Vampire unter uns!. Mark Benecke
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Gelehrte Arbeit aus dem Jahr 1732: Die Offiziellen waren unvorsichtig gewesen und leisteten dem Vampirglauben Vorschub, als sie eine Enterdigung erlaubten.
Zur Einführung
Obwohl Vampire in der Literatur ein mächtiges Motiv sind, stellen sie in den Subkulturen nur eine winzige Splittergruppe dar, die anderen Zirkeln, Covens und Clans als obskur gilt.
Dabei wird leicht übersehen, dass es auch unter Vampyren massenhaft Diversität gibt – vom Fan bis zum Sanguinarier. Darum haben wir ein ursprünglich winziges Büchlein, das nur für Mitglieder der Transylvanian Society of Dracula ausgegeben worden war, mit weiteren, das Thema schlaglichtartig beleuchtenden Beiträgen stark erweitert und der Edition Roter Drache zu mehr als treuen Händen gegeben.
Ergebnis ist das vorliegende Buch, das den sonst oft sehr literatur- und filmlastigen Beiträgen zum Thema ein wenig Real Life beigeben möchte.
Dass dabei ein gemischtes Sammelsurium herauskommt, ist Sinn der Sache. Den Beitrag über Vampir-Tourismus habe ich beispielsweise für eine vergeistigte kulturwissenschaftliche Sammlung recherchiert, während sich das Interview mit Angelus um halsfesten Blut-Fetischismus dreht...kein Wunder, dass der Ton jeweils recht verschieden ist.
Auch, dass ausgerechnet die Berliner Foto-Künstlerin Kathrin Sonntag das letzte Interview mit dem Pionier der Dracula-Touren – der sich dabei immer mehr über den Schatten von Märchen, Gemäuern und seine Krankheit hob – führen würde, und dass einer russischen Kollegin die Verteidigungs-Rede für den walachischen Herrscher Vlad Ţepeş aus dem Herzen fließen würde, konnte kein Mensch ahnen.
Ein finaler Glücksfall für unseren bunten Text-Strauß war dann, dass sich eine Psychologin so wahrhaft, klug und schön zu den selbst in der schwarzen Szene scheel beäugten Vampyren äußern wollte und konnte.
Wie wunderschön, dass es im Buch also ebenso wild, zerstruppt und bunt zugeht wie im wirklichen Leben.
Ach ja, apropos:
Viel Spaß beim Lesen und come out, come out, wherever you are.
Mark Benecke
Transylvanian Society of Dracula
http://tsdracula.org/
Mark Benecke
Der letzte Vampir
Das Ganze begann recht harmlos, als die Dorfbewohner von Marotinul de Sus am Weihnachtstag 2003 ihren ehemaligen Lehrer Petre Toma begruben. Man vermutet heute, dass er an Krebs verstorben ist; doch da Toma 76 Jahre alt geworden war, wunderte sich niemand über seinen Tod. Darum gab es auch keine Untersuchung, die Aufschluss über die genaue Todesursache hätte geben können. Wie gesagt, es vermutete niemand etwas Unnatürliches oder gar einen Mord.
Schon wenige Tage nach der Beerdigung erschien den Mitgliedern der Familie von Gheorge Marinescu der vampirische Geist des toten Lehrers. Auf Nachfrage räumten die Marinescus allerdings ein, dass sie die Gestalt des Vampirs nicht genau erkannt hätten. Doch trotz dieser Unsicherheit bestätigte sich bald, dass es sich beim toten Toma sehr wohl um einen strigoi (Hexer) handeln musste, weil die ganze Familie krank wurde. Das Erkranken ist ganz typisch, wenn ein rumänischer Nachzehrer jemanden heimsucht; dieses Wissen war auch in Marinescus Familie von Generation zu Generation weitergegeben worden. „Selbstverständlich wissen alle Mitglieder meiner Familie, woran man Moroi (Untote) erkennen kann“, erklärte Gheorge.
Allerdings handeln Vampire nicht immer – wie es hier geschah – aus Bosheit. In einem anderen Fall wenige Jahre zuvor war ein Junge gestorben. Auch seine Familie wurde nun schwer krank, dies leuchtete aber allen Beteiligten ein: Er liebte seine Eltern und Geschwister so sehr, dass er sie zu sich ins Grab holen wollte. Wenn der Junge schon nicht zu den Lebenden zurückkehren konnte, dann sollten sie eben ins Reich der (Un-)Toten hinabsteigen. Der Junge handelte also aus überufernder Liebe, nicht aus Hass.
„Wie dem auch sei, in unserem Fall musste ich schnell handeln“, berichtete Gheorge Marinescu. „Wenn wir nichts getan hätten, wären meine Gattin, mein Sohn, meine Schwiegertochter und ich gestorben. Es ist ja nicht so, als hätte ich so etwas noch nie gesehen.“
Im Juli 2004, als die Erkrankung seiner Familie immer weiter fortschritt, trommelte Marinescu fünf – teils entferntere – Verwandte zusammen. Sie enterdigten Toma, zogen die in einem blauen Herrenhemd und schwarzer Schäferkappe gut gekleidete Leiche an eine Wegkreuzung (Symbol des christlichen Kreuzes), schnitten das Herz heraus, äscherten es ein und nahmen es zu sich. Das hört sich schlimmer an, als es ist: Die Aufnahmen zeigen eine durch Vertrocknung und Kälte gut erhaltene Leiche, sodass man davon ausgehen kann, dass das Herz nicht völlig ungenießbar gewesen wäre, auch wenn die sechs Verschwörer es nicht zuvor verbrannt hätten.
„Als wir ihn aus dem Grab zogen“, berichtete Marinescu über den vampirisierten Lehrer,
war sein Mund blutbeschmiert. Er stöhnte, als wir seinen Brustkorb mit der Sense aufschnitten und das Herz herausnahmen. Wir äscherten das Herz ein, lösten die Asche in Wasser auf und gaben davon allen zu trinken, die krank geworden waren. Sofort ging es ihnen besser – als ob jemand allen Schmerz und alles Siechen von ihnen genommen hätte.
Das Ritual, nach dem wir vorgingen, ist jahrhundertealt.
Kein Mensch konnte sich vorstellen, dass das verboten sein sollte. Wir dachten ganz im Gegenteil, wir würden etwas Gutes tun, weil der Geist von Petre uns doch verfolgte und uns um ein Haar getötet hätte. Er war schließlich extra deswegen von den Toten zurückgekehrt! - Jetzt geht es uns jedenfalls allen besser.
Auch viele andere Dorfmitglieder konnten die Aufregung nicht verstehen, nachdem die Tochter des Toten, die in einer größeren Stadt lebt, zur Polizei gegangen war und die Totenruhestörer angezeigt hatte. „Es war vollkommen richtig, dass die sechs Männer der Leiche das Herz entnommen haben“, erklärte beispielsweise Paula Diaconu. „Alle Dorfbewohner waren in Gefahr, und wir wissen nun einmal, wie man die bösen Geister der Toten bekämpft.“ Kein Wunder also, dass gelegentlich Herzen entnommen werden müssen; das bestätigt auch Domnica Branusci:
Das passiert öfter. Normalerweise macht man aber nicht so ein Theater und verständigt sich mit allen Beteiligten, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Es genügt notfalls auch, die Asche in ein Glas Wasser zu streuen und der erkrankten Person einfach so zu verabreichen. Auch wenn er gar nichts von der Asche weiß, wird der Kranke immer gesund.
Einzig die Polizei freute sich darüber, dass endlich einmal jemand Anzeige erstattet hatte. „Wir wissen natürlich, was die Dorfbewohner so treiben, aber bisher konnten wir nichts machen.“ Um ein Exempel zu statuieren, griff das Gericht durch: Alle sechs