Die Brücke, die ihr Gewicht in Gold wert war. Wolfgang Teltscher

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Die Brücke, die ihr Gewicht in Gold wert war - Wolfgang Teltscher

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Arrangement; mit dem jungen Mann hatte er jemanden, der ihm Laufwege abnehmen und den Teil von Ermittlungen führen konnte, die den Einsatz eines hochkarätigen Fachmannes wie ihn selbst nicht wert waren.

      Hofrichter war in Marders Augen der Urtyp eines Rheinländers. Niemand käme auf die Idee, ihn für einen Zugereisten zu halten, vor allem nicht, wenn er redete. Dann war seine tiefe Verbundenheit mit dem Rheinland nicht zu überhören. So wie sich im Gegensatz Marder nicht einbildete, jemals für einen gebürtigen Rheinländer gehalten zu werden. Seine Sprache würde ihn immer und ewig als einen Mann aus dem kühlen Norden verraten.

      Selbstverständlich hatte Benjamin Hofrichter trotz seiner mangelnden Erfahrung auch gute Eigenschaften, und Marder wusste sie durchaus zu schätzen. Er war kommunikativ, freundlich und hilfsbereit, nur eben noch nicht klarsichtig und entscheidungsfähig genug, um die Verantwortung eines leitenden Kriminalbeamten zu übernehmen. Er war auf jeden Fall ein geselliger Mensch. Das sah Marder als typisch für die Rheinländer an. Nicht nur luden Hofrichter und seine Freunde sich unentwegt gegenseitig zum Essen ein, er erzählte auch ausführlich am Morgen danach, wie köstlich die gestrige Mahlzeit geschmeckt hatte. Das nervte Marder mitunter. Es interessierte ihn einfach nicht, wie gut es seinem Assistenten am letzten Abend gemundet hatte und welchen Wein er zum Essen getrunken hatte.

      Marders Vorgänger, Bernhard Kampfer, war bedauerlicherweise ebenfalls von einem Schlaganfall getroffen worden. Leider mit schlimmeren Auswirkungen als für seinen Nachfolger, und er galt für den Rest seiner Dienstzeit als arbeitsunfähig. Das Tragische daran war, dass er einige Jahre jünger als Marder war, er hatte erst vor einem Jahr seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert. Marder hatte ihn nach seiner Ankunft in Oberwinter, einem Ortsteil von Remagen, besucht, wo der Mann liebevoll von seiner Frau und seiner Tochter gepflegt wurde. Marder erhoffte sich von ihm hilfreiche Ratschläge für seine neue Aufgabe, allerdings konnte sich der Kranke nicht mehr an viel erinnern, was vor dem Schlaganfall an seinem Arbeitsplatz vorgegangen war. Bernhard Kampfer weihte Marder in das ein, was er in seiner Jugend in diesem schönen Ort am Rheinufer erlebt hatte, alles, was danach in seinem Leben geschehen war, war ihm weitgehend entfallen. Marder wurde sich dadurch bewusst, welches Glück er trotz seines Schlaganfalls gehabt hatte, und schickte dem lieben Gott ein verspätetes Danke.

       D er Tunneleingang hinter der Brücke auf der rechten Seite des Rheins ist noch in dem gleichen trostlosen Zustand wie im Frühjahr 1945. Seit dem Einsturz der Brücke vor mehr als einem Jahr hat sich kaum jemand in diese dunkle Höhle gewagt. Hier soll nach wie vor Munition gelagert sein, die jederzeit hochgehen kann. Engelbert hat gehört, dass es Pläne gibt, das Gewölbe in der nächsten Zeit zu untersuchen und auszuräumen. Er befürchtet, dass man dabei die dort vergrabenen Schmuckstücke finden könnte. Dass sie schon jemand entdeckt hat, kann und will er sich nicht vorstellen. Auf jeden Fall hat er nichts darüber gehört oder gelesen.

       Es wird höchste Zeit, sein zukünftiges Vermögen auszugraben, es ist genug Gras über die Vorgänge kurz vor dem Kriegsende gewachsen. Seltsamerweise hat sich niemand der Bestohlenen beschwert, dass in den letzten Kriegswochen Wertsachen oder Schmuckstücke von der Wehrmacht beschlagnahmt wurden. Entweder haben die Leute ein schlechtes Gewissen, weil sie selbst Nazis gewesen waren, oder sie glauben, dass alles, was man ihnen genommen hatte, ohnehin längst eingeschmolzen und unwiederbringlich verschwunden ist. Es konnte ja niemand ahnen, dass die Soldaten nicht von Adolf Hitler aus Berlin, sondern von einem gewissenlosen Offizier bei der Brücke geschickt worden waren.

       Noch weniger können die Betrogenen vermuten, dass die Gegenstände, die sie dem Deutschen Reich geopfert hatten, in ihrer unmittelbaren Nähe vergraben liegen. Engelbert ist der einzige Überlebende, der das weiß. Der Offizier und die zwei Kameraden, mit denen er gemeinsame Sache gemacht hat, sind tot, das hat er inzwischen herausgefunden. Die hatten vor ihrem Tod bestimmt niemandem von dem genialen Einfall um den Auftrag des Führers erzählt, die alten Kameraden können ihm also seinen baldigen Reichtum nicht mehr streitig machen. Das Problem ist, dass der Schatz auf der anderen Seite des Flusses schlummert. Das wäre nicht weiter schlimm, gäbe es die Brücke noch, aber die ist ja seit ihrem Einsturz Vergangenheit. Er muss einen Weg finden, den Schatz über den Fluss zu holen. Er hofft, das Problem mithilfe einer der Fähren zu lösen, die nach und nach ihren Dienst über den Rhein wieder aufgenommen haben.

       Er hat vor, einen Teil des zukünftigen Vermögens für seine Hochzeit zu verwenden. Gerlinde Meinartz, das Mädchen, mit dem er seit 1943 verlobt ist, das er damals geliebt hat und immer noch liebt, wird erst später merken, dass sie einen wohlhabenden Mann geheiratet hat. Sie hat ihm während seiner Militärzeit und der Zeit im Gefangenenlager die Treue gehalten. Über das Rote Kreuz hatte sie herausgefunden, dass er in dem Lager am Rheinufer festgehalten wurde. Sie hatte versucht, die Wachmannschaften an den Lagertoren zu überreden, ihm etwas von den Nahrungsmitteln zu bringen, die sie für ihn zuhause eingepackt hatte. Das funktionierte wegen der Unübersichtlichkeit des Lagers nicht, keiner der Soldaten am Eingangstor wusste, wo ein Engelbert Bergmeister gerade biwakierte.

       Er rechnet Gerlinde hoch an, dass sie zumindest versucht hatte, ihm zu helfen. Sie soll durch die Ehe belohnt werden und später an seinem Wohlstand teilhaben. Sie ist ein gutes Mädchen mit einem großen Herz, das Wert auf Anstand und Ehrlichkeit legt. Sie stammt aus einer alten katholischen Familie mit einem frommen, aber weltfremden Glauben an das Gute in den Menschen. Wenn er ihr jemals erzählen würde, wie sein Reichtum zustande gekommen ist, würde sie ihm nie erlauben, den Schmuck zu behalten.

      Sie würde darauf bestehen, dass er zur Polizei geht, damit die Wertgegenstände ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben werden können. Doch wie sollte er der Polizei erklären, wie die Gegenstände in das Versteck im Tunnel gekommen sind, ohne sich selbst des Diebstahls und Betrugs zu beschuldigen? Selbst, wenn er Gerlinde davon abbringen könnte, die Polizei einzuschalten, würde sie vermutlich verlangen, dass er persönlich die Schmuckstücke den Leuten zurückgibt, denen sie einmal gehört hatten. Wie soll er sich noch daran erinnern, was wem gehört hat? Bestenfalls würde sie zufrieden damit sein, einen Teil des Geldes, oder alles, der Kirche zu vermachen. Doch das hat er nicht vor, das kann niemand von ihm verlangen. Das wäre nicht fair, nach so viel Leid war er jetzt an der Reihe, die schöneren Seiten des Lebens zu genießen.

       Er hat in der letzten Zeit genug gelitten, er ist immer noch nicht völlig von der Lungenentzündung genesen, die ihn in dem Gefangenenlager in den Wiesen am Rhein heimgesucht hat. Dort hat er über Monate dahinvegetiert. Es war die härteste Zeit gewesen, die er in seinem Leben durchgemacht hat. Schlimmer als die Zeit als Soldat, wo es manchmal mit der Verpflegung auch nicht so toll war, aber es immer irgendetwas gab, das satt machte. Einige seiner Kameraden waren in dem Lager elendig zugrunde gegangen. Die, die starben, wurden ohne Zeremonien und Feierlichkeiten in aller Eile vergraben, um die Verbreitung von Seuchen zu vermeiden. Es war ein kaltes und nasses Frühjahr gewesen und die Gefangenen hatten nicht gewusst, wie sie sich vor dem Regen und dem Wind schützen sollten. Es waren zu viele Menschen, die auf einem zu kleinen Gelände zusammengepfercht waren. Ihm war es vorgekommen, als müssten sie allein die Zeche für den verlorenen Krieg bezahlen. Dabei waren ihm und seinen Mitgefangenen die Gräueltaten der Nazis nicht wirklich bewusst, die waren in der Truppe nie ein Gesprächsthema gewesen. Die kamen erst in den Monaten nach Kriegsende nach und nach ans Tageslicht. Damit hatte er als einfacher Soldat nichts zu tun gehabt, und im Vergleich zu den Verbrechen der Nazi-Elite in Berlin kam ihm die Sache mit dem Schmuck, den sie von den Reichen eingesammelt hatten, eher harmlos vor.

       Die Wachsoldaten im Lager waren nicht so bösartig, wie man es kurz nach dem Ende eines mörderischen Kriegs befürchten konnte. Sie waren jedoch durch die Menge der Inhaftierten und den Mangel an sanitären Anlagen total überfordert. Es war nicht ihre Schuld, dass es nicht genug Decken gab, sodass die Insassen des Lagers nachts oft vor Kälte wimmerten. Einige von ihnen steckten den Gefangenen sogar gelegentlich Zigaretten zu, die sie von ihren eigenen Rationen abzweigten. Das war auch ihm passiert und er hatte die Marlboros trotz seiner aufkeimenden

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