Mord auf der Messe. Uwe Schimunek

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Mord auf der Messe - Uwe Schimunek

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siehst du! Ist doch einfach.»

      «75 für 100. Klingt wie ein Tauschkurs. Ich frage morgen in der Wirtschaftsredaktion nach, wozu das passen könnte …» Katzmann ließ die Hand mit dem Papier nach unten sinken. «Dann kommen eine Drohung und ein förmlicher Abschied.»

      «Doktor Blei … könnte ein Scherzchen sein. Blei, Pistolenkugel, Loch im Kopf.»

      «Hm, das müssen wir klären.» Katzmann kämpfte mit dem Papier. Es sah aus, als hätte er statt Fingern kleine Würste auf den Handballen und versuche nun, damit komplizierte Figuren zu falten. Dabei galt es nur, den Zettel zusammenzurollen.

      «Wenn die Polizei vorhin in einer Viertelstunde kommen wollte, hast du noch mindestens fünf Minuten.»

      «Danke.» Katzmann blickte nicht auf, fummelte weiter am Papier herum.

      «Sag mal, Konrad, war das Papier vorhin nicht geknickt?» Katzmann hielt inne, stellte den Kopf schräg.

      Es sah aus, als würde in seinem Kopf ein kleiner Reichstag die kommenden Handlungen und ihre Konsequenzen debattieren. Hoffentlich kommt er zur Abstimmung, bevor es zu spät ist, dachte Eggebrecht.

      Der Reporter nickte, faltete den Zettel zu einem dünnen Streifen und schob ihn mit der Pinzette unter den Kragen.

      «Und genau so haben Sie die Leiche vorgefunden?» Oberkommissar Bölkes Gesicht sah im Licht der Laterne grau aus, der Schnurrbart hob sich farblich kaum von der Haut ab.

      Katzmann nickte, Bölke guckte zu Eggebrecht, der zuckte mit den Schultern. Eine seltsame Art der Bestätigung, fand Katzmann, auch wenn das Schulterzucken voller Unschuld steckte. Der Polizist beugte sich zur Leiche, stellte fest, dass der Mann erschossen worden war. Damit konnte er freilich niemanden überraschen.

      «Kaum Blut auf der Straße. Der ist wohl anderswo getötet und dann hier abgelegt worden.» Bölke nuschelte wie einer, der zu sich selbst sprach. Jedenfalls galten die Worte nicht den anderen Polizisten, die am Tatort arbeiteten, denn die fertigten weiter Zeichnungen, nahmen Maß, suchten den Boden ab …

      Bölke blickte auf. «Sie wissen sicher nicht, weshalb der Mann hier liegt.»

      War das eine Frage? Katzmann schaute Bölke an, im Blick des Polizisten lag ein Lauern, das in einem merkwürdigen Widerspruch zur sonstigen Erscheinung des Mannes lag. Der Oberkommissar quoll aus der Uniform, das Doppelkinn wirkte im Dämmerschein der Straßenbeleuchtung wie ein vorgelagerter zweiter Hals, die Dienstmütze steckte im Nacken und ließ so die Schweißtropfen auf der Speckstirn sichtbar werden – ein Bild der Harmlosigkeit. Katzmann ließ sich davon nicht täuschen, er kannte Bölke von früheren Fällen. Mit dem Oberkommissar ließ es sich arbeiten, zu unterschätzen war er dennoch nicht.

      «Also keine Ahnung?» Bölkes Augen schnippten in ihren Höhlen hin und her, blickten abwechselnd Katzmann und Eggebrecht an.

      «Vielleicht wollte der Mörder den Herren von der Presse etwas mitteilen …» Eggebrecht sprach, als ginge ihn die Sache nichts an.

      Bölke sagte: «Und Herr Katzmann, was wissen Sie über die Leiche?»

      «Es ist der Ober aus dem Bierrestaurant im Krystall-Palast. Wir haben dort getrunken und plötzlich nichts mehr bekommen.»

      «Und dann haben Sie mal vor der Redaktion geschaut, ob die Bedienung dort wartet?» Bölke lauerte, keine Spur von Humor in der Stimme.

      «Wir haben bei einem anderen Ober bezahlt und wollten dann die Messetermine durchgehen. Kollege Eggebrecht ist heute erst in Leipzig ankommen.»

      «Im Übrigen könnte es sein, dass Ihnen der Zettel dort mehr Antworten geben kann als wir.» Eggebrecht zeigte auf den Leichnam.

      «Und was steht drauf?»

      «Ich hatte gehofft, dass Sie fragen, Herr Polizist! Denn wenn Sie das wissen wollen, werden Sie das Papier bestimmt gleich an sich nehmen und etwaige Worte lesen. Und dann können Sie meinem Freund von der Presse sagen, was drinsteht. Ich hatte nämlich einige Mühe, ihn davon abzuhalten, im Vorfeld Ihrer Ermittlungen seiner Chronistenpflicht nachzukommen.» Eggebrecht zwinkerte Bölke zu.

      Er war auf dem gefährlichen Weg der Provokation, fand Katzmann. Immerhin ermöglichte das ihm selbst, die Rolle des Geduldigen zu spielen.

      «Wie kommen Sie zu der Ansicht, dass ich Ihnen etwaige Informationen mitteile?» Bölkes Schnurrbart schob sich nach vorn, mit diesem Gesichtsausdruck erinnerte der Oberkommissar an eine Robbe im Zoo. Er winkte einen Beamten herbei, befahl, den Zettel zu sichern, und sagte: «Sie entschuldigen mich bitte kurz.»

      Bölke, sein Kollege und der Zettel verschwanden am Dienstkraftwagen der Kriminaler.

      Die anderen Polizisten schienen mit ihrer Arbeit langsam fertig zu werden. Sie trugen Tütchen mit Dingen, die sie vom Boden aufgelesen hatten, zum Wagen: Krümel, Schmutz, Steinchen. Wahrscheinlich hofften sie, in dem Unrat Hinweise zu finden – worauf, wollte Katzmann nicht so recht klarwerden. Die Polizisten verstauten Beweismittel, Werkzeuge, Taschen und Zeichnungen im Kofferraum. Bölke stand mit dem Zettel neben dem Kollegen an der Beifahrertür. Die beiden sprachen so leise, dass Katzmann nichts verstehen konnte.

      «Ob der uns was sagt?» Eggebrecht fragte ebenso leise.

      «Hm, keine Ahnung. Sieht aus, als wüsste er es auch nicht so genau …»

      Der zweite Beamte stieg in den Kraftwagen. Bölke blieb draußen stehen, zog die Dienstmütze tiefer ins Gesicht. Dann drehte er sich um und kam herüber. Er hatte in den letzten Jahren immer mehr Speck auf die Hüften bekommen. Katzmann hatte das Gefühl, dass der Polizist in zehn Jahren zum Dienst rollen könnte, wenn er es bis dahin nicht in die Rente schaffen würde.

      «Kennen Sie die Blei-Bande, Herr Katzmann?»

      «Blei-Bande? Hm … Nein, ist mir noch nicht untergekommen.»

      «Letztes Jahr zu den Messen haben alle Kleinganoven vor einer neuen Bande gebibbert. Es war kaum was aus den Halunken herauszuholen. Die meisten hätten lieber ihre Zunge verschluckt, als einen Ton zu sagen.» Bölke schob die Mütze am Schirm nach hinten, über die Stirn zogen sich tiefe Falten. «Das Vögelchen, das ein paar spärliche Verse gesungen hat, hing tags drauf in der Gefängniszelle.»

      «Und warum erzählen Sie uns das?» Eggebrecht hatte wieder den Ton des unbeteiligten Zugereisten drauf.

      «Auf dem Zettel stand eine Botschaft. Vermutlich von der Blei-Bande. Da der Tote vor Ihrer Redaktion lag, mache ich mir Sorgen um Sie.»

       Sonntag, 28. Februar 1926

      ELEKTRISCHES LICHT ist eine praktische Erfindung. Mittels der richtigen Glühlampe und einer geeigneten Reflexionsfläche lässt sich die Helligkeit hervorragend steuern. Zum Beispiel kann ich morgens vor meinem Gespräch einen Lichtschein erzeugen, der es mir ermöglicht, mein Gegenüber zu blenden. So sehe ich ihn, aber er mich nicht.

      Überhaupt ist die Elektrizität eine großartige Sache. Mit Mikrophon, Verstärker und Lautsprecher lässt sich meine Stimme unkenntlich machen. Ich klinge, als hätte ich einen schweren Katarrh. Es hört sich so gruselig an, dass ich bei der Mikrophonprobe eine Gänsehaut bekommen habe. Diese Verstärkeranlage ist eine enorm hilfreiche Angelegenheit. Denn erstens erhöht das den Respekt

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