Zwei gegen Ragnarøk. Hans-Jürgen Hennig

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Zwei gegen Ragnarøk - Hans-Jürgen Hennig

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Über den bösen Unfall brauchen wir also nicht mehr reden.“

      Thurid fiel ein großer Stein vom Herzen und in ihr Gesicht kam wieder ihr jungenhafte, freimütige Lächeln, das Sölvi so liebte.

      Dann klopfte Alvitur mit seinem Becher auf den Tisch. „Lasst uns jetzt von etwas Ernstem reden.

      Ich hätte es nicht vorhersagen können, aber das was heute geschehen ist, verwundert mich nicht wirklich, wenn ich an unser letztes langes Gespräch denke, indem ich dir von den Nornen und ihrer Prophezeiung gesprochen habe.

      Schau nicht so ängstlich auf Arnor. Er wird schweigen, und du kannst dir sicher sein, dass er ab heute zu denen gehört, die immer an deiner Seite stehen werden.

      Ich habe lange über die Worte der Nornen nachgedacht. Du weißt ja inzwischen auch über die Bedeutung eines Verses Bescheid. Stimmt das?“

      „Ja, Alvitur. Ich weiß, du meinst das mit dem eigenen Blut. Falki ist damit gemeint. Aber Sölvi ist darauf gekommen, nicht ich, doch ich habe es gleich verstanden.“

      „Das dachte ich mir schon. Sölvi, ich bin stolz auf dich“, bemerkte Alvitur. Er war nie leichtfertig mit seinem Lob, und man sah Sölvi an, dass er sich darüber sehr freute.

      „Nun noch mal zu der Prophezeiung, zu dem einen Vers:

       … Für die Götter 1000 Jahre

       begleiten sie drei Augenpaare …

      Ich denke nun, dass ich weiß, wie das gemeint ist. Die drei Augenpaare, das sind drei Götter, unsere Götter, Odin, Freyja und Thor. Deine Kampfkraft mit dem Hammer kommt nicht so einfach aus dem Nichts. Du hast doch nie mit einem Hammer das Kämpfen geübt. Nun ist es mir sonnenklar, dass drei Götter dich mit besonderen Eigenschaften ausgestattet haben. Odin und Freyja ahnte ich schon lange, aber seit heute weiß ich, dass auch Thor zu deinen Beschützern gehört. Seine Waffe, der Hammer, könnte nun auch deine sein. Ich bin mir sicher, dass das heutige Ereignis sein Werk war. Wenn wir weiter denken, müssen wir uns fragen: Warum beschützen drei mächtige Götter ein Mädchen aus unserem Dorf und eignen ihr besondere Fähigkeiten zu, wie Klugheit, Wissensdurst, Schönheit und die Kampfkraft eines Kriegers? Die Antwort sehe ich jetzt ziemlich klar; weil dieses Mädchen für die Götter sehr wichtig ist. Was kann für drei, so unterschiedliche, Götter so wichtig sein?“

      Alvitur schwieg einen Moment und schaute fragend in die Runde.

      Wieder war es Sölvi, der mit seinem klaren Verstand das Rätsel löste. „Ragnarök?“, fragte er.

      „Ja, Ragnarök, und ein Mädchen, nein eine junge Frau aus unserem Dorf, beschützt von drei Göttern, soll versuchen, Ragnarök zu verhindern, so die Weissagung.“

      Geahnt hatten es fast alle, die in der Hütte saßen, aber nun hatte Alvitur es unwiderruflich ausgesprochen.

      Alvitur griff über den Tisch und nahm Thurids Hände in seine. Er schwieg nachdenklich, dann kamen ihm seine Worte bedeutungsschwer über die Lippen: „Seit heute bist du Thurid. Für mich ist damit auch der letzte Schleier gefallen. An deiner Seite stehen nicht nur mutige Leute aus unserem Dorf, nein, auch drei Götter und sie werden immer ihre Hände schützend über dich halten. Ich sagte, für mich sei auch der letzte Schleier gefallen. Damit meine ich auch eine ganz bestimmte Stelle in der Prophezeiung. Du und Falki, ihr werdet es nicht leicht haben. Ich denke …, aber nein, darüber reden wir viel später. Thurid, heute bitte ich dich, nimm dein Schicksal an. Es gibt niemanden sonst, der dieser Aufgabe gewachsen ist, sonst hätten die Götter dich nicht auserwählt und mit besonderen Gaben ausgestattet. Nimm dein Schicksal an, für dein ganzes Dorf, für dein Volk, für unsere Welt, so wie wir sie kennen und lieben, denn unsere Welt ist in großer Gefahr. Ich glaube inzwischen, dass genau das mit Ragnarök gemeint ist.“

      Alvitur lehnte sich nachdenklich nach hinten und schloss sein Auge, dann fuhr er fort: „Thurid, in den nächsten Jahren wird deine wichtigste Aufgabe sein, zu lernen, z.B. einen gebrochenen Arm zu versorgen und mit dem Kräutern so umzugehen, wie es Fifilla kann.“

      Thurid schaute versonnen in das kleine Öllämpchen auf dem Tisch, und ohne dass sie drüber nachdachte, was sie sagte, kam es über ihre Lippen: „Ja Djarfur, ja Kylikki, ich glaube, ich habe es verstanden.“

      Diesmal war Alvitur etwas überrascht und schaute Fifilla an.

      Fifilla lächelte und strich über Alviturs Hand.

      „Ja, Alvi, ich habe ihr von damals erzählt.“

      Alvitur nickte und sagte: „Niemals hätte ich je geglaubt, dass ich so ein Bündnis erleben oder gar es zusammenschmieden würde.

      Sölvi, hole mal bitte die anderen rein.“

      Sölvi stand auf und brauchte nur die Tür aufmachen, da kamen schon Falki und Alfger herein.

      Sie standen da, schauten mit fragenden Blicken in die Runde. Sie wussten beide nicht so recht, warum Sölvi ihnen gesagt hatte, dass sie auch herkommen sollten.

      „Setzt euch“, sagte Alvitur kurz, und als die beiden Jungen saßen fragte er sie nach dem, was sie von ihrem Schicksal im Zusammenhang mit Thurid wussten.

      Beide erzählten, was sie schon wussten und Alvitur erklärte ihnen die restlichen Zusammenhänge in knappen Sätzen.

      Die beiden jungen Männer lauschten mit offenen Mündern und ihre Blicke pendelten zwischen Alvitur und Thurid hin und her.

      „Es ist schon komisch, aber irgendwie ist das alles Vorhersehung“, und er bückte sich zu einer Truhe, die am Boden stand.

      Er öffnete sie und stellte fünf Kelche auf den Tisch, die noch niemand hier im Dorf gesehen hatte. Selbst Fifilla schaute die Kelche mit großen Augen neugierig an und flüsterte andächtig: „Die sind aber schön.“

      „Sölvi bringe mal bitte den kleinen, blauen Krug von hinten her. Dort wo die anderen Weinkrüge stehen.“

      Sölvi war sofort wieder zurück und stellte den gewünschten Krug auf den Tisch.

      Alvitur entfernte den Wachsverschluss und deutete auf den Krug: „Das ist ein sehr alter Wein und ich habe ihn für einen besonderen Anlass aufgehoben. Manchmal glaubte ich, dass er hier auf ewig verstauben würde. Ich denke, dass wir heute, mit diesem Bündnis, einen besonderen Anlass haben, der dieses Weines würdig ist.“

      Alvitur schob Thurid und den Jungen je einen dieser Kelche zu.

      „Sölvi, reiche uns doch noch zwei von den anderen Weinbechern und dann gieß’ bitte ein.“

      Mit gespannten Gesichtern verfolgten alle am Tisch, wie Sölvi den Wein eingoss. Man sah, dass es kein Apfelwein war, denn er leuchtete in einem sehr dunklen rot.

      Alvitur fuhr fort: „Nehmt eure Becher“ – und er erhob seine Stimme, wie bei einer großen Zeremonie: „Odin, Freyja und Thor, schaut auf uns. Wir lehren diesen Becher auf euch und auf dieses Bündnis. Wir schwören unser Leben für diese Aufgabe zu geben und einander auch in den schwersten Stunden beizustehen, damit unsere und eure Welt erhalten bleibt.

      Trinkt!“

      Die Runde am Tisch antwortete: „So sei es.“

      

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