Laszive Landhausriten. Thomas Neumeier
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Nachdem Leo einen weiteren Gast durch die Hintertür hatte eintreten sehen, zog er sich zu seinem ursprünglichen Beobachtungspunkt unter der Tanne zurück. Er war bereit, aufs Ganze zu gehen und Sandras Geheimnis zu ergründen. Wenn da nur diese verdammte Nervosität nicht wäre, die ihm womöglich alles zunichte machen würde.
Ein weiterer Wagen hielt am Tor an und begehrte Einlass, welcher ihm ohne Schwierigkeiten gewährt wurde. Leo kannte den heutigen Losungsspruch, demzufolge müsste man auch ihm den Zutritt gestatten. Doch was dann? Würde er sich anderweitig verraten? Enttarnen, dass er sich den Spruch ergaunert hatte und überhaupt nicht eingeladen war?
Den lockenden Preis, endlich herauszufinden, womit Sandra sich an solchen Abenden, an denen sie für nichts und niemanden zu erreichen war, die Zeit vertrieb, erachtete Leo als wertvoll genug, dieses Risiko auf sich zu nehmen. Im schlimmsten Fall würde man ihn abweisen oder rauswerfen. Mit beiden Schmähungen konnte er leben. Für die Aussicht, Sandras Geheimnissen auf die Spur zu kommen, war er auch bereit, mehr als das zu riskieren. Er gestand es sich nur widerwillig ein, doch er war von ihr besessen.
Wild entschlossen, sein lange gehegtes Vorhaben heute Nacht endlich in die Tat umzusetzen, nahm Leo den Weg zu seinem Wagen in Angriff. Er hatte ihn auf einem nahen Forstpfad abgestellt. Das Fahrzeug war schon in Sichtweite, als ihn erneut ein Geräusch aufschreckte. Dieses Mal war es der Schrei eines Uhus. Zum wiederholten Male mahnte sich Leo zur Ruhe. Er atmete tief durch, dachte an seinen Yoga-Lehrer und versuchte seine innere Mitte wiederzufinden. Sein Vorhaben erforderte absolute Coolness.
Sein Wagen hatte schon Form in der Finsternis angenommen, als Leo abrupt innehielt. Spielten ihm seine Augen einen Streich oder hockte da jemand auf seiner Kühlerhaube? Er sah genauer hin. Entweder er war einer optischen Täuschung aufgesessen oder ... dort bewegte sich etwas!
Gewissheit erlangte er, als ein grelles Licht aufleuchtete und ihm frontal in die Augen schoss.
»Ahh!«, stieß er aus und hob zum Schutz beide Arme an.
»Guten Abend, Herr Leder«, sprach eine männliche Stimme.
Sie gehörte fraglos jener Person, die auf seiner Kühlerhaube lümmelte und ihn mit einer ungehörig leistungsfähigen Taschenlampe blendete.
»Eine herrliche Nacht für einen Spaziergang, was?«
»We-wer sind Sie?«, erwiderte Leo starr und war bemüht, sich seinen Schrecken nicht anmerken zu lassen. Am liebsten hätte er Reißaus genommen.
Von ihm beinahe unbemerkt hatte sich eine weitere Person zur Szenerie gesellt. Sie war keine zwei Schritte neben ihm hinter einem Baum hervorgetreten.
»Sei so nett und lösche die Lampe, Veit«, sprach diesmal eine weibliche Stimme.
Anhand des trockenen Tonfalls durchschaute Leo, mit wem er es zu tun hatte. Es waren die beiden Kripobeamten, die ihn vor ein paar Tagen schon einmal aufgesucht und ihm etliche sensible Fragen zu Sebastian Seidel gestellt hatten, ihren kürzlich verblichenen Parteiortsvorsitzenden. Was in aller Welt taten die hier?
Der männliche Beamte gehorchte seiner Kollegin widerspruchslos und löschte das gleißende Licht. Leo ließ die schützenden Arme nur zögerlich sinken. Die Frau - Leo kannte nur ihren Nachnamen, Handler - knipste eine weitaus angenehmere Handlampe ein und richtete den Lichtfokus auf Leo. Der andere Kriminalbeamte hieß Schwaab, wie Leo sich erinnerte.
»Was machen Sie hier, Herr Leder?«, fragte Handler geradeheraus.
»Och, ich bin ein wenig durch die Gegend gefahren«, log Leo unbeholfen.
»Verstehe, und dann hier ausgestiegen, um ein wenig spazieren zu gehen«, führte Handler an und nickte abschätzig vor sich hin. »Ein bisschen frische Waldluft schnuppern, was?«
»Ja. Ja, genau.«
»Haben Sie immer ein Fernglas dabei, wenn Sie Waldluft schnuppern?«
»Ahm ... ja, meistens. Wegen der Tiere und Vögel und so.«
»Weil man die vor allem nachts gut beobachten kann, wie?«
»Nun ...«
»Warum machen Sie Ihren Spaziergang nicht ein wenig heimatnäher? Weshalb nehmen Sie eine Autofahrt von fast einhundertdreißig Kilometern im Kauf? Haben Sie besondere Ansprüche an einen Wald, denen die Oberpfälzer Wälder nicht gerecht werden?«
»Ich ... nun, ich ... also, vor allem wegen der Tiere halt und ...«
»Sie stellen Sandra Ratzmann nach«, bemerkte ihr Kollege Veit Schwaab aus dem Hintergrund und trat dann gemessen vor Leo hin. »Mich würde brennend interessieren, weshalb Sie das tun, Herr Leder. Sind Sie etwa ein gottverdammter Stalker?«
»Ich soll ein ... aber nein, natürlich nicht!«, wehrte Leo empört von sich. »Und selbst wenn, was geht Sie das an? Wieso verfolgen Sie mich?«
»Wir sind Ihnen gar nicht gefolgt, Herr Leder«, erklärte Schwaab genüsslich. »Umso erstaunter sind wir, dass wir Sie hier antreffen.«
Leos Verstand arbeitete und zog entsprechende Schlüsse. Natürlich, die beiden hatten nicht ihm, sondern Sandra nachgeschnüffelt.
»Wieso stellen Sie Ihrer Parteifreundin nach, Herr Leder?«, fragte Handler.
Dieselbe Frage hätte Leo gern den beiden Kripobeamten gestellt.
»Ist das verboten? Hat Sandra mich angezeigt?«
»Beantworten Sie die Frage.«
Leo zuckte unschuldig mit den Schultern. »Ich wollte herausfinden, was sie heute Nacht vorhat.«
»Aus welchem Grund?«
»Aus keinem speziellen. Ich war einfach neugierig.«
»Woher haben Sie denn gewusst, dass sie etwas vorhat?«
»Ich ... ich habe es vermutet.«
»Vermutet, so so. Und woher rührt diese Vermutung?«
»Jetzt hören Sie mal, ich kenne meine Rechte. Ich muss nicht mit Ihnen reden! Was wollen Sie eigentlich von mir?«
»Wir haben erfahren, dass Sie und Frau Ratzmann einst liiert gewesen sind.«
»Wieso schnüffeln Sie uns nach?«
»Bestreiten Sie eine frühere Liaison mit ihr?«
»Nein, mitnichten! Aber das ist fast zehn Jahre her.«
»Ist uns bekannt. Arbeiten Sie gerade an einer Neuauflage dieser Beziehung?«
»Nein,