Ein Arzt als Patient. Wolfgang Wild

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Ein Arzt als Patient - Wolfgang Wild

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im angemessenen Alter oder mit unheilbarer Krankheit der angenehmste Tod. Es bliebe ihm das bewusste Warten auf den Tod erspart. Der Narkosearzt und alle anderen, die sich um den Patienten kümmern, bemühen sich aber gerade darum, dass dies nicht passiert.

      Während meiner Operation wurde die Stenose an der oberen Anastomose durch ein plastisches Verfahren erweitert. Entsprechend der Narkosedauer soll der Zustand des frisch Operierten auch angemessen überwacht werden, bevor man diesen wieder auf die Station zurück bringt. Nach dem Eingriff wird der Patient dann im Normalfall wieder in „sein“ Bett umgelagert. Bei mir war es jedoch anders.

      So richtig munter wurde ich erst, nachdem ich mich schon wieder eine ganze Weile auf Station in meinem Zimmer befand. Somit stellte ich auch erst jetzt, und nicht schon im Aufwachraum, fest, dass ich in das Bett eines anderen Patienten gelegt worden war. Das Giebelbrett am Fußende meines Bettes war zuvor grün gewesen, und das, worauf ich nun erstaunt blickte, plötzlich rosa. Da es sich nicht um Nachwirkungen der Narkose handeln konnte, musste ich wohl im Bett eines anderen Kranken liegen. Diese Vorstellung war sehr unangenehm.

      Verständlicherweise hatte ich nur einen Wunsch: Nur so schnell wie möglich raus zu kommen aus diesem Bett, deshalb drückte ich auf die Klingel. Zufällig kam die Stationsschwester, die wohl gerade in der Nähe zu tun gehabt hatte. „Oberschwester, ich wurde im Operationssaal in das Bett eines anderen gelegt.“

      „Das ist unmöglich“, sagte sie mit Überzeugung in der Stimme, denn schließlich kann ja wohl nicht sein, was nicht sein darf.

      „Doch, schauen Sie mal auf das Namensschild“.

      „Tatsächlich – ein anderer Name, und jetzt sehe ich auch, dass es kein Bett unserer Station ist. Es gehört der Klinik für HNO-Krankheiten.“

      Die Oberschwester schien nicht wirklich entsetzt zu sein; sie tangierte es nur insofern, dass sie nun bemüht war, „ihr chirurgisches“ Bett wieder zurück zu erhalten. Noch im Laufe des Nachmittages wurde der Austausch und der Neubezug der Betten vollzogen, und bald lag ich glücklich und zufrieden wieder in „meinem“ Bett.

      Zur Visite am nächsten Tag versicherten mir die Ärzte, was ich auch aus eigener Klinikerfahrung wusste, mir jedoch im Nachhinein auch nicht mehr half: „Herr Wild, so etwas kommt zum Glück recht selten vor, aber es ist schon eigenartig, dass dies ausgerechnet einem Kollegen passieren musste.“

      Das war aber nur das einleitende Visitengespräch, denn beim Zurücknehmen der Bettdecke blickten alle entsetzt auf mein operiertes Bein und warteten darauf, dass der Oberarzt etwas dazu sagte. Schon in der Nacht hatte ich eine Umfangszunahme meines Oberschenkels am linken Bein verspürt, und so ahnte ich, dass es auch heute nicht mein Tag werden würde.

      Als der Oberarzt, der mich operiert hatte, diesen Befund sah, sagte er nur: „Scheibenkleister!“ Damit war die Visite zunächst beendet.

      Bei einer offenbar auf dem Gang stattgefundenen Beratung musste man sich eingestehen, dass die Operation zu früh durchgeführt worden war. Das blutgerinnungshemmende Medikament, welches ich täglich einnehmen musste, war zwar abgesetzt worden, aber nach zwei Tagen war dieser Wirkstoff im Körper noch längst nicht abgebaut. Deshalb kam es zu einer Nachblutung und Ausbildung eines großen Blutergusses.

      Nach wenigen Minuten kam der Stationsarzt zurück und teilte mir mit: „Herr Kollege, Sie müssen heute noch einmal nüchtern bleiben, Sie wissen wohl, warum?“

      „Ja, ich weiß.“ Mir war klar, dass der Bluterguss operativ ausgeräumt werden musste, was dann auch am frühen Nachmittag geschah.

      Somit hatte ich bisher an jedem Tag des jetzigen stationären Aufenthaltes ein Erlebnis, welches nicht hätte sein müssen. Die „Bettgeschichte“ kommt in die Rubrik „dumm gelaufen“, aber die zu frühe Operation kann man schon als Behandlungsfehler einordnen.

      Damit es nicht so weiterging, musste ich in den nächsten Tagen etwas tun, was mir möglicherweise Komplikationen mit längerem Krankenhausaufenthalt erspart hat. Es ist bekannt, dass sich besonders in hochentwickelten Ländern wie den USA und den Staaten Westeuropas Patienten in den Kliniken mit Krankheitserregern infizieren können. Deutschland gilt diesbezüglich als Risikoland. Hier erkranken jährlich etwa 160000 Menschen, weil sie sich in Krankenhäusern und Ambulanzen mit therapieresistenten Keimen angesteckt haben. Außerdem weiß ein Mediziner, dass die Keimzahl in einem Operationssaal im Laufe des Tages zunimmt, und mein Bluterguss wurde ja erst am Nachmittag ausgeräumt. Auch ist bekannt, dass ein Hämatom der beste Nährboden für Krankheitserreger ist. Eine Infektion in diesem Bereich würde den Bypass gefährden, und ein infizierter Bypass hat oft den Verlust des Beines zur Folge. Wegen dieser Risiken hatte ich erwartet, dass ich perioperativ, also vor, während oder nach der Operation ein Antibiotikum erhalten würde. Das war nicht der Fall. Nun wollte ich nicht als Besserwisser oder schwieriger Patient erscheinen und ließ mir heimlich ein Antibiotikum aus meiner Praxis bringen, welches ich ohne Wissen der behandelnden Ärzte einnahm. Dieser „Disziplinlosigkeit“ hatte ich es vielleicht zu verdanken, dass sich der weitere Verlauf unauffällig gestaltete und ich vier Tage vorm Heiligen Fest, am zwanzigsten Dezember, entlassen werden konnte.

      März 1999: Vorteil und Risiko neuer Medikamente

      Anfang März 1999 wurde bei mir in einer Gefäßpraxis eine umfangreiche Kontrolluntersuchung durchgeführt. Das Ergebnis machte mir Hoffnung, in der nächsten Zeit nicht wieder stationär behandelt werden zu müssen. Eine Nachuntersuchung sollte in drei Monaten stattfinden.

       Grund genug für die Ärzte, welche bisher meine Gerinnung überwachten … (S. 33)

      Daraus wurde leider nichts, denn schon vier Tage später traten während meiner Sprechstunde abermals die bekannten Krankheitszeichen auf. Mir war klar, dass ich wieder für ein paar Tage nicht in der Praxis sein würde.

      Fast schon routinemäßig stieg ich in mein Auto, brachte mich selbst ins Krankenhaus und informierte erst dann meine Familie, dass sie das Fahrzeug abholen könne.

      Da ich zum wiederholten Mal in „meiner“ Krankenstube sein durfte, scherzte das Personal: „Herr Doktor Wild, Sie könnten sich doch eigentlich dieses Zimmer nach ihrem Geschmack tapezieren und reservieren lassen.“

      Darüber konnte ich nicht lachen. Im Gegenteil, diesmal nervten mich die immer wieder gleichen Fragen an die Patienten, die stationär aufgenommen werden, wie auch die immer wieder notwendigen Aufnahmeprozeduren.

      Zu meiner allgemeinen Unzufriedenheit gesellte sich die Erinnerung an eine Arbeit von Von Chapmann20. Er hat die Patienten mit Gefangenen verglichen, was ich fünf Jahre später als Vertragsarzt im Krankenhaus der Justizvollzugsanstalt Leipzig bestätigen konnte: Beiden wird die Kleidung weggenommen und gegen Anstaltskleidung, beziehungsweise ein Krankenhaushemd, eingetauscht.

      Sie geben ihre Wertsachen ab, sehen ihre Familien seltener, müssen ihren Raum oft mit einem Fremden teilen und leben nach einem Stundenplan, den jemand anderes bestimmt. Beide bekommen Registriernummern. Der eine muss in einer Zelle; der andere in einem Zimmer ausharren.

      Der Patient kann unter verschiedenen Gerichten auswählen, aber der Gefangene konnte sich früher nur zwischen essen oder nicht essen entscheiden.

      Ein Gefangener sieht sich oft einer körperlichen und psychischen

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