Ein Lied in meinem Hause. Seidenbecher Erika

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Ein Lied in meinem Hause - Seidenbecher Erika

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die Eltern den Lehrer. Er war sehr gebildet, lehrte dem Jungen das Lesen und Schreiben, lehrte ihn die Noten und machte den Sechsjährigen mit den Grundlagen der Musik vertraut. Den eigentlichen Musikunterricht des Jungen aber übernahm Georg Weber.

      Als der Hauslehrer Michael merkte, wie sehr sich Heinrich für Musik interessierte, sagte er eines Tages: „Du solltest ins Collegium musicum eintreten. Dort ist dein Platz!“

      „Das hat Herr Weber mir auch schon geraten!“

      „Er ist dein Musiklehrer und weiß, was in dir steckt. Also sprich mit deinem Vater und hole dir die Erlaubnis, dort mitzusingen. Gute Chorknaben werden dringend gebraucht!“

      Für Heinrich begann mit dem Eintritt in das Collegium musicum sein eigentliches Musikleben. Die Chorknaben der Weißenfelser Kantorei sangen im Sonntagsgottesdienst und gingen wöchentlich zur Kurrente.

      Heinrich war ein Schüler, der nach Meinung seiner Lehrer doppeltes Futter brauchte. Er half zwar ab und zu auch bei den Arbeiten im Gasthof mit, aber das Servieren und Hantieren in der Küche waren so gar nicht nach seinem Geschmack. Er lernte und musizierte lieber.

      Auch im Stall bei den Pferdeknechten fühlte er sich nicht recht wohl. Ihm missfiel ihr rauer Umgangston. Dort erfuhr er viel über Hexenprozesse, Aberglaube und Teufelsanbetung.

      Eines Tages hörte er, wie ein Pferdeknecht von dem Superintendenten Lysthenius sprach. „Der Superintendent hat nach wie vor bei Kindtaufen die Beschwörung des Teufels vorgenommen. Der Kurfürst Christian und sein Kanzler Crell haben das aber ausdrücklich verboten.“

      Ein junger Knecht lachte laut auf. „Sein Ungehorsam, so drohte man ihm, sollte mit Gefängnis bestraft werden, und als Lysthenius davon erfuhr, flüchtete er.“

      „Ich glaube nicht an den Teufel und auch nicht daran, dass es Hexen gibt. Die armen Weiber, die man der Hexerei anklagt und die man foltert und auf dem Scheiterhaufen verbrennt, die können mir nur Leid tun.“, entgegnete der ältere Knecht.

      Heinrich dachte in diesen Tagen viel über das Gehörte nach. Er glaubte an Gott, nicht aber an den Teufel, obwohl er wusste, dass auch Luther ein Tintenfass nach dem vermeintlichen Teufel geworfen haben sollte. Gab es wirklich Hexen, die mit dem Teufel im Bunde standen? Die Welt schien Heinrich sehr kompliziert, und wenn er abends in der Gastwirtschaft Gespräche von dem wirren Handeln des Kaisers Rudolph II. hörte, von Streitigkeiten um Böhmen und Erbstreitigkeiten der Habsburger, konnte er sich kein rechtes Bild davon machen. Warum stritten sich die Herrschenden? Welche Rolle spielte dabei der Glaube? Heinrich stellte sich zwar solche Fragen, aber weder die Eltern noch die Lehrer nahmen sich die Zeit, mit dem Jungen darüber zu reden. Er wusste, alle Familienmitglieder, Freunde und Verwandten hingen dem protestantischen Glauben an. Der Kurfürst von Sachsen hatte das Recht, festzulegen, welcher Religion seine Untertanen huldigen sollten. Der Kaiser aber vertrat den katholischen Glauben. Dass daraus Streitigkeiten entstanden, verstand Heinrich. Aber warum sollte er sich darüber den Kopf zerbrechen? Wenn seine Eltern, alle Leute, die er kannte und auch der Kurfürst lutherischen Glaubens waren, dann vertraten sie bestimmt die richtige Meinung.

      Es war früher Nachmittag, als Georg Weber zum Musikunterricht seines Schülers Heinrich Schütz kam. In den Straßen herrschte an diesem heißen Sommertag eine fast beängstigende Stille.

      Georg Weber begrüßte Heinrich, nahm die Noten aus seiner Tasche und legte sie auf das Pult. Heinrich schielte nach dem Titelblatt, konnte aber weder den Titel des Liedes, noch den Komponisten ausmachen. Die Notenschrift war sauber und erstaunlich klar. Fragend blickte der Schüler seinen Lehrer an.

      „Wir werden heute meine Lieder singen und spielen. Ich habe zahlreiche Lieder komponiert, besonders aber doppelchörige Lieder und Psalmen bei denen die Singstimmen gegeneinander gestellt werden und sich echohaft einander ablösen.“

      „Davon habe ich schon von Herrn Heinrich Colander etwas gehört. Er erzählte mir, dass es in Sachsen und Thüringen viele Kantoren und Lehrer gibt, die doppelchörige Motetten im Stile der Niederländer schufen.“

      „Du hast ja schon viel gelernt. Jetzt wollen wir uns aber an die Arbeit machen. Spiel mir das Lied, das auf dem Notenpult steht, einmal vor.“

      Der Lehrer Weber war sehr zufrieden mit dem Spiel seines Schülers.

      „So, und nun werde ich spielen, und du singst das Lied!“

      Georg Weber blickte versonnen, als das Lied verklungen war.

      „Schön, welch großen Wert du auf jedes Wort beim Gesang legst. Das ist auch mein Anliegen. Mir kommt es auf die Verkündung von Gottes Wort an. Die Worte erlangen durch die Komposition Bedeutung. Empfindungen sollen durch lebensvolle Wortgestaltung entfacht und durch die Musik unterstrichen werden. Meine Musik und meine Texte stehen in unmittelbarer Beziehung zueinander.“

      „Das verstehe ich gut. Gottes Wort soll durch die Musik unterstrichen werden. So können wir im Gesang den Herren preisen.“

      „So ist es, und genau wie die göttliche Welt geordnet ist, muss auch die Musik Gesetzen folgen. Kunst und Wissenschaft durchdringen einander und stehen im Dienst dieser göttlichen Ordnung. Wir ehren Gott durch Lied und Gesang. Die irdische Musik ist ein Abbild und ein Vorgeschmack der himmlischen Musik.“

      Als der Unterricht beendet war, fragte Georg Weber seinen Schüler:

      „Du singst im Collegium musicum als Chorknabe, und ich hoffe, dass das Singen dir Spaß macht?“

      Heinrich hatte vor Eifer ganz rote Wangen. Seine Augen leuchteten, und er antwortete begeistert: „Sehr viel Spaß sogar! Ich möchte nicht mehr ohne das Singen sein.“

      „Recht so, mein Junge! Ich lege großen Wert darauf, dass wir im Collegium musicum auch viele Lieder von sächsisch-thüringischen Dorfkomponisten singen. Ich denke, diese Musiker schaffen gute Werke. Ihre Musik wird teilweise sogar in den Residenzen gespielt. Die Lehrer und Kantoren der Dorfschulen sind eifrige Musiker. Sie pflegen das Vorhandene und fragen nicht nach Wohlstand, Glanz und Ruhm.“

      „Herr Weber, Sie als Organist gestatten ja auch, dass im Collegium musicum einige Stadtpfeifer von Weißenfels mitspielen.“

      „Ja, warum nicht? Es sind gute Musikanten darunter, und das Erstaunlich ist, dass die Stadtpfeifer sogar nach Noten spielen. Ich denke, dass sich vor allem in den protestantischen Gebieten die Bildung immer mehr ausbreitet, und dass jetzt selbst Handwerker und Bauern lesen und schreiben lernen.“

      „Vater sagt auch immer, dass die Bildung eines Menschen wichtig ist für sein ganzes weiteres Leben und für sein Fortkommen.“

      „Dein Vater hat Recht. Auch die Musik ist eine Wissenschaft, und wer sie beherrschen will, braucht Wissen!“

      Heinrich nickte versonnen. Georg Weber hatte seine Noten inzwischen schon eingepackt und sagte zum Abschied: „Wenn du am Sonntag Zeit und Lust hast, kannst du zu unserem Konzert kommen. Es werden unter anderem auch Werke von mir aufgeführt. Es treten Chöre mit Instrumenten auf, mit Posaunen, Zinken, dem Diskant und mit Tenor- und Bassgeigen.“

      Heinrich drückte dem Lehrer dankbar die Hand: „Danke für die Einladung. Ich werde meine Freunde Anton und Heinrich Colander, die Söhne des Bürgermeisters Colander, mitbringen. Sie interessieren sich beide sehr für Musik.“

      1597 starb der Komponist Georg Weber und Heinrich Colander übernahm den Musikunterricht des Zwölfjährigen. Um Latein zu lernen, besuchte Heinrich jetzt die Lateinschule. Er war ein fleißiger Schüler

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