Rundgang nur mit Korb. Peter Schmidt
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Читать онлайн книгу Rundgang nur mit Korb - Peter Schmidt страница 19
»Wo finde ich den denn?«
»In seinem Büro …« er deutete mit einer sparsamen Kopfbewegung in Richtung Hauptgebäude » … Aber der ist jetzt nicht da.«
»Wann kommt er denn wieder?« Der Wachmann wurde zunehmend gereizter. Er riss wütend seine Augen auf. »Junger Mann, sehe ich so wichtig aus, als dass sich mein Kombinatsleiter bei mir abmeldet und mich um Erlaubnis bittet, auf der nächsten SED – Kreistagssitzung eine Rede halten zu dürfen?« Er drehte sich weg. Für ihn war die Unterredung abgeschlossen.
*
Axel spürte wieder den Sommerwind über seine Wangen und sein Kinn streichen. Was sollte denn jetzt werden? Ohne Zement könnten sie bestimmt keine Laube bauen. Woher sollen sie denn alles bekommen? Sie bräuchten noch so viel. War er zu blauäugig? Sie kannten hier niemanden. Andere waren hier groß geworden und hatten Kontakte und sie? Er kam hier her und dachte, dass alles auf ihn wartete. Vielleicht waren die Erfolge ja nur Glückstreffer. Dabei wollte er doch Gerda nur etwas bieten, damit sie ihr Heimweh verlor.
Er fühlte einen Druck in der Magengrube. Den Druck, zu versagen. Sein grenzenloser Optimismus war zerschollen an den Klippen der rauen Wirklichkeit.
*
»An dem kam man einfach nicht vorbei. Der wollte nicht und deshalb war da nichts zu machen. Der stand da wie ein Polizist und hat sein blödes Silo bewacht, als wenn dort die gesamten Goldschätze aus dem Grünen Gewölbe lagern würden.« Axel wedelte mit den Armen und Gerda erkannte ihren Mann nicht wieder. Sie versuchte, beruhigend auf ihn einzureden. »Wir haben doch schon eine ganze Menge erreicht. Sieh mal, vor einiger Zeit war der Garten noch kein Garten, sondern ein Unkrautbeet. Und wie sieht er jetzt schon aus?« Axel winkte ab. »Glückstreffer.« Gerda lächelte und gab sich Mühe, besonders einfühlsam zu sein: »Wir brauchen doch nicht unbedingt morgen eine fertige Laube. Und wenn es zwei oder drei Jahre dauert, wen kümmert es denn? Wir haben uns. Für mich würde es auch ganz ohne Laube gehen. Die Kinder fühlen sich wohl. Mir gefällt es schon viel besser. Und die Radieschen, die wir im nächsten Jahr ernten können, schmecken auch ohne Laube gut.« Er fuhr auf wie ein gescheuchter Hahn: »Hast du denn schon das kleinste Samenkörnchen für die Radieschen, die du im nächsten Jahr zu ernten gedenkst?«
»Ach Axel, du machst so viel für uns. Ärgere dich nicht über den Zementabzapfer.« Über den Zementabzapfer musste er lachen. Er konnte seine Mauer nicht mehr aufrechterhalten. Sie nahm ihn in den Arm. Er legte seinen Kopf auf ihre Schulter und atmete tief durch. Sie streichelte ihm über die Wangen: »Ach Axel, wir haben eine Schlacht, aber nicht den Krieg verloren. Was denkst du, wie viele Niederlagen wir noch einstecken müssen. Aber dabei darf man die errungenen Erfolge nicht außer Acht lassen.«
Am Donnerstagabend saß Axel allein im Wohnzimmer. Gerda war beim Sport, die Kinder lagen im Bett und schliefen. Er zeichnete auf Millimeterpapier die Draufsicht der Laube. ›Wir haben genügend Steine, um eine kleine Küche abzutrennen. Dann können wir in der Laube Mittagessen kochen.‹ Er radierte die Linien und damit seine Gedanken weg. ›Wir brauchen doch einen Geräteschuppen. Steine hätten wir auch dafür genug, aber dann brauchen wir eine zweite Tür. Und wir haben noch nicht einmal eine für den Eingang.‹ Jetzt trennte er sowohl eine kleine Küche als auch einen Teil Geräteschuppen ab. ›Wenn wir nur eine Tür bekommen, dann bauen wir sie hier zum Eingang ein. Dann mauern wir von außen zu und machen einen Zugang zum Schuppen vom Wohnzimmer aus. Wenn wir eine zweite Tür bekommen, mauern wir von innen zu und lassen in der Außenmauer Platz für eine zweite Zugangstür. Und wir brauchen vor allem Zement.‹ Bei diesem Gedanken erstarrte er und sah nichts weiter als ein großes schwarzes Loch vor sich.
Im Treppenhaus erklangen Frauenstimmen. Axel erkannte die Stimme von Gerda und einer weiteren Frau. Sie waren gut gelaunt. Die Stimmen wurden deutlicher. »Machs gut, Christa. Wir sehen uns allerspätestens am nächsten Donnerstag wieder.«
»Es war schön und von mir aus sehr gerne bis spätestens nächste Woche.« In der vierten Etage wurde ein Schlüssel ins Schloss gesteckt. Eine Tür öffnete sich und ging wieder zu. Jetzt hallten nur noch Gerdas Schritte durch den Hausflur und einen Augenblick später drehte sich ein Schlüssel und das Türschloss sprang auf.
»Hallo Axel?« Er war vom Sessel aufgestanden und ging zur Eingangstür. »Hallo Gerda. War es schön?« Sie strahlte über das ganze Gesicht. »Das hat so viel Spaß gemacht. Die Frau Richter kann richtig gute Übungen.«
»Und das Austauschen von Fraueninteressen kam sicherlich auch nicht zu kurz, oder?«
»Sogar bis nach Hause. Die Frau Knorrich, die direkt unter uns wohnt, die geht da auch hin. Ich habe sie gleich an ihren roten Haaren erkannt.«
»Können wir morgen mal nach Wittenberg fahren und dort nach Gartentüren sehen. Krugmann hat sich seine Eingangstüren für die Laube auch dort besorgt.«
»Von mir aus gerne. Wenn wir rechtzeitig loskommen, dann können wir uns ja in der Stadt auch noch mal umsehen.«
»Vielleicht kann ich ein bisschen zeitiger Feierabend machen.«
*
Sie fuhren durch Wälder und blühende Wiesenlandschaften. Hinter ihrem Trabant schaukelte ein Anhänger, den sie sich von Jürgen Krugmann ausgeborgt hatten. Die Straße war schlecht und der Mittelstreifen kaum noch sichtbar. Die Kinder schliefen. ›Endlich ein bisschen Ruhe.‹ dachte Axel. Aus der Radiobox, die unterm Handschuhfach auf der Beifahrerseite angebracht war, dudelte Musik.
»Wir müssen noch über die Elbebrücke und ab da fängt der Plan an, den Jürgen für uns gezeichnet hat. Meinst du, dass wir heute mehr Glück haben werden?« Er wirkte immer noch niedergeschlagen und Gerda legte ihre Hand auf seine Schulter. »Das werden wir gleich wissen.« Sie bogen ein paar Mal links und rechts ab, holperten über die ausgewellte Fahrbahn und kamen schließlich vor der BHG zum Stehen. Jürgen Krugmann hatte die Fahrtbeschreibung mit einem eingekreisten Punkt beendet. Darunter hatte er geschrieben: »Wenn ihr es bis hierhin geschafft habt, seid ihr da.« Es knallten zwei Türen und der Trabant wurde abgeschlossen. Die BHG wirkte von außen bedeutend größer und Axel hatte die geheime Hoffnung, dass sie auch mehr Nützliches beherbergen würde. Am Eingang stand ein Schild: »Rundgang nur mit Korb.« Er hielt sich an die Verordnung, nahm einen Korb und begann im Stile eines Streifensoldaten seinen Rundgang, ohne weiter auf seine Umgebung zu achten.
Es gab zwar mehr Gänge und mehr Regale in dieser BHG, aber Axel fand sich gleich zurecht. Er registrierte ein paar nützliche Dinge: Wasserhähne, Gartenschläuche, Wassertonnen, Nägel, Grabegabeln, Rosendünger, Absperrband. In einer Ecke lehnten junge, verwachsene Obstbäume an der Wand. Türen und Fenster waren allerdings nicht zu sehen. Er lief durch die Gänge und strengte seinen Blick an. Nichts. Er ging noch eine Runde. Wieder nichts.
»Entschuldigen Sie bitte, wir suchen eine Eingangstür für unsere Gartenlaube.« Er hörte Gerdas Stimme. Eine weiche und gutmütig klingende Männerstimme antwortete: »Tut mir leid. Zurzeit haben wir keine Türen.« Jetzt sah Axel seine Frau und den Verkäufer am Ladentisch stehen. Der etwa fünfzig Jahre alte Mann mit hellen Locken machte ein mitfühlendes Gesicht. »Wir bekommen aber regelmäßig Ware und wenn wir Glück haben, sind da sowohl Türen als auch Fenster dabei.« Sein Blick ergriff jetzt auch Axel und er bemerkte, dass die beiden zusammengehören. »Denn wenn Sie eine Laube bauen wollen, dann sollten Sie ja auch ein paar Fenster einbauen, damit sie rausgucken können.« Alle drei nickten. »Soll ich Sie aufschreiben und bei der nächsten Lieferung ihre Bestellung zurücklegen?« Axel grübelte für einen Moment: »Von uns aus schon, aber wie lang ist denn Ihre Liste der noch nicht gelieferten Türen? Denn es nützt ja nichts, wenn wir noch zwanzig Leute vor uns haben.« Der Mann lächelte: »Wir haben keine offenen Wünsche