Marivan unter den Kastanienbäumen. H. Ezadi

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Marivan unter den Kastanienbäumen - H. Ezadi

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wir unsere Forderungen für die politisch Inhaftierten formulieren sollen. Einige von uns sind nach Teheran gefahren und haben versucht, dort mit Jabhe Melle und Christian Michel, dem Vorsitzenden des Roten Kreuzes in Iran, Kontakt aufzunehmen. Diese Kontaktpersonen für Menschenrechte im Iran nehmen unsere Forderungen auf und sorgen dafür, dass die Weltmedien über uns berichten. Abe Kaweh ist nach Teheran gefahren, um diese Vermittler zu treffen. Sie werden dort unsere Forderungen mit Hilfe von Sadigh Kamanger, Abdullah Baban und Abe Soltani vortragen.“

      Ich sah Jewad an und sprach: „Ich bin sehr froh, dich zu kennen, sonst würde ich all diese Neuigkeiten niemals erfahren. Denkst du wirklich, dass ihre Reise nach Teheran Erfolg haben wird?“

      Jewad nickte. „Ja, natürlich. Bedenke, dass wir verloren wären, wenn wir diese klugen Köpfe nicht auf unserer Seite hätten, auf der Seite der Gerechtigkeit. Einer wie Sadigh Kamanger kennt alle Gesetze, alle Paragraphen, er weiß, was er tut. Aber wir müssen die notwendige Geduld aufbringen. Wir hoffen alle auf gute Nachrichten und warten, bis sie zurück sind. Jetzt ist es schon so, dass die Savak und Behörden bereits zittern, weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Das sind aber erst die ersten Schritte. Der Kampf geht weiter in alle Richtungen. Die gestrige Demonstration hat dieses Tabu an der Wurzel gepackt und wird in die Geschichte eingehen, weil sich bisher niemand getraut hat. Ein erster Ansatz. Die Menschen werden nicht mehr so viel Angst vor der Savak und der Behörde haben müssen.“ Jewad rieb sich die Augen. „Aber ich habe viel zu tun. Ich bin nur hier, um einige Arbeiten zu erledigen; dann muss ich zurück nach Sene. Du könntest übrigens hier für mich beziehungsweise für uns einiges erledigen, bis ich aus Sene zurück bin, wenn du magst. Ich werde nämlich wieder hinfahren.“

      „Was kann ich tun?“, fragte ich. Es machte mich in meinem Herzen froh, dass ich behilflich sein konnte. „Jewad, ich bin überzeugt davon. Ich mache mit. Sag mir, was ich tun soll.“ Ich konnte es kaum noch abwarten.

      „Nun mal langsam, Hussein! Also, in meiner Tasche habe ich Handzettel mit den Forderungen der Demonstranten und Gefangenen, die sich im Hungerstreik befinden. Diese Handzettel wirfst du hinter die Eingangstüren der Häuser in unserer Stadt. Jedoch nicht tagsüber! Geh nur in der Dunkelheit auf die Straße und achte immer darauf, dass dich niemand sieht und dich vor allem nicht mit den Handzetteln erwischt. Hefte die Zettel im Dunkeln an die Bäume in den Parks, also überall dort, wo sich tagsüber viele Menschen aufhalten. Am besten ziehst du dich dunkel an und trägst eine Mütze. Du gerätst in Gefahr, wenn dich jemand sieht.“

      Ich nickte zu allem und war stolz, dabei sein zu dürfen.

      Jewad war noch nicht fertig mit seinen Hinweisen. Er lächelte mich an und sagte: „Es ist eine große Verantwortung, die du übernimmst. Es ist für unsere gute Sache und für den Kampf um Gerechtigkeit. Sei immer auf der Hut, weil du dich auch selbst schützen musst. Wenn du mir versprichst, auf dich aufzupassen, darfst du diese Aufgabe übernehmen.“

      Ich nahm all die Handzettel entgegen und verkündete: „Ja mein Freund, ich mache das. Ich mache das so gut ich kann.“

      Ich verabschiedete mich, denn Jewad hielt es für besser, wenn ich vor ihm das Kaffeehaus verließ. Vermutlich aus Sicherheitsgründen. Jewad wollte hier nur seine Arbeit erledigen und dann schnell nach Sene zurückfahren.

      Ich klemmte die Plastiktasche mit den Handzetteln fest unter meinen Arm und fragte mich, was passieren würde, wenn mich die Savak oder die Polizei erwischte. Ach, dachte ich, dann komme ich eben ins Gefängnis und trete in den Hungerstreik – wie die anderen auch! Aber wenn sie mich foltern, mir die Fingernägel herausreißen, was sollen dann meine Eltern machen? Meine Mutter würde bitterlich weinen. Mein Vater hingegen würde stolz durch die Stadt laufen und verkünden, dass sein Sohn als politisch Gefangener im Gefängnis saß. Er zeigt sich gern etwas traurig, wäre aber im Herzen stolz.

      Ich wollte unterwegs in die Tasche schauen, dachte aber, dass das auf offener Straße zu gefährlich sei. Doch wenn ich jetzt nach Hause gehen würde, wüsste meine Mutter, dass ich nicht in der Schule gewesen war. Was sollte ich also den ganzen Vormittag tun? Ich beschloss, in den Park zu gehen. Um diese Uhrzeit waren dort kaum Menschen. Unterwegs machte ich mir bereits Gedanken, wie ich die Zettel verteilen würde. Ich nahm mir vor, nach dem Abendessen heimlich oder mit einer Ausrede rauszugehen. In der Dunkelheit würde ich dann die Zettel hinter die Eingangstüren der Häuser werfen.

      Unter einem Baum im Park schaute ich mir vorsichtig die Zettel an. Sie beinhalteten die Forderung der Gefangenen und die Erklärungen und Forderungen der Demonstranten. Ich begann zu lesen.

       FORDERUNGEN

      • Keine Folter

      • Verbesserungen der Sauberkeit und Gesundheit im Gefängnis

      • Mehr Zeit zum Duschen und für Hygiene

      • Verbesserung der Mahlzeiten (Menge und Qualität)

      • Mehr Zeit für frische Luft – Spazieren gehen im Hof

      • Erlaubnis für das Betreiben von Weltempfängern, um in der Zelle Radio zu hören

      • Erlaubnis für das Aufstellen einer Kochplatte, um Essen warm zu machen

      • Besuchserlaubnis für unsere Verwandten

      • Arztbesuche

      • Keine Beleidigungen durch Beamte gegen Gefangene

       Erklärung

       Wir, die Bevölkerung von Sanandaj aus allen Schichten der Bevölkerung – Intellektuelle, Lehrerinnen und Lehrer, Studenten, Schüler, Beamtinnen und Beamte und viele mehr –, sind in großer Sorge und traurig über das in Sanandaj am vergangen Samstag Geschehene. Wir alle wollen, dass wir, ebenso wie die iranische Bevölkerung nach den Tagen ihres Widerstands, unsere Freiheit und Rechte zurückbekommen. Die Anhänger des Regimes verhalten sich wie wilde Tiere gegenüber unserer Bevölkerung. Mit ihrem Verhalten will man das Volk ruhigstellen, Wir wählen für Demokratie und Freiheit. Es ist der falsche Weg, den das jetzige Regime einschlägt. Wir sind dagegen, wenn die Polizisten mit Gewalt und Schlagstöcken kommen und unsere friedlichen Demonstrationen mit Gewalt verhindern. Die jungen Menschen kann man nicht kontrollieren. Unsere Jugend kann sich gegen die Gewalt des Regimes nur mit Gewalt wehren. Menschenrechte müssen gesetzlich verankert und praktiziert werden. Wir alle wissen, dass politisch Gefangene in Sene seit zwei Wochen im Hungerstreik sind. Wir demonstrieren wegen der Missstände im Gefängnis – mangelnde Sauberkeit, schlechtes Essen, unmenschliches Verhalten vonseiten der Gefängnisbehörde. Alle Familien der Gefangenen machen sich große Sorgen um das Leben ihrer Lieben. Die Familien sind am Samstag zum Gerichtshof gegangen, um angehört zu werden. Man wies sie ab und droht ihnen, die Polizei zu rufen und sie festnehmen zu lassen. Ja, das war die Reaktion der Staatsanwaltschaft, die eigentlich alles Unrecht bekämpfen sollte. Aber die sind auch nur Trittbrettfahrer des Regimes.

       Bewaffnete Beamte wollten mit alten Männern, Frauen und Kindern kämpfen, die keine Waffen trugen und nichts weiter tun konnten, als ihre Meinung zu sagen. Sie riefen: „Wir sind keine Feinde und zeigen lediglich die Solidarität mit den Gefangenen.“ Wir haben friedlich demonstriert, bis uns die Polizei mit aller Gewalt angegriffen hat. Mit Schlagstöcken und Schüssen wurden wir vertrieben. Mehrere von uns wurden festgenommen. Die Gefangenen befinden sich in Lebensgefahr. Manche ihrer Familienmitglieder nahm man fest und steckte sie ebenfalls ins Gefängnis. Aus Protest verweilen wir an diesem Ort, bis unsere Forderungen akzeptiert werden:

      • Das Ende des Hungerstreiks

      •

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