E-Mail an Georg Friedrich Händel. Sabine Rydz

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E-Mail an Georg Friedrich Händel - Sabine Rydz

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      Leider haben nach der Wende diese Stasi-Spitzel auch immer so primitiv argumentiert, dass sie sich an nichts erinnern können, ja das ist eben eine traurige Geschichte, die mich einfach nicht loslässt, die uns auch nicht loslassen darf.

      Wir dürfen diesbezüglich im Umgang mit unserer DDR-Geschichte nicht Alzheimer bekommen, niemals, verstehst du? Nein, das kannst du nicht verstehen, wer das nicht erlebt hat, kann es nicht nachvollziehen, es existiert leider kein griechischtragisches Wort dafür?

      Aber ich schwöre, dass unsere Geburtshäuser in Halle an der Saale nur wenige Straßen voneinander entfernt liegen, und irgendwo sind wir uns natürlich auch begegnet oder eben an einander vorbei gelaufen. Du könntest ja heute unter uns leben, aber wir würden dich ja gar nicht erkennen, ist ja auch kein Wunder, bei dem Verkehr, bei der Hektik und gefühlsmäßigen Kälte, die jetzt auch nach der Wende in Halle herrscht, ja mein Lieber, da würdest du dich wundern, anders als zu DDR-Zeiten und erst recht zu deiner geliebten Barockzeit, aber Long time Ego.

      Komm doch mal aus dem Olymp zurück nach Halle an der Saale, wir würden uns alle sehr freuen mein Lieber, dein Geburtshaus würdest du nicht wieder erkennen – es ist so wunderschön geworden, ein Kleinod der Architektur, wie ein Lampion der in der Nacht leuchtet und von deiner Genialität kündet.

      Jeder Besucher kann sich mit Intensität in euer damaliges Leben hineinversetzen, ein Zustand, der den ganzen Tag anhält, und auch keine Sekunde schwindet, das kannst du mir wirklich glauben, mein Lieber. Wenn ich entspannt durch euer tolles Wohnhaus gehe, überwuchert mich eine Fülle von glücklichen Empfindungen, Hoffnungen, so dass ich mich intensiv in deine Musik hineinfühlen kann, aber vor allem beflügelt mich, dass du mir unentwegt jene Kraft ins Ohr flüsterst, die meine Nervosität und phasenweise Mutlosigkeit kraftvoll besiegen kann, ich spüre sogar deine physische Anwesenheit, es breitet sich dann über meinem Leben ein magischer Zauber aus, der von unseren gemeinsamen Seelen ausgeht, dass muss jetzt sofort gefeiert werden …

       Georg Friedrich trieb die Lust auf Abenteuer

       von Halle schon in jungen Jahren nach Weißenfels

      Ja mein Lieber, nach dem Besuch in eurem tollen rekonstruierten Haus, jetzt aber wieder zu dir und deiner frühkindlichen musikalischen Entwicklung.

      Du warst schon als 10-jähriger von Kopf bis Fuß auf Musik eingestellt, als eine besondere narzisstische Art könnte man dieses Verhalten auch nennen?

      Aber du wolltest einfach nur musizieren, dich durch die Tonleitern grooven, egal wie und wo, vielleicht wäre ein Psychologe in dieser Vorpubertären-Phase für dich mein lieber Georg Friedrich nützlich gewesen oder ein Therapeut, nein natürlich nicht, das ist alles Quatsch, entschuldige bitte.

      Du wolltest eben sehr früh, wie das bei Wunderkindern üblich ist, deine Talente entfalten, und mit einem Spaßfaktor deine Musik kreieren, erleben, geheimnisvolle neu Melodien spielen, als menschliches Bedürfnis nach Spiel, eine wunderbare Herausforderung war es für dich, und deinen Vater wolltest du ärgern, ich kann das gut verstehen, mein Lieber.

      Ja, das aktiv Musikalische hat dich nicht wie andere Kinder gelangweilt, sondern unendlich fasziniert, es hat dich buchstäblich verhext, der Reiz der eigenen musikalischen Kreation verzauberte dich, und du, unser kleiner Georg Friedrich, hast ja als kleines Kind auch schon intensiv auf den Dachboden Clavichord gespielt, das angeblich eine Tante ins Haus gebracht hatte, so konntest du das Musikverbot deines Vaters elegant durchbrechen.

      Schön, dass damals schon konspirativ im Hause Händel gearbeitet wurde, dass gefällt mir, es hat ja auch prima funktioniert, und du, lieber verehrter kleiner Georg Friedrich hast des nachts, wenn alle im Hause unten schliefen, oben auf dem Dachboden, auf dem Clavichord eifrig die Tasten bewegt, und schon echt cool musiziert, da wäre ich gerne Mäuschen gewesen, hätte gerne zugehört wie du in deinem kleinen Köpfchen vielleicht die Urform der „Wassermusik“ hast entstehen lassen?

      Dein alter Herr muss aber irgendwann davon Wind bekommen haben, und mitten in der Nacht tobend mit der Rute in der Hand auf den Dachboden gesprungen sein, und dir dein geliebtes Clavichord entrissen haben?

      Nein, ich glaube ganz so brutal ist es nicht zugegangen, aber Stress muss es diesbezüglich gegeben haben?

      Kannst du dich eigentlich noch daran erinnern?

      Bloß gut, dass du von dieser Kindheits-Story nicht traumatisiert wurdest. Nein, du hast dich einfach nicht traumatisieren lassen, unbeeinträchtigt von den Zwängen der elterlichen Erziehung hast du weiter musiziert wie wir das von Wunderkindern wünschen, um nicht zu sagen erwarten, denn du wolltest ja unbedingt eine Musiker-Karriere starten, nein, du wolltest die erste Geige spielen, wie David Garrett, nein, die erste Orgel wolltest du spielen, und erster Organist wolltest du schon im Teenageralter werden, ein frühes Credo war das bereits, aber vor allem wegen des Verbotes deines Vaters, musstest du protestieren, damit setztest du dich ja auch letztlich, man höre und staune, durch. Respekt mein Lieber, du warst eben damals schon richtig cool unterwegs.

      Von Kopf bis Fuß warst du als Kind auf Musik eingestellt, aber das war ja erst die zaghafte Ouvertüre, der Anfang deiner polyphonen Üppigkeit und eindringlichen Rhythmik, und wie du später von den Konzert-Hörnern Besitz ergriffen hast, das war wirklich ein Markenkennzeichen deiner musikalischen Kunst, und niemand, kein anderer Komponist, konnte das je besser arrangieren als du, dass muss ich dir einfach mailen, sonst könnte ich nicht mehr schlafen.

      Zunächst aber wolltest du ja dein musikalisches Können öffentlich zur Schau stellen, aber dieses wiederum konnte man seinerzeit nur bei den vornehmen Abendgesellschaften an den Adelshöfen, deshalb musstest du auch mit deinem Vater ungedingt zu seinem Arbeitgeber mitreisen, denn dein Vater fuhr ständig von Halle nach Weißenfels, um dort dem Herzog neue medizinische Dimensionen zu eröffnen. Der Herzog war nämlich mit Kurpfuschern „Fremdgegangen“, deshalb war Dr. Händel später so quasi im Dauer-Notdienst-Einsatz bei dero Gnaden tätig.

      Ja, aber dieser Umstand war deine ultimative Chance, und du bist doch tatsächlich einmal bei strömenden Regen der Kutsche deines Vaters eilig hinterher gelaufen, und konntest sie sogar hechelnd wie ein moderner Marathon-Läufer einholen. Selbstbewusst und richtig standhaft sagtest du zu deinem verdutzten Vater: „Ich will ungedingt nach Weißenfels mitfahren, um dem Herzog in der Residenz vorzuspielen!“ Warst du damals eigentlich schon obrigkeits- und -promigeil oder nur scharf auf öffentliche musikalische Auftritte bei Hofe?

      Diese Frage musst du mir aber jetzt schon beantworten, denn es ist eine Kernfrage, sonst bin ich sauer, verstehst du.

      Aber diese tiefe innere Kraft, ist ja etwas grundlegend Gutartiges, und es muss etwas mit deinem späteren Charakter, sowie deiner Persönlichkeitsstruktur zu tun gehabt haben, da bin ich mir sicher – auch ohne Psychologie studiert zu haben.

      Naja, du wolltest eben mal raus aus Halle, das kann verstehen, ist akzeptiert, mein Lieber.

      Aber diese vernehme Hofgesellschaft, speziell seine herzögliche Gnaden hatte damals schon ein „Herz für begabte Kinder“, wohlgemerkt für begabte Kinder, vor allem als du dem Herzog August von Sachsen-Weißenfels vorgespielt hast, fiel ihm dein sensationelles musikalisches Talent auf.

      Ja, du unser Wunderkind hattest auch kein Lampenfieber, keine zitternden Knie, kein rasendes Herz, und auch keine Xenophobie. Schon in frühester Jugend konntest du dich ohne Stress inszenieren, sogar ohne deine Eltern oder Kommunikations-Coach, ja das war oder ist eben wahre Lebens-Kunst, die man weder lernen oder studieren kann, eben wie vom anderen Stern, deshalb sind sicher jetzt auch deine Konzerte im Himmel, im Olymp ausgebucht.

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