Mord auf der Messe. Uwe Schimunek

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Mord auf der Messe - Uwe Schimunek

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könnten, würden sich die Menschen öfters unangemessen verhalten … Er sagte: «Ich würde kurz vor elf zu Ihnen kommen. Dann könnten Sie mir den Saal und vor allem die Lichtschalter zeigen, bevor Madame La Belle Zeit hat.»

      «Ganz ausgezeichnet.» Fräulein Schneider lächelte bei den Worten, als könne sie den Termin kaum erwarten.

      Eggebrecht hatte das Gefühl, in seinem Kopf würde etwas schmelzen.

      «Sagen Sie, Herr Eggebrecht, Sie waren doch gestern Abend im Konzert von Frau La Belle.»

      Das klang nicht wie eine Frage, aber Eggebrechts weiche Birne nickte.

      «Und Sie waren mit Herrn Katzmann da.»

      Schon wieder keine Frage. Der Kopf nickte weiter, allerdings wurde der Brei im Innern etwas härter.

      «Sehen Sie Herrn Katzmann öfters?»

      «Hm.» Dieses Gespräch nahm keinen guten Weg, dachte Eggebrecht und fragte: «Kennen Sie ihn gut?»

      «Nun ja …» Fräulein Schneider guckte zur Decke. Offenbar dachte sie nach, jedenfalls sah sie hinreißend aus. Sie sagte: «Ich habe viel von ihm gehört. Meine beste Freundin … stand ihm einmal … sehr nahe.»

      Stötzenau saß schon in den Bacchusstuben, als Katzmann im Krystall-Palast ankam. Der Reporter zog seine Uhr aus der Tasche – nein, es war kurz vor zehn und er pünktlich. Stötzenau hatte in der Redaktion angerufen und den Termin zu nachtschlafender Zeit vorgeschlagen. Er könne ihm eine interessante Person vorstellen, einen Mann, der eventuell etwas über die Blei-Bande wüsste.

      «Guten Abend, Herr Katzmann. Nehmen Sie einen Wein, der Meißner hier ist vorzüglich.»

      «Gern», sagte Katzmann, obwohl ihm die bürgerlichen Rituale mit zunehmendem Alter immer mehr auf die Nerven gingen, besonders am späten Abend. Er könnte jetzt gut im Bett liegen, anstatt mit einem Mann, der ihm nicht besonders sympathisch war, Belanglosigkeiten über regionale Weine auszutauschen.

      Stötzenau schenkte Katzmann ein, dabei sagte er: «Ein ausgezeichneter Jahrgang. Besonders die Fruchtnote im Abgang … So einen Tropfen muss man getrunken haben.»

      Die Fruchtnote im Abgang, solche Sachen hatte sein Vater auch immer palavert. Katzmann erinnerte sich an Gespräche, bei denen er zum Schein darauf eingegangen war und von erdhafter Note und schattigem Nachtrag redete, bis sein Vater merkte, dass er veralbert wurde. Den Vater machte das stets wütend. Humor war nicht die Stärke des Großbürgertums.

      Jetzt wollte Katzmann keinen Ärger, sondern Informationen, also trank er und nickte. Der Wein schmeckte ihm, wenigstens das. Er versuchte, die Vorrede zu beenden, und fragte: «Vielleicht können Sie mich etwas vorbereiten. Wen erwarten wir denn?»

      «Oh, das hatte ich am Telephon gar nicht erwähnt?» Stötzenau trank einen Augenblick, wohl um die Spannung zu steigern.

      «Siegbert Wulpius wird uns gleich die Ehre erweisen.»

      Wulpius, den Namen hatte Katzmann schon einmal gehört – aber wo? Sicher in der Redaktion, das Ressort fiel ihm nicht ein …

      «Siggi, so nennen ihn seine Freunde, weiß alles über Leipzigs …», Stötzenau suchte nach einem Wort, schien keines zu finden, «… Leben. Wenn Sie wissen, was ich meine …»

      Nein, Katzmann wusste nicht, was Stötzenau ihm sagen wollte. Die Unterwelt? Die Kriminellen? Nun, das musste er selbst herausfinden. Also nickte er und fragte: «Wie kommt Herr Wulpius zu seinen Kenntnissen?»

      «Siggi ist sehr umtriebig. Er macht vielfältige … Geschäfte.» Stötzenau schien nachzudenken, wie er das konkretisieren konnte. Er wurde erlöst. «Ah, da kommt er.»

      Vom Eingang der Bacchusstuben schleppte sich ein Mann heran. Katzmann schätzte ihn auf 160 Zentimeter hoch und 160 Kilogramm schwer. Von weitem sah es aus, als würde ein Mühlstein im Anzug durch die Gaststube walzen. Offenbar nahm der Mann schneller zu, als sein Schneider Anzüge fertigen konnte. Der Zweireiher kam nicht von der Stange, glänzte wie frisch aus der Werkstatt, warf aber in der Bauchgegend horizontale Falten.

      «Siggi, schön, dass du kommen konntest!» Stötzenau wies mit der Hand zu Katzmann. «Das ist der Reporter, den ich am Fernsprecher erwähnt habe. Katzmann, Konrad Katzmann. Von der Leipziger Volkszeitung.»

      Wulpius wuchtete sich auf den Stuhl, wobei er kaum an Höhe abnahm. Er bekam Wein und sagte: «Ah, der Meißner. Sehr gut, Theo.» Dann drehte er sich zu Katzmann und erklärte: «Mir gehören ein paar Weinberge in der Gegend. Ich komme leider nur noch selten hin, aber meine Winzer leisten ganze Arbeit. Finden Sie nicht?»

      Schon wieder Weingespräche! «In der Tat ein guter Wein», sagte Katzmann.

      «Ah, der Dialekt. Sie kommen aus der Dresdner Ecke. Da ist das bei Ihnen sicher ein Hauswein. Oder trinkt man in Ihren Kreisen andere Getränke?»

      Der Bürgerdünkel. Katzmann erlebte das als LVZ Redakteur so oft, dass er sich nicht mal mehr darüber ärgerte. «Nein, nein, ich trinke gerne Wein. Und ja, in meinem Elternhaus stehen Weine vom Elbufer hoch im Kurs.»

      Wulpuis nickte und trank noch einen Schluck.

      «Siggi, Herr Katzmann hat mich heute Morgen nach der Blei-Bande gefragt …»

      «Ja, ja, während der Messe passieren die verrücktesten Sachen in der Stadt. Meine Oma sagte immer: Messezeit ist Kanaillenzeit. Alle werden plötzlich aktiv …»

      Katzmann lag die Frage auf der Zunge, welche Aktivitäten Wulpius umtreiben. Aber der schien in Plauderlaune, da wollte er nicht unterbrechen.

      «Der gute Theo macht seine Mark mit der Messe, ich habe ein wenig Geld in die Konzertreihe der guten Bernadette La Belle gesteckt … Haben Sie sie schon gesehen?»

      «Ja, gerade gestern. Unsere Kulturredaktion wird auch einen Artikel schreiben.»

      «Vortrefflich.» Wulpius spülte die Worte mit einem Schluck Wein hinunter, so dass etwas unklar wurde, ob er den anstehenden LVZ Beitrag oder sein Getränk meinte. «Darf ich fragen, was Sie mit der Blei-Bande zu tun haben? Die Arbeiterpresse hat für gewöhnlich andere Sorgen …»

      «Nun, mein Chefredakteur sagt immer, man solle das Große und Ganze betrachten. Da ist die Blei-Bande sicher von minderer Bedeutung. Ich interessiere mich dennoch für sie. Ich habe gestern eine Botschaft von einem Doktor Blei erhalten.»

      «Gestern?» Wulpius zog eine Augenbraue nach oben.

      «Spät am Abend.»

      «Dann geht das alles wieder los …» Der dicke Mann schien im Polster zu versinken.

      «Was geht wieder los, Herr Wulpius?»

      «Herr Katzmann … Ich weiß nicht, was die Botschaft beinhaltete, aber ich kann Ihnen nur den dringenden Rat geben, etwaige Anweisungen auf das Genaueste zu befolgen.» Wulpius sprach leise weiter. «Und die Polizei würde ich an Ihrer Stelle nicht mit Einzelheiten behelligen.»

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