Rundgang nur mit Korb. Peter Schmidt
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»Danke. Solche Leute wie du sind rar gesät.« Er winkte ab. »Schon gut, für einen alten Schweißerkollegen …« Könnte der Morgen besser beginnen als mit dem Blick über eine Wand, die bis vorhin noch ein unüberwindbares Hindernis war? ›Beziehungen schaden nur dem, der keine hat.‹ dachte er und lachte zufrieden in sich hinein.
*
»Haben wir noch eine Flasche Rosenthaler Kadarka?« Gerda war überfragt. »Ich glaube nicht. Warum?«
»Wir könnten sonst eher an einen Garten kommen. Der Spartenvorsitzende trinkt gern Rotwein und das soll wohl so etwas wie Schmierseife sein, damit er sich eher für uns entscheidet.« Sie wurde enthusiastisch und überlegte. »Hier in der Kaufhalle brauchen wir wohl erst gar nicht nachfragen. Die haben bestimmt ein paar Flaschen hinten stehen, aber wieso sollte sie die gerade an uns verkaufen, wenn sie von anderen Leuten irgendwelche Vorteile erlangen können.«
»Wir brauchen etwas zum Anbieten, zum Beispiel frisches Gemüse aus dem Garten oder Erdbeeren. Dann läuft es bestimmt besser.«
»Das ist ein klassisches Paradoxon: Wir benötigen eine Flasche Rotwein, um möglicherweise einen Garten zu bekommen. Und die Flasche könnten wir wohl eher bekommen, wenn wir etwas aus dem Garten zum Tausch hätten.« Beide schüttelten den Kopf. Dann hatte er eine Idee. »Kann nicht deine Mutter in Neubrandenburg mal losziehen und bei Bärbel in der Kaufhalle in Monckeshof nachfragen?«
»Wir können Bärbel auch direkt schreiben, denn sie wollte sowieso mal gern wissen, wie es uns hier gefällt.«
Eine Stunde später warfen sie einen Brief an Bärbel Kolley in Neubrandenburg in den gelben Briefkasten an der Schmiedeberger Straße ein, der im Nachmittagsschatten vor sich hindöste und geduldig auf eingehende Postsendungen wartete.
*
Nach einer Woche hatten sie einen Paketzettel in der Post. »Abholung ab morgen. Nicht jedoch vor 14 Uhr.« befahl eine strenge Handschrift. Am darauffolgenden Tag betrat Axel Weber um 16 Uhr und 10 Minuten das Postamt in der Torgauer Straße. Die Postangestellte bemühte sich erst gar nicht, zu lächeln. Dafür wurde sie nicht bezahlt. Er tauschte einen Paketzettel gegen ein Paket und erkannte sofort die Handschrift ihrer alten Freundin Bärbel aus der Kaufhalle in Monckeshof. ›Die alten Seilschaften funktionieren auch über die Entfernung.‹ Behutsam lud er das Paket auf seine Simson und fuhr so vorsichtig wie bei Glatteis nach Hause. Gerda wartete und beide öffneten sie zusammen den Pappkarton. Ein Brief, zerknüllte Zeitungen als Dämmmaterial und zwei Flaschen Rotwein. Gerda öffnete das Briefkuvert und ließ einen schweren Seufzer. Unter Tränen begann sie zu lesen. »Ihr geht es gut und die zweite Flasche sollen wir auf unseren Garten trinken. Wenn wir wieder in Neubrandenburg sind, dann müssen wir bei ihr vorbeikommen. Viele Grüße an die Kinder.«
»Jetzt kann ich zum Genossen Blume gehen. Krugmann hat bestimmt schon mit ihm gesprochen. Ich nehme Heiko mit. Mal sehen, was jetzt rauskommt.«
*
Die Abendsonne senkte sich und die Schatten der Häuser und Bäume zogen sich in die Länge. Der Gartenspartenvorsitzende im Garten Nummer 31 zupfte am Unkraut auf dem Kohlrabibeet. Das Fehlen eines Hutes legte den Blick auf seine Glatze frei. Kein einziges Haar sollte darüber hinwegtäuschen, dass seine Kopfhaut ebenso glatt war wie seine Beete. »Guten Abend Herr Blume.« sagte er aufgemuntert. »Guten Abend Herr Blume.« schallte die Stimme von Heiko wie ein Echo hinterher. »Genosse Weber.« er tat verwundert. »Und dann auch noch mit Verstärkung.«
»Ja, das ist mein Sohn Heiko und seine Schwester Jana ist bei der Mutter zu Hause.« Heiko hatte die Flasche Rosenthaler Kadarka in der Hand und streckte die über das Gartentor. »Einen schönen Gruß von der Mutti soll ich ausrichten und das ist für Sie.« Diesen Satz hatten sie auf der Fahrt einstudiert. Das Gesicht des Spartenvorsitzenden leuchtete als wenn es von einem Scheinwerfer bestrahlt wurde »Kommt rein. Dein Kollege Krugmann hat mir schon alles berichtet.« Jetzt wechselte er vom distanzierten Sie zum du, wie das unter Gartenkollegen so üblich war. Ein gutes Zeichen. »Ich habe noch ein Stückchen wilden Garten. Den wollte bisher keiner haben. Alle haben abgelehnt. Deswegen biete ich ihn niemandem mehr an. Aber wenn du willst, dann zeige ich ihn dir.« ›Ein Stückchen wilder Garten.‹ dachte er. ›Egal, Garten ist Garten. Welches Fleckchen Erde ist von sich aus schon kultiviert? Überall bedarf es der Intelligenz und Kraft des Menschen, den Boden fruchtbar zu machen.‹ Die Spannung knisterte wie in einem Kriminalfilm.
Genosse Blume schaukelte so gemütlich über die Spartenwege aus Schottersteinen wie ein Kamel über den Wüstensand. »Da hinten, das Stückchen könnt ihr haben.« Er zeigte mit dem Finger auf ein Stückchen unberührte Natur. Garten Nummer 14 lag im Licht der untergehenden Sonne und träumte vor sich hin. Verwildert standen ein paar nutzlose Sträucher. Keine Beete. Kieshaufen vom Vorgänger. Ungezähmte Erde wartete darauf, urbar gemacht zu werden. ›Ein gewaltiges Stückchen Arbeit‹ dachte Axel Weber und atmete tief ein. ›Aber ein guter Start wäre es allemal. Und man kann den Garten nach seinen Vorstellungen entwerfen und formen. Schlimmer wäre ein fertiges Stückchen Land, was uns nicht gefallen würde. Man muss die Vorteile erkennen‹. Dann stellte er so etwas wie eine Bilanz auf. Verwachsene Kirschenbäume. Ausgeruhter Boden. Ein Brunnen. Zwei schiefe Rosenstöcke. Er nickte genügsam. Seine Zweifel ertranken in der Vorfreude. Eine schön gewachsene Hecke. Ein Plattenweg spaliert von Rosen. Eine Terrasse. Ein Stückchen Wiese für die Kinder zum Spielen. Erbsen, Blumenkohl, Bohnen, Spinat aus eigener Produktion. Und vielleicht, vielleicht sogar ein kleines Gartenhäuschen. »Wann können wir anfangen?« befragte er den Spartenvorsitzenden. »Heute, wenn ihr wollt.« Zwei Hände fielen ineinander, zwei Gesichter grinsten sich freundlich an. Über ihnen flogen ein paar kreischende Schwalben durcheinander und flochten einen unsichtbaren Knoten in den dämmernden Abendhimmel. Kurz darauf fuhr eine blaue Simson durch die leeren Straßen der Stadt, die zwei Fahrer und eine frohe Nachricht beförderte.
3. Kapitel
WERKZEUG
Das angerostete Tor stand offen und gab den Schotterweg frei. Links Gärten. Rechts Gärten. Geradeaus der Weg. Die Sonne drückte. Windstille. Irgendwo sang eine Amsel. Sie hoben ihre Füße beim Laufen, damit die Schottersteine keinen Staub aufwirbelten. »Dort hinten, der verwachsene Garten, das ist unserer.« Seine Worte waren von Stolz und Entschlossenheit getragen, die jeden Zweifel im Keim ersticken sollten. Garten Nummer 14. Eine wilde Hecke. Ödes Durcheinander. Ein mit Kieselsteinen übersätes Stückchen Erdkruste. Gerda wirkte enttäuscht. Das Samenkorn der Euphorie war in ihr noch nicht aufgekeimt. Sie sah skeptisch über die Halde, die vor ihnen lag wie ein geplatzter Sack, aus dem alle Zuversicht entwichen war. »Kein Wunder, dass er den Garten niemand anderem angeboten hat. Dafür muss man sich ja fast schämen.«
»Wir können ihn doch so aufbauen wie er uns gefällt« versuchte Axel zu beruhigen. »Dafür brauchst du doch eine Ewigkeit.«
»Wir haben doch Zeit und in diesem Jahr wird es ja sowieso nichts mehr werden.«
»Mama, ich habe einen Hühnergott gefunden. Schau mal wie groß das Loch ist.«
»Kein Wunder, dass bei den vielen Steinen auch einer mit einem Loch zu finden ist«, flüsterte sie müde und lächelte Heiko zu, der gerade über einen Haufen Wackersteine kletterte. »Den Kindern gefällt es.« Axel versuchte Heiko und Jana mit ins Spiel zu bringen, um sie von den Vorzügen und der Notwendigkeit ihres eigenen Stückchens Land zu überzeugen. »Gib mir einfach noch ein bisschen Zeit. Ich hatte mit einem Garten und nicht mit einem Schlachtfeld gerechnet. Wenn wir Hilfe von meiner Mutter bekommen, dann werden wir