von da aus werden wir alles aufrollen.«

      Ernie packte lustlos seinen Koffer aus und summte die neuen Songs. Der misslungene kleine Auftritt hatte ihn doch getroffen. Hugo wollte auch nicht die Adresse von Drews rausrücken. Wenigstens beobachten wollte er ihn mal heimlich, bevor er den alten König von Mallorca auf der Bühne treffen würde.

      Nach dem Auspacken schaute er sich »Sturm der Liebe«, »Hanna« und »Marienhof« an. Danach empfing Ernie seinen Manager mit derart echter Schmalzigkeit, dass auch Hugo überzeugt war, Ernie habe nun den richtigen emotionalen Kontakt zu seiner Zielgruppe gefunden.

      »Junge, das klingt so, wie es klingen muss, um die kleinen Muschis an die Downloads und CDs zu treiben. Nur wenn du richtig ankommst, wirst du der neue König von Mallorca. Und im Hilton wohnt es sich beschissen, glaub mir, ich wäre auch lieber in deiner Nähe. Aber was nimmt man nicht alles auf sich. Und jetzt der Knaller, wir treten noch nicht auf, aber beim nächsten Mal.«

      »Was ist daran ein Knaller?«, fragte Ernie.

      Hugo zeigte sich vorbereitet. »Wir bekommen beim nächsten Mal den dritten Auftritt. Nach uns Onkel Jürgen. Diesmal müssten wir anfangen. Danach Möhre und Mickie Krause. Nicht gut, die Masse ist noch nicht so gut drauf für dich. Old School. Alles zum richtigen Zeitpunkt.«

      »Okay, dann warten wir eben noch die zwei Tage.«

      Es klopfte an der Tür. Ohne dass die beiden etwas sagten, schob sich die Tür langsam auf. Ein junges Mädchen, mit Zöpfen, engen hippen Klamotten, sich üppig durch das T-Shirt wölbenden Brüsten und einem netten Lächeln erregten Ernies Interesse aufs Äußerste.

      »Autogramme erst nach dem Auftritt«, versuchte Hugo möglichst clever zu reagieren, da er nicht wusste, wer die Fremde war und was sie wollte. Was er aber sofort begriff: Es drohte Gefahr, dass er schon bald nicht mehr die alleinige Herrschaft über Ernie besitzen würde; denn in der Tür stand etwas Besonderes.

      *

      Markus Müller und Dr. Ernst Stefest lernten inzwischen die Sitten der Ballermänner besser kennen. Kaum war der Touristenbomber in der Luft, kreisten die ersten Flaschen an Bord. Irgendjemand hatte die blonde Stewardess nach ihrem Vornamen gefragt, und die verriet unglücklicherweise auch noch, dass sie Uschi hieß. Das sollte ihr schon bald leidtun.

      Die Stewardessen versuchten mit zwei Durchsagen, den vom Bordverpflegungsplan abweichenden Alkoholkonsum zu unterbinden, und wurden prompt mit Sprechchören auf ihre eigentliche Verpflichtungen verwiesen. Dreimal intonierte ein Grüppchen aus Oberhausen den Klassiker aller Kindergeburtstage: »Wir haben Hunger, Hunger, Hunger und gaaaaanz viel Durst, Durst, Durst …«, woraufhin der Rest der Passagiere sich lauthals einklinkte und die Stewardessen in tätige Resignation trieb.

      Besonders Uschi hatte unter immer einfallsreicheren Rufen der Passagiere zu leiden: »Was trägt die Uschi unterm Rock? Das weiß nur der schärfste Bock!« zählte da noch zu den harmloseren Einfällen.

      Unterdessen zerrte Uschis Kollegin gedemütigt ihren Getränkewagen in den Gang und zischte: »Nächsten Monat mach’ ich Schluss hier, Uschi. Mallorca ist ein Strafkommando. Ich fliege nicht acht Jahre um die Welt, um hier als Anheizerin im fliegenden Barbetrieb zu landen. Dann kann ich auch gleich in einer richtigen Nachtbar anfangen.«

      »Übertreib nicht. Wir wollten ihnen das Trinken verbieten, und wir haben verloren, basta.«

      »Die Worte einer weisen Blondine von Welt. Hauptsache, dir gefällt’s, Uschi, Muschi … Möchten Sie ein Getränk …?«

      Stefest blätterte in seinen Unterlagen, während Müller leicht irritiert das Treiben an Bord beobachtete. Er bewunderte die Gelassenheit, mit der die Stewardessen trotz aller Obszönitäten der Passagiere ihren Job verrichteten. Gleichzeitig fiel sein Blick auf einen offensichtlich weiblichen Hinterkopf, der sich die ganze Zeit noch nicht bewegt hatte – als einziger. Die anderen bemühten sich nach Kräften, mit irgendjemandem auf Teufel komm raus in Kontakt zu kommen. Es sah beinahe so aus, als hätten sie panische Angst, nicht rechtzeitig den richtigen Trink oder Kopulationspartner zu erwischen.

      Müller wollte herausfinden, wie die Frau aussah, die inmitten dieses Lärms völlig ungerührt dasaß. Aus reiner Neugierde wollte er am liebsten gleich nach vorn auf die Toilette gehen, um auf dem Rückweg das Gesicht dieser Frau zu sehen, aber vor der Klotür warteten bereits sieben Trinkfeste und sangen voller Inbrunst alte Seemannslieder: »… deine Heimat ist das Meer, deine Freunde sind die Steeerne …«

      Stefest kommentierte diesen Auftritt belustigt: »Jetzt müsste sich der Kapitän mit einer Schiffsglocke melden, das wäre perfekte Animation.«

      Müller dachte eher an ein Nebelhorn. Inzwischen grölte die Meute »Ein Leben laaaaaaaanngg«, als wäre die komplette Schalker Südkurve in diesem Flieger unterwegs.

      »Ich stell’ mich ja ganz schön dusslig an!«, warf sich Müller im Stillen selbst vor. Wäre er Jupp aus der Kegelrunde, würde er einfach zu ihr hingehen und sagen: »Hi, ich bin das Double vom Brad Pitt.« Aber er konnte nicht aus seiner Haut – und Zeit, um vor dem Spiegel zu üben, war jetzt auch nicht mehr. Sollten die anderen ruhig ihre Anmache zelebrieren. Er war sicher, dass

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