Ein Lied in meinem Hause. Seidenbecher Erika
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Читать онлайн книгу Ein Lied in meinem Hause - Seidenbecher Erika страница 6
„Wiederum haben Sie Recht! Noch heute setze ich mich hin und schreibe.“
Moritz von Kassel hielt Wort. Er setzte sich tatsächlich noch am selben Abend an den Schreibtisch und schrieb an Christof Schütz, den Ratsherren und Gastwirt zu Weißenfels.
Er schrieb die gleichen Worte, die er Georg Otto gegenüber geäußert hatte und setzte noch hinzu, dass er im Sommer mit seiner Hofkapelle auf Reisen gehen und, an Weißenfels vorbeireitend, einen Kurier zum „Goldenen Ring“ schicke werde, um Heinrich abzuholen.
Dann setzte er seine Unterschrift unter das Schreiben: „Der Euch wohlaffectionierte Landgraf Moritz von Hessen.
Am Morgen übergab er den versiegelten Brief einem reitenden Boten mit den Worten:
„Reiten Sie nach Weißenfels und geben Sie diesen Brief dem Gastwirt des „Goldenen Ring“ persönlich!“
Wie staunten die Weißenfelser als im Frühjahr ein reitender fürstlicher Bote Einlass in die Stadt begehrte und geradewegs zum Gasthof „Goldener Ring“ galoppierte.
Am Gasthof angekommen, übergab er das schweißtriefende Pferd dem Pferdeknecht und eilte in die Gaststube. Es war früher Nachmittag und in der Gaststube saßen nur wenige Gäste. Euphrosine hielt sich mit der vier Monate alten Justine im Gastraum auf und spielte mit dem fröhlich ausgelassenen Kind. Sie hatte in Weißenfels drei Kinder geboren, das jetzt sechsjährige Töchterchen Euphrosine, den dreijährigen Christian und den zweijährigen Benjamin, die heute in der Obhut einer Magd waren.
Da eilte schnellen Schrittes ein fürstlicher Bote in das Zimmer. Christof Schütz schaute erschrocken hoch, und ehe er es sich versah, überreichte der Kurier ihm ein versiegeltes Schreiben.
Christof wurde blass: Es war ein Brief von Moritz von Hessen.
Aufgeregt entsiegelte er den Brief. Als er ihn gelesen hatte, nickte er Euphrosine zu:
„Komm und lies. Der Landgraf schreibt uns. – Welch eine Ehre! – Übergib mir unser Töchterchen, damit du in Ruhe lesen kannst.“
Zärtlich nahm Christof Schütz Justine in den Arm. Das Kind jauchzte auf und fuhr dem Vater unsanft in die Haare.
Als Euphrosine den Brief gelesen hatte, leuchteten ihre Augen.
„Christof, welch eine Freude! Ich dachte schon, wir haben Heinrichs Glück aufs Spiel gesetzt!“
„Aber Euphrosine, ich begreife nicht! Gerade du, die den Knaben abgöttisch liebt, willst ihn in die Fremde geben?“
„Frag Heinrich selbst. Eines steht fest: Er war tief enttäuscht über deine Absage und litt damals sehr darunter. Hast du das nicht bemerkt?“
„Ruf Heinrich!“
Es war, als hätte Heinrich sich schon in der Nähe aufgehalten, denn er stand schon wenige Minuten später vor den Eltern.
„Heinrich, der Landgraf will dich in Kassel an seiner Hofschule ausbilden lassen. Du bist noch sehr jung und wirst Vater, Mutter und Geschwister entbehren. Was meinst du, sollen wir dich in Kassel ausbilden lassen?“
„Ja gern, denn ich habe Lust und Liebe in die Welt zu ziehen!“
Dabei strahlten Heinrichs Augen und Christof dachte: „Er ist wie die Mutter, seine tiefen Gefühle spricht er selten aus, aber man muss ihn nur in die Augen sehen, um zu begreifen, was er denkt und fühlt!“
Christof Schütz aber war ein bedächtiger Mann. Solche schnellen Entschlüsse konnte und wollte er nicht fassen.
„Ich berate mich noch mit Heinrich Colander, ehe ich mich entscheide.“
Als er an diesem Abend nach Hause kam, sagte er zu Euphrosine:
„Wenn der Kurier im Sommer kommt, werde ich mit nach Kassel reiten und bis dahin sollen Heinrich, Georg und Christof das Reiten erlernen. Sie werden alle drei ein Pferd bekommen. Die Pferde kann ich auch in der Wirtschaft gut gebrauchen. Aber eines steht fest: Meinen Sohn lasse ich nicht entführen. Ich führe ihn eigenhändig dem Fürsten zu – und damit basta!“
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